Eine repräsentative Umfrage in Praxen und ZT-Labors ergab jüngst, dass weit mehr als die Hälfte der in Deutschland eingegliederten, vollkeramischen Restaurationen im CAD/CAM-Verfahren hergestellt werden. Vor diesem Hintergrund analysierten die Referenten auf dem Cerec-Tag 2021 in Düsseldorf besonders die chairside-gestützten Behandlungskonzepte, die entscheidend zum Erfolg der CAD/CAM-Technik und zur Verbreitung der vollkeramischen Restauration beigetragen haben.
Die Umfrage zeigte auch, dass überdurchschnittlich viele Zahnärztinnen die computergestützte Chairside-Behandlung nutzen. Dies bewog die Cerec Masters, das Symposium mit einem „Ladies Day“ unter dem Vorsitz von Zahnärztin Susanne Kurbad, Viersen, zu eröffnen (Abb. 1). Das zweitägige Symposium mit Workshops wurde als Präsenz-Veranstaltung sowie per Videostream durchgeführt und von insgesamt ca. 290 Teilnehmern besucht.
Angeführt von Prof. Dr. Petra Gierthmühlen (Universität Düsseldorf) und Prof. Dr. Irena Sailer (Universität Genf) erörterten weitere Referentinnen die Entwicklungen in der Zahnmedizin – so zum Beispiel den Stand der digital gestützten Chairside-Behandlung aus Sicht der Klinik und Wissenschaft, die prothetischen Eigenschaften der Zirkonoxidkeramik, das intraorale Befundmonitoring, die Optionen der digitalen Alignertherapie, die Prozesskette für implantatgetragene Abutments, die Bedingungen für ein ästhetisch-fokussiertes Therapieergebnis sowie die Chancen einer Praxisgründung für Zahnärztinnen..
Klinische Bewährung von Chairside-Konzepten
Prof. Petra Gierthmühlen schlug den Bogen von den Anfängen der computergestützten Restauration in den 90er-Jahren zu den heutigen CAD/CAM-Systemen. Literaturbelegt ist, dass mit dem Cerec-System chairsidegefertigte Inlays und Onlays aus Feldspatkeramik, vor 25 bis 30 Jahren adhäsiv eingegliedert, heute noch klinisch funktionsfähig sind. Die jährlichen Misserfolgsraten blieben über den gesamten Beobachtungszeitraum konstant niedrig. Die Auswertung von 6.000 Nachuntersuchungen in niedergelassenen Praxen zeigte, dass defektorientiert vorbereitete Inlays, Onlays und Teilkronen generell besser abschneiden als Vollkronen. Innerhalb der Gruppe der Teilrestaurationen hat die Größe der Versorgung keinen Einfluss auf die Langzeitprognose. Auch dünne Restwände bei vier- und fünfflächigen Restaurationen haben auf die Gesamtprognose keine negative Auswirkung. Eine Risikogruppe sind Versorgungen auf primär avitalen Zähnen; dies gilt sowohl für Kronen als auch für Teilrestaurationen. Jedoch treten endodontische Komplikationen bei adhäsiv befestigten Teilkronen seltener auf als bei traditionell zementierten Vollkronen.
Lag die Intraoral-Messaufnahme und die mechanische Ausarbeitung der vollkeramischen Restauration bisher im Fokus des Chairside-Konzepts, hat sich dieser Ansatz inzwischen grundlegend geändert. Heute speisen die klinisch erhobenen Digitaldaten den zentralen Informationspool der Praxis mit Verknüpfungen für Vorsorge, Röntgenstatus, Befundung, Therapieplanung, Materialauswahl, Komponentenfertigung, Behandlung, Nachsorge und Kontrollbefund sowie die Kostenerfassung. Mit diesen Daten kann der Patient in die prospektive Langzeitbeobachtung der Praxis eingebunden werden. Wiederholungsaufnahmen lassen Veränderungen an Zahnhartsubstanz, Zahnstellungen, Restaurationen sowie Gewebedefekte aufspüren.
Substanzschonung als Pflichtdisziplin
Konnte schon mit der vollkeramischen Teilkrone die Forderung nach Substanzerhalt nachhaltig erfüllt werden, kann bei der Kronenversorgung in angezeigten Fällen eine Veneer-Krone gegenüber der konventionellen Keramikkrone die nachhaltige Lösung sein. Hierbei ist laut Gierthmühlen die vergleichsweise minimalinvasive Präparation von Vorteil. Aufgrund der adhäsiven Befestigung kann auf eine retentive Präparation verzichtet werden. Die Schichtstärke kann okklusal auf maximal 1 mm reduziert und Zahnhartsubstanz erhalten werden. Im Gegensatz zu konventionellen Vollkeramikkronen soll auf eine tiefe Schulter mit 0,8-1,0 mm verzichtet werden. Da der Schmelz beim natürlichen Zahn von inzisal nach zervikal dünner wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei einer Schulterpräparation die Präparationsgrenze im zervikalen Dentinbereich liegt. Der adhäsive Verbund von Komposit im Schmelz ist wesentlich stärker als im Dentin. Je mehr Schmelz bei der Präparation erhalten werden kann, desto vorteilhafter für die langfristige Erfolgswahrscheinlichkeit.
Das Frakturrisiko bei Kronen hat sich deutlich gemindert durch den Einsatz von festigkeitsgesteigerten Keramikwerkstoffen – zum Beispiel mit Lithiumdisilikat, zirkonoxiddotiertem Lithiumsilikat und Zirkonoxid im monolithischen Kronendesign (Abb. 1). Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt mittlerweile bei Werten, die auch Gussrestaurationen zugeschrieben werden.
Als Entscheidungshilfe für die Therapieplanung mit literaturbelegten Überlebensraten verwies die Referentin auf die „S3 Leitlinie für vollkeramische Kronen und Brücken“. Als Koordinatorin der Leitlinie für die DGPro und DGZMK betonte sie die wissenschaftliche Evidenz der Ergebnisse auf Basis von mindestens fünfjährigen Beobachtungszeiträumen. Hierbei wurde auch der Einfluss von Bruxismus auf die verschiedenen Werkstoffe bewertet.
Zirkonoxid im ästhetischen Wandel
Als „weißer Stahl“ ursprünglich im Molareneinsatz gelandet, inzwischen zum „Ästhetik-Baustein“ mutiert – mit dieser Beschreibung zeichnete Prof. Irena Sailer die Entwicklung der Zirkonoxidkeramik (ZrO2) nach. Als opaker Gerüstwerkstoff für Kronen und Brücken war ZrO2 (3Y-TZP) auf die aufbrennkeramische Verblendung angewiesen. Unterschiedliche Materialeigenschaften und Schichtstärken, Spannungen an den Grenzflächen sowie Porositäten in der Verblendschicht lösten in hohem Maße Verblendfrakturen aus. Unbestritten war die hohe Biegebruchfestigkeit, die 3Y-TZP als Alternative zu metallgestützten Kronen und Brücken qualifizierten. Die Überlebensraten der Zirkonoxid-Gerüste zeigten zwar eine hohe Frakturresistenz; jedoch war das Ausmaß der Chippings klinisch nicht zu vertreten. Auch die Einfärbung des Gerüstmaterials, um es auf Zahnfarben „zu trimmen“, war nicht wirklich zielführend. Farbtauchlösungen und voreingefärbte Fräsronden boten lediglich ästhetische Kompromisse.
Ein Quantensprung war der Umbau der keramischen Matrix, der die hohe Festigkeit mit der Ästhetik verband. Dafür wurden differenzierte ZrO2-Solitäre mit den lichtoptischen Merkmalen von Dentin und Schmelz akkumuliert mit der Folge, dass unterschiedliche Eigenschaften für Festigkeit, Farbe, Lichttransmission und Transluzenz schichtweise in einem Fräsblock zusammengeführt wurden. Dieses monolithische Zirkonoxid weist sich je nach Anbieter in unterschiedlichen Kombinationen als 3Y/4Y/5Y-TZP aus. Damit wurde sichergestellt, dass die Restauration nicht grundsätzlich verblendet werden muss. Bei höheren ästhetischen Ansprüchen ist eine Bukkal-Verblendung im Frontzahnbereich unter Ausschluss der Kauflächen angezeigt. Sailer wies jedoch darauf hin, dass für das mehrschichtige, monolithische ZrO2 längerfristige Literaturbelege zur klinischen Bewährung noch ausstehen.
Mit der einflügeligen, vollkeramischen Adhäsivbrücke stellte Sailer eine wenig invasive Therapielösung vor, um eine Lücke im Frontzahn zu schließen (Abb. 2 und 3). Hierbei wird mit einem Klebeflügel eine sehr belastbare, extrakoronale Restauration am kariesfreien Pfeilerzahn befestigt. Die schmelzbegrenzte Präparation erfolgt palatinal mit einer Retentionsnoppe im Bereich des Tuberkulums. Für das Flügelgerüst kommt Y3-TZP (ZrO2) mit 0,6 bis 0,7 mm Materialstärke zum Einsatz, das zirkulär oder labial verblendet wird. Die Befestigung erfolgt mittels Adhäsivtechnik. Für die Korundstrahlung der Klebefläche (Al2O3, 50 µm, Druck 1,0 bar) wird die Verblendung abgedeckt. Versagt der Klebeverbund, ist eine Wiederbefestigung stets möglich. Zudem bleiben zukünftig alle konventionellen und implantatprothetischen Versorgungsmöglichkeiten erhalten. Längerfristige Studien mit guten Prognosen für vollkeramische, einflügelige Adhäsivbrücken liegen vor.
Konkordanz des Therapiekonzeptes
Als Leiterin des „Ladies Day“ untersuchte Zahnärztin Susanne Kurbad, Viersen, in mehreren Beiträgen anhand verschiedener Therapielösungen wie Inlay/Teilkronen-Versorgungen und Kronen- und Brücken-Rekonstruktionen unter Chairside-Bedingungen die Konkordanz des Behandlungskonzepts mit dem Ausgangsbefund, Patientenwunsch, Therapieplan, Materialauswahl, klinischem Vorgehen, der Fertigung der Restauration, Individualisierung der Ästhetik und mit der Nachsorge. Ohne Frage ist die Ausdehnung der kariösen Läsion wegweisend für die Präparation nach dem Prinzip des weitestgehenden Substanzerhalts. Die maximale Schonung des Zahnschmelz‘ ist unter anderem die Grundlage für die adhäsive Befestigung und Garant für einen nachhaltigen Überlebenserfolg der Restauration. Eine minimal-invasive Präparation mit supragingivaler Präparationsgrenze bietet den Nutzen, dass diese nicht nur ausreichend trockengelegt und vom Intraoralscanner exakt erfasst werden kann, sondern auch die adhäsive Befestigung mit Kofferdam sowie die Entfernung von Zementüberschüssen vereinfacht.
Für die digitale Registrierung empfahl Kurbad, den Bukkalscan vor der Anästhesie beziehungsweise vor der Präparation in aufrechter Patienten-Sitzposition durchzuführen, um eine vitale Zahnanatomie sowie die habituelle Okklusion im Scan abzubilden. Für das okklusale Design sind die Arbeitshöcker im Kontaktbereich und die Randleiste mit der Shimstock-Folie zu artikulieren und in den Scan aufzunehmen. Die Entscheidung, den Kiefer vollständig oder hälftig intraoral zu scannen, sollte sich an der Maßgabe orientieren, dass die Eckzahnposition auf der Gegenseite für die Artikulation abgebildet und die Situation für die Modellausrichtung über die Mittellinie hinaus erfasst wird.
Digitalisierung in der Praxis
Mit dem Einsatz der Analyse-Software „OraCheck“ unterstützt Dr. Frederike Fehrmann, Heuchelheim, ihre Befundung sowie zur Differenzanalyse (Abb. 4). Die OraCheck-Software, seit 2013 erhältlich und mit dem Cerec-System ab der Omnicam anwendbar, gewinnt neuerdings durch Integration in die Primescan zunehmend an therapeutischer Bedeutung. Komplexe Vergleiche unterschiedlicher, dreidimensionalen Scans ermöglichen eine Kontrolle der Behandlungsergebnisse, entdecken Stellungsveränderungen der Zähne während einer KfO-Behandlung, kontrollieren Parodontaltherapien oder den Volumenaufbau in der Chirurgie, zum Beispiel bei der Vorbereitung des Implantatlagers. Mit zeitversetzten Intraoralaufnahmen macht die Software auch Abrasionen, Zahnwanderungen, Funktionsstörungen und Gewebeveränderungen sichtbar. Die Software ist ein objektives Hilfsmittel für Behandlungsentscheidungen und zur Dokumentation von Veränderungen.
„Digitale Aligner-Therapie als Erfolgskonzept“ thematisierte Dr. Karin Frank, Besigheim. Eine nachhaltige Schienentherapie zur Korrektur von Zahnfehlstellungen erfordert nach der Diagnostik eine gründliche Planung sowie Mittel zur Patientenmotivation. Hierbei nutzt die Kieferorthopädin praxisbewährte Software sowie 3-D-Drucker zur Schienenfertigung. Frank warnte vor Aligner-Proceduren aus dem Internet, die meist weder fachmännisch noch legalisiert erfolgen und Schäden am Zahnbestand auslösen können.
Dr. Gertrud Fabel, München, berichtete von ihren Erfahrungen bei der Behandlung von Craniomandibulären Dysfunktionen (CMD). Mit der Nutzung der Ortho- Software zur Befundung sowie Therapieplanung, Myozentrik und durch den Einsatz von Sicat-Aufbissschienen lassen sich die Funktionsstörungen weitgehend beseitigen. In der Kronen- und Brückenprothetik hat sich Fabel auf den Einsatz von monolithischem, transluzentem Zirkonoxid konzentriert. Besonders bei Patienten mit Parafunktionen zeigten verblendfreie Restaurationen eine hohe Dauerbelastbarkeit.
Der Wunschtraum, aus der virtuellen Konstruktion ein reales Modell im 3-D-Druck herzustellen, ging für Dr. Ariane Schmidt, Haltern, in Erfüllung. Sie stellte eine umfangreiche ZE-Arbeit mit teleskopierenden Doppelkronen vor, deren Konstruktion auf der Primescan erfolgt war. Nach der Modellberechnung unter Nutzung der Connect Software 5.2 konnte sie das Modell im 3-D-Drucker herstellen. Die Exportfunktion STL mit geschlossener Geometrie ermöglicht, dass Connect- und Cerec-Anwender auf Basis der Scandaten direkt und ohne Zusatzsoftware Modelle drucken können.
Unter Verwendung der Atlantis Software ist der komplette digitale Workflow mit der Primescan validiert. Damit können auch große Implantatversorgungen als Modell ausgedruckt werden.
Digital gefertigte Abutmentkronen
Die Chairside-Fertigung von implantatgetragenen Abutments und Abutmentkronen mit dem Cerec-System brachte Dr. Bernhild-Elke Stamnitz, Langen, dem Auditorium nahe (Abb. 5). Die Referentin differenzierte den Einsatz von individuell gestalteten Abutments gegenüber konfektionierten Suprastrukturen und Hybrid-Abutments sowie den Nutzen der monolithischen Abutmentkrone. Beim zweiteiligen Abutment mit der „Titan-Klebebasis“ greift eine Titanhülse – die von einem verklebten Zirkonoxid-Aufbau ummantelt wird – in den Titan-Enossalpfeiler ein. Dadurch wird das Risiko der Zugspannung umgangen, die bei direkter Keramikverschraubung entstehen würde. Stamnitz stellte den Nutzen des individualisierten Hybridabutments (Abb. 6) vor, der die mechanische Festigkeit der Titankomponenten, ein anatomisch günstiges Emergenzdesign, einen epigingivalen oder supragingivalen Randverlauf und eine ästhetische Gestaltung auch bei ungünstiger Implantatposition, umfasst. Verschraubte Mesostrukturen erleichtern bei Bedarf eine Revision, erfordern aber einen Schraubenschlot, der wenig sichtbar platziert werden sollte. Zementierte Strukturen hingegen können schlanker gestaltet werden, bergen aber bei Zementüberschuss das Risiko einer iatrogenen Entzündung. Zur Vermeidung einer Periimplantitis darf die Abutmentschulter nur leicht subgingival gelegt werden.
Manfred Kern, Wiesbaden