Die Versorgung stark zerstörter Zähne ist vorzugsweise mit indirekten Methoden realisierbar. Ziel ist hier, die korrekte anatomischen Form unter Wahrung aller funktionellen Gesichtspunkte wiederherzustellen. Grundsätzlich lassen sich solche Restaurationen auch in der Mundhöhle frei modellieren. Der hohe Zeitaufwand und die herausfordernde Geschicklichkeit des Behandlers zeigen jedoch, dass die indirekte Methode Vorteile bietet.
Um trotzdem wirtschaftlich und zeiteffektiv arbeiten zu können, bietet sich in diesen Fällen der Einsatz eines digitalen, auf die Versorgung in einer Sitzung (chairside) fokussierten Systems (zum Beispiel Cerec) an. Nach dem streng adhäsiv gestalteten, defektorientierten Aufbau mit kompositbasierten Materialien wird die abschließende Form mit digitalen und auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmen gestaltet.
Subgingivale Bereiche digital schwer zu erfassen
Neben funktionellen Aspekten können dadurch auch die Anforderungen an die Materialeigenschaften umfassend berücksichtigt werden. Die eng mit dem Schädigungsgrad bei tief zerstörten Zähnen verbundene Ausdehnung der Läsionen in subgingivale Bereiche ist für digitale Systeme eine Herausforderung. Eine optische Abtastung ist bei Unterschnitten meist schwierig zu bewerkstelligen. Zudem sind schwer zugängliche Bereiche auch eine Herausforderung bei der zwingend notwendigen adhäsiven Befestigung. Hier gilt es, traditionell verankerte Regeln in Frage zu stellen. Die Abbildungen 1 bis 4 zeigen die Verlegung einer subgingivalen Präparationsgrenze durch Kastenelevation und Präparation für ein CAD/CAM gestütztes Onlay.
Ein Zeitfenster für klassische Techniken wie chirurgische Kronenverlängerung oder orthodontische Extrusion besteht nicht. Mittels geeigneter Techniken lassen sich heute subgingivale Bereiche adhäsiv so weit aufbauen, dass sie sich in klinisch kontrollierbaren und eindeutig supragingival gelungenen Zonen befinden.
Diese Technik hat drei maßgebliche Vorteile: Die optische Abtastung ist problemlos möglich. Die Formgestaltung der Restauration wird vereinfacht (Länge, Einschubrichtung, Rand). Die adhäsive Befestigung kann unter absoluter Trockenlegung erfolgen. Maßgeblich unterstützt wird diese Randverlagerung (margin relocation) durch die Verwendung geeigneter Matrizensysteme. Diese müssen einerseits einen feuchtigkeitsdichten Abschluss ermöglichen, andererseits die Wiederherstellung der subgingivalen Anatomie ohne Stufen sowie Ansätze oder andere mechanischen Kompromisse unterstützen (siehe Abbildungen).
Glasfasersysteme bieten ausreichende Festigkeit
Die verwendeten Materialien müssen eine ausreichende Festigkeit gewährleisten. Ganz besonders im Fall endodontisch behandelter Zähne muss mit ihrem Einsatz Retensionsfläche gewonnen und Risswachstum unterbunden werden – beide Faktoren sind unabdingbar für die Langzeitstabilität der Restauration. Materialien mit Verstärkungen durch Glasfasersysteme eignen sich hervorragend für diese Zwecke – allerdings ist das Handling imprägnierter Glasfasern eine klinische Herausforderung. Hier kommen neue Entwicklungen ins Spiel, bei denen die Fasern in direkt applizierbare Systeme integriert werden. Dazu werden relativ kurze Fasern eingesetzt (short fibers). Die Applizierbarkeit, aber auch die Standfestigkeit im Zuge der Modellierung, werden dadurch erheblich verbessert (zum Beispiel mit EverX Flow, GC).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die oben beschriebenen Techniken ein echter Fortschritt bei der Versorgung tief zerstörter Zähne sind. Unnötiger Verlust von gesunder Zahnhartsubstanz durch Kronenpräparation kann vermieden werden. Der früher im Röntgenbild als Randspalt kompromittierte Bereich zwischen Zahnstumpf und der bedeckenden, indirekten Restauration kann inzwischen durch moderne, therapeutische Verfahren vermieden werden.
Prof. Dr. Ivo Krejci, Direktor des Departements für Präventivzahnmedizin und zahnmedizinische Grundversorgung der Universität Genf (Schweiz), steht seit vielen Jahren für alternatives Denken in der Zahnheilkunde. Seine Ideen klingen teilweise etwas provokant, als ob sie nicht von dieser Erde wären. Seinen Beitrag auf dem diesjährigen Cerec-Tag nennen wir deshalb: ‚Cerec vom Mars’. Lassen Sie sich inspirieren!
Der Cerec-Tag unter der Leitung von Dr. Andreas Kurbad, Viersen, findet am 18. und 19. September 2020 als Präsenz-Veranstaltung in Düsseldorf (Maritim Hotel am Airport) statt. Aufgrund des angezeigten „Social Distancing“ und der gültigen Hygienemaßnahmen ist die Teilnehmeranzahl beschränkt. Anmeldungen per Mail beim Cerec Masters Club unter masters@cerec.de, info@cerec.de. Weitere Informationen zum Cerec Tag 2020 gibt es auf Quintessence News.
Manfred Kern für den Cerec Masters Club, Wiesbaden