Die Preisverleihung erfolgt traditionell auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung: Am 19. November 2021 wurden die Gewinnerinnen und Gewinner des Wrigley Prophylaxe Preises bekannt gegeben, der in diesem Jahr zum 27. Mal verliehen wurde. Am diesjährigen Tagungsort Göttingen wurden nicht nur zwei reguläre Preise, sondern auch ein Sonderpreis „Praxis und soziales Engagement“ und ein einmalig gestifteter Innovationspreis übergeben. Das Themenspektrum der ausgezeichneten Arbeiten reichte von Schallzahnbürsten bis Mundhöhlenkarzinomen.
Den ersten Preis und 4.000 Euro erhält die Arbeitsgruppe um Privatdozentin Dr. Julia Caroline Difloe-Geisert von der Universität Basel. Ihrer ersten Pilotstudie zufolge wird interdentale Plaque nach einmaliger Anwendung einer Schallzahnbürste bei parodontal gesunden, jungen Erwachsenen nur unvollständig entfernt. Den zweiten Platz, dotiert mit 3.000 Euro, belegen Professorin Michelle A. Ommerborn und ihr Team in einer interdisziplinären Kooperation mit Dr. Ralf Schäfer vom Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Sie stellten einen Test zur Frühdiagnostik von nächtlichem Zähneknirschen (Bruxismus) vor.
Der mit 2.000 Euro dotierte Sonderpreis „Praxis und soziales Engagement“ ging an Dr. Marc Auerbacher und seine Kolleginnen am Universitätsklinikum München. In ihrer Studie zeigten sie Wege, wie Erwachsene mit schwerer Behinderung auch ohne Narkose erfolgreich behandelt werden können. Den einmalig gestifteten „Innovations-Spezialpreis“ (Prämie: 2.000 Euro) erhielt Privatdozent Dr. Dr. Manuel Weber von der Universitätsklinik Erlangen. Seine Arbeiten legen die Grundlage für die Entwicklung eines diagnostischen Tests zur Prophylaxe des Mundhöhlenkarzinoms.
Schallzahnbürsten: Kein Ersatz für die Interdentalraumhygiene
Die Entfernung von Biofilm spielt eine wichtige Rolle für die Prävention von Karies und Parodontalerkrankungen. Die adäquate Reinigung der Zahnzwischenräume mit Hilfsmitteln wie Interdentalraumbürsten kommt jedoch bei den meisten Menschen zu kurz. Neuere In-vitro-Studien lassen hoffen, dass verschiedene Schallzahnbürsten eine Biofilmreduktion ohne direkten Borstenkontakt erzielen können.
Ob mit einer Schallzahnbürste Biofilm auch in den schwer zugänglichen Interdentalräumen bei parodontal gesunden, jungen Erwachsenen entfernt werden kann, überprüften Privatdozentin Dr. Julia Caroline Difloe-Geisert und ihr Team aus Wissenschaftlern der Universitäten Basel, Frei-burg und Gießen, Prof. Dr. Nadine Schlüter, Sarah Fiedler, Prof. Dr. Carolina Ganß, Dr. Eva Maria Kulik und Prof. Dr. Clemens Walter. In ihrer ersten klinischen Pilotstudie untersuchten sie die interdentale Biofilmreduktion und -zusammensetzung nach dem einmaligen Zähneputzen mit einer aktivierten Schallzahnbürste im Vergleich zu manuellem. Dafür erhielten sie den mit 4.000 Euro dotierten ersten Preis beim diesjährigen Wrigley Prophylaxe Preis.
30 parodontal gesunde junge Erwachsene putzten ihre Zähne mit einer Schallzahnbürste ohne Zahnpasta in verschiedenen Putzvarianten: Sie nutzten diese entweder inaktiviert („Aus“) oder schallaktiviert („An“), jeweils ohne und mit Putzinstruktion. Vor und nach dem Zähneputzen erhob das Forschungsteam den Approximal Plaque Index (API) und entnahm interdentale Plaqueproben in ausgewählten Interdentalräumen.
Das Ergebnis: Unabhängig von der Putzvariante wurde eine nur unvollständige interdentale Plaquereduktion bei parodontal gesunden, jungen Erwachsenen unter den gegebenen Versuchsbedingungen erzielt. Die Ergebnisse sollten jetzt in einer größeren Population und bei Patienten mit oralen Erkrankungen weiter untersucht werden. Die Empfehlung: Zahnärztinnen und Zahnärzte sollten ihre Patienten weiterhin motivieren und instruieren, die Interdentalräume mit Hilfsmitteln wie Interdentalraumbürsten zu pflegen.
Frühdiagnostik von Schlafbruxismus ohne Schlaflabor
Den zweiten, mit 3.000 Euro dotierten Wrigley Prophylaxe Preis vergab die Jury an Professorin Michelle A. Ommerborn und ihr Team vom Universitätsklinikum Düsseldorf, M. Sc. Nicole Walentek, Dr. Nora Bergmann, Michael Franken und Dr. Andreas Gotter, in einer interdisziplinären Kooperation mit Dr. Ralf Schäfer vom Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Ihre Pionierarbeit zum Thema nächtliches Zähneknirschen (Schlafbruxismus) eröffnet Zahnärztinnen und Zahnärzten neue Optionen zur Prävention von Attritionen.
Attritionen, ein durch Zähneknirschen verursachte irreversible Verlust von Zahnhartsubstanz, sind typische Folgeschäden von chronischem Schlafbruxismus. Bislang ist der Goldstandard für eine Früherkennung der Parafunktion das Schlaflabor. Nun wurde ein neues Verfahren zur frühzeitigen Messung von Attritionen in der Praxis entwickelt. In der prämierten klinischen Studie wurde es an 45 Probanden (mit und ohne Bruxismus) getestet. Es besteht aus einer 0,5 Millimeter dünnen diagnostischen Folie, die mittels konventionellem Tiefziehverfahren individuell für die Probanden gefertigt wurde und die sie in fünf aufeinanderfolgenden Nächten trugen. Die Folien wurden digital abfotografiert und der Abrieb mithilfe einer Software ermittelt. Der daraus berechnete Pixel-Score dient als Maß für die nächtliche Knirschaktivität.
Das Verfahren erwies sich als valide, praxistauglich und anwenderfreundlich. Der Pixel-Score lag bei Probandinnen und Probanden mit Schlafbruxismus deutlich höher als bei der Kontrollgruppe; den Tragekomfort bewerteten sie positiv. Das neue Verfahren ermöglicht – so die Autorinnen und Autoren – die frühzeitige Diagnostik von Schlafbruxismus, bevor Schäden an den Zähnen auftreten. Genutzt werden könnte es in der Präventivzahnmedizin zur Attritionsvorbeugung sowie im Rahmen von klinischen Studien.
Behandlung von Patienten mit Behinderungen ohne Narkose möglich
Den mit 2.000 Euro dotierten Sonderpreis „Praxis und soziales Engagement“ erhielten Dr. Marc Auerbacher und seine Kolleginnen am Universitätsklinikum München, Lydia Gebetsberger und Dr. Dalia Kaisarly. Sie zeigten in ihrer retrospektiven Untersuchung, dass Prophylaxebehandlungen bei Erwachsenen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung auch im Wachzustand gelingen können. Wegen der eingeschränkten Kooperationsfähigkeit finden zahnärztliche Behandlungen bei dieser Patientengruppe meist unter Narkose statt.
In der Studie setzte das Team bei 20 Patientinnen und Patienten, die noch nie eine professionelle Zahnreinigung erhalten hatten, diverse Kommunikationsstrategien und verhaltensführende Techniken ein. Daraufhin konnte die Zahnreinigung bei allen ohne Narkose im Behandlungsstuhl stattfinden. Zudem wurden sie langfristig in ein Recall-Programm eingebunden. Ein großer Erfolg, denn die regelmäßige Prophylaxe im Wachzustand verbessert auch die Lebensqualität der Betroffenen deutlich.
Innovations-Spezialpreis: Mundhöhlenkarzinome früher diagnostizieren
Einen einmalig gestifteten „Innovations-Spezialpreis“ (Prämie: 2.000 Euro) erhielt Privatdozent Dr. Dr. Manuel Weber von der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik der Universität Erlangen. Er wurde für seine Grundlagenforschung zu einem möglichen diagnostischen Test zur Früherkennung von Mundhöhlenkarzinomen ausgezeichnet.
Das Mundhöhlenkarzinom (OSCC) ist der achthäufigste Tumor weltweit. Wichtigster prognostischer Faktor ist das Tumorstadium und damit der Zeitpunkt der Diagnose. Erfolgt die Diagnostik im Stadium einer Vorläuferläsion (Leukoplakie, OLP), kann diese meist gut behandelt werden – und die Chancen stehen gut, die Entstehung eines OSCC zu verhindern. Eine entscheidende Rolle für die Prophylaxe des OSCC spielen Zahnärztinnen und Zahnärzte, indem sie bei den zweimal jährlich empfohlenen Untersuchungen der Mundhöhle auf Veränderungen der Mundschleimhaut achten.
Allerdings sind neue diagnostische Parameter notwendig, um OLP mit einem hohen Risiko für eine maligne Transformation zu erkennen und zu behandeln. Die Ergebnisse der prämierten Grundlagenforschung legen nahe, dass immunologische Marker hierfür aussichtsreiche Kandidaten sind und ebnen den Weg für die Entwicklung eines diagnostischen Tests zur Prophylaxe des Mundhöhlenkarzinoms.
Auszeichnung wird seit 27 Jahren vergeben
Der Wrigley Prophylaxe Preis gehört zu den renommiertesten Auszeichnungen in der Zahnmedizin. Stifterin ist die wissenschaftliche Initiative „Wrigley Oral Healthcare Program“ mit dem Ziel, die Zahn- und Mundgesundheit in Deutschland zu verbessern. Der Preis wurde vor 27 Jahren ins Leben gerufen und steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ). Der Hintergrund: Das regelmäßige Kauen von zuckerfreiem Kaugummi gehört neben Zähneputzen und gesunder Ernährung zu den drei Kernempfehlungen der medizinischen Leitlinie zur Kariesprophylaxe, die jeder eigenverantwortlich umsetzen kann.
Eine unabhängige Jury würdigt wissenschaftliches Engagement und soziale Projekte, die zur Verbesserung der Mundgesundheit in der Bevölkerung beitragen. Der Preis wurde traditionsgemäß auf der Jahrestagung der DGZ verliehen, die dieses Jahr in Göttingen stattfand.
Neu in der Jury: Frauen-Power und Verein für Zahnhygiene
Tagungspräsidentin Prof. Dr. Annette Wiegand von der Universität Göttingen verstärkte erstmals dieses Jahr die Jury. Als mehrfache Preisträgerin des Wrigley Prophylaxe Preises ist ihr die Auszeichnung bestens bekannt: „Der Einfallsreichtum der Bewerber und die Vielfalt der untersuchten Themengebiete hat mich beeindruckt, die Auswahl der Gewinner unter den 21 eingereichten Bewerbungen war ein hartes Stück Arbeit für uns“, betonte sie bei der Tagungseröffnung.
Die weiteren Mitglieder der unabhängigen Wrigley Prophylaxe Preis-Jury sind Prof. Dr. Thomas Attin, Zürich, Prof. Dr. Werner Geurtsen, Hannover, DGZ-Präsident Prof. Dr. Rainer Haak, Leipzig, Prof. em. Dr. Joachim Klimek, Gießen, Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel, Bern, und Andreas Herforth, Referent zahnärztliche Versorgung bei der Techniker Krankenkasse Hamburg. Er übergibt sein Juroren-Amt als Vertreter des öffentlichen Gesundheitswesens nach drei Jahren für 2022 an Dr. Christian Rath, Geschäftsführer des Vereins für Zahnhygiene, Darmstadt.