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Ein Patientenfall mit Autotransplantation impaktierter Eckzähne im Oberkiefer

Klinische Situation beim Termin zur Nahtenfernung: Titan-Trauma-Schiene in situ und Aufbisse.

Die autogene Zahntransplantation gilt heute als anerkannte Alternative zum implantologischen und prothetischen Zahnersatz sowie zum kieferorthopädischen Lückenschluss. Als erfolgreiche Zahntransplantate haben sich Weisheitszähne, Prämolaren, Milcheckzähne sowie verlagerte Eckzähne bewährt. Sie können auf biologische Art und Weise fehlende oder auch nicht erhaltungsfähige Zähne ersetzen. Gerade beim Patienten mit nicht abgeschlossenem Kieferwachstum birgt die autogene Zahntransplantation Vorteile im Hinblick auf den Knochen- und Weichgewebeerhalt in der Wachstumsphase. Wichtig für die Erfolgsprognose sind vor allem die klinische und radiologische Diagnostik sowie die chirurgische Planung. Im vorliegenden Beitrag für die Implantologie 1/2023 beschreiben Dr. Puria Parvini et al. die Autotransplantation zweier sehr hoch horizontal verlagerter, impaktierter Eckzähne bei einem 13-jährigen Patienten.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
 

Einleitung

Der bleibende obere Eckzahn ist mit einer Prävalenz von 1 bis 3 Prozent in der Gesamtbevölkerung der zweithäufigste impaktierte oder verlagerte Zahn nach den Weisheitszähnen1−3. Je nach Lokalisation lassen sich die Eckzahndystopien in eine vestibuläre, intraalveoläre oder palatinale Dystopie einteilen. In der Regel wird im jugendlichen Alter nach Ausbleiben des Durchbruchs des permanenten Eckzahns oder bei persistierenden Milcheckzähnen die Diagnose gestellt. Eine bildgebende Diagnostik in zwei Ebenen (Einzelzahnfilm und Aufbissaufnahme) oder eine dreidimensionale Aufnahme (DVT) sind in der interdisziplinären Planung zu empfehlen, vor allem bei einer engen Lagebeziehung zu Risikostrukturen, wo zusätzliche räumliche Informationen zur intraoperativen Plaunung und Orientierung notwendig sind4

Als Therapieoption bietet sich je nach Lage der verlagerten Zähne eine unterstützende Extraktion der Milcheckzähne, die chirurgische Freilegung mit anschließender kieferorthopädischer Einordnung des Zahns, die Zahntransplantation oder die Entfernung nach Osteotomie an. Bei einer horizontalen Verlagerung mit enger Lagebeziehung zu den Zahnwurzeln der Nachbarzähne kann die kieferorthopädische Einordnung mit Anbringen eines Attachements riskant sein und ist in den meisten dieser Fälle als Therapieoption ungeeignet5. Hier kann die Autotransplantation in Betracht gezogen werden, die eine gute Therapiemöglichkeit auch bei noch wachsenden Kindern, alternativ zu herausnehmbaren Kinderprothesen oder Adhäsivbrücken, darstellt. Dadurch wird, anders als bei den konventionellen prothetischen Versorgungen, das Kieferwachstum weiterhin stimuliert und es kommt zu keinen ästhetischen oder funktionellen Einbußen in diesen Bereichen6.

Der vorliegende Fallbericht zeigt einen 13-jährigen Patienten. Im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung wurde festgestellt, dass die oberen permanenten Eckzähne impaktiert und sehr hoch horizontal verlagert waren. Nach vorbereitenden kieferorthopädischen Maßnahmen und Lückenöffnung in Regio 13 und 23 wurde die Autotransplantation der Zähne geplant.

Falldarstellung

Der 13-jährige Patient stellte sich in der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum) der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main vor, nachdem im Rahmen der kieferorthopädischen Planung im Orthopantomogramm (OPTG) die Eckzahndystopie beider oberen Eckzähne festgestellt wurde (Abb. 1). Der Junge wies einen altersentsprechenden, unauffälligen Allgemein- und Ernährungszustand auf.

Zunächst erfolgte die kieferorthopädische Multibandtherapie mit der Lückenöffnung in Regio der Milchzähne 53 und 63 für ein Jahr (Abb. 2). Aufgrund der Lage wurde die Option einer chirurgischen Freilegung mit kieferorthopädischer Einordnung ausgeschlossen.

Im Rahmen der chirurgischen Planung für die Transplantation wurde aufgrund der hohen Verlagerung beschlossen, die genaue Lagebeziehung der Eckzähne mit einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme (DVT) darzustellen, um eine Schädigung der Nachbarstrukturen zu vermeiden (Abb. 3). Anhand der DICOM-Daten (Digital Imaging and Comunications in Medicine) des DVTs konnten die Parameter der permanenten Eckzähne (Länge, Höhe und Breite) vermessen und die Lückenöffnung den Dimensionen angepasst werden.

Klinisches Vorgehen

Nach Aufklärung des Patienten und seiner Erziehungsberechtigten wurde der Eingriff aufgrund der Compliance des Patienten unter Intubationsnarkose mit Lokalanästhesie (UDS 1:200.000, Sanofi-Aventis Deutschland) durchgeführt.

Zunächst erfolgten die Freilegung und operative Entfernung der Eckzähne unter maximaler Schonung der Zähne und Nachbarstrukturen und möglichst ohne das Desmodont zu berühren (Abb. 4 bis 6).

Um eine Ankylose der transplantierten Zähne beim Einheilen zu verhindern, wurden die Zähne mit der antiresorptiv-regenerativen Therapie behandelt. Dazu wurden die Zähne eine Minute lang vollständig mit Natriumchloridlösung (0,9 Prozent) gespült und anschließend für 20 Minuten in das Nährmedium einer Zahnrettungsbox (DentoSafe, MEDICE Arzneimittel Pütter) gegeben7.

Im Anschluss wurden die Zähne für fünf Minuten in eine Tetracyclinlösung gelegt, die aus 20 Millilitern Natriumchlorid und einem Milligramm Tetracyclinpulver besteht. Dadurch wird die Osteoklastenaktivität herabgesetzt8. Nachfolgend wurden die Zähne in Dexamethasonlösung (40 Mikrogramm pro Milliliter) gelegt. Dadurch sollte eine Senkung des Drucks im Parodontalspalt ermöglicht und einer Entzündungsreaktion vorgebeugt werden. Zusätzlich werden hier ebenfalls die Osteoklasten gehemmt9. Aufgrund der Wurzelkurvatur und der Versorgung mit einem retrograden Titanstift (RetroPost, Gebr. Brasseler) wurden die Wurzelspitzen gekürzt und versorgt (Abb. 7).

In der Zwischenzeit wurden die Milcheckzähne extrahiert und die Alveolen den Maßen der Transplantate angepasst. Vor der Replantation in die präparierten Alveolen wurde Schmelzmatrixprotein (Emdogain, Straumann) auf die Wurzeloberflächen aufgetragen. Emdogain ist ein antiinfektiöses, regenerationsförderndes Gel, das Schmelzmatrixproteine aus embryonalen porcinen Zahnkeimen in einer Propylenglykolalginat-Trägersubstanz enthält. Die Wurzeloberfläche wird bei der Anwendung nicht konditioniert, bevor das Emdogain aufgetragen wird10. Aufgrund des Mangels an randomisierten und klinisch kontrollierten Studien gibt es nur sehr wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Anwendung von Emdogain bei replantierten oder transplantierten Zähnen11. Zunächst erfolgten die richtige Passung und Positionierung der Transplantate und die Schienung für 16 Wochen an den Nachbarzähnen mittels Titan-Trauma-Schiene (Titanium-Trauma-Splint, Medartis AG/Medartis Holding AG) (Abb. 8).

Die Titan-Trauma-Schiene erlaubt physiologische Bewegungen (anders als die rigide Schienung), was für die parodontale Heilung essenziell ist und eine ankylotische Einheilung verhindern soll12. Postoperativ wurde zur Kontrolle ein Röntgenbild angefertigt (Abb. 9). Temporäre Aufbisse wurden auf den Unterkieferprämolaren angebracht, um eine Führung über die Eckzähne zu verhindern (Abb. 10).

Nach erneuter Anbringung der Multi-Bracketapparatur im Oberkiefer und kieferorthopädischer Eingliederung der Eckzähne konnte der Patient nach der Retentionsphase und dem Anbringen eines lingualen Kleberetainers (von Zahn 13−23 und 33−43) ins Recallsystem (im ersten Jahr alle drei Monate und anschließend jährliche Kontrollen) entlassen werden. Drei Jahre nach Transplantation wurde der Patient zur Entfernung der Weisheitszähne überwiesen. Im Rahmen der Diagnostik lag hierfür die Indikation für ein DVT vor, in dem die knöcherne Einbettung und das Vorhandensein der bukkalen knöchernen Lamellen an den transplantierten Zähnen 13 und 23 dargestellt werden konnten (Abb. 11 und 12). Klinische Entzündungszeichen an den Zähnen 13 und 23 konnten trotz verbesserungswürdiger Mundhygiene nicht festgestellt werden (Abb. 13).

Diskussion

In einem systematischen Review mit Metaanalyse aus dem Jahr 2018 beschreiben Grisar et al. eine 87,5-prozentige Erfolgsrate bei einer Nachbeobachtungszeit von zwei bis fünf Jahren und 88  Prozent nach mehr als fünf Jahren bei der Autotransplantation von dystopischen Oberkiefereckzähnen13. Unterschieden werden muss in der Therapieform, ob das Wurzelwachstum bereits abgeschlossen oder der Apex noch offen ist. Bei Zähnen mit noch offenem Apex ist eine endodontische Therapie nicht notwendig, da eine Revaskularsierung des Pulpagewebes und damit das Fortschreiten der Wurzelentwicklung nach Transplantation möglich ist14. Die Prognose und die Überlebensrate bei autotransplantierten Zähnen mit offenem Apex sind mit denen von Implantatversorgungen vergleichbar15.

Die Erfolgsrate bei der Autotransplantation ist abhängig von der Möglichkeit einer atraumatischen Entfernung mit Erhalt eines vitalen parodontalen Ligaments − und hierbei ist die Erfahrung des Behandlers in der Planung und Durchführung des Eingriffs nicht zu unterschätzen.

Schlussfolgerung

Die Autotransplantation als Therapieform stellt vor allem in der Zeit, in der der Patient noch in der Wachstumsphase ist, eine gute Möglichkeit dar, die anatomischen Strukturen zu erhalten, vor Resorption zu schützen und/oder sie zu rekonstruieren sowie das Volumen zu erhalten. Eine Nekrose oder der Verlust des parodontalen Ligaments führen zu entzündlichen Wurzelresorptionen und Ankylosen.

Danksagung

Das Autorenteam bedankt sich bei Dr. Alexander Uhse für die kieferorthopädische Betreuung des Patienten in seiner Zeit als Oberarzt in der Poliklinik für Kieferorthopädie.

Ein Beitrag von PD Dr. Puria Parvini, Dr. Caroline Treitz, Prof. Dr. Frank Schwarz, Prof. Dr. Sader und PD Dr. Obreja, alle Frankfurt am Main

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Implantologie 01/2023 Implantologie Zahnmedizin Chirurgie

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