Eine Virtual-Reality-Brille (VR) soll Studenten der Zahnmedizin zukünftig beim Lernen, der Diagnostik und später auch in der Patientenbehandlung unterstützen. Das Team der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) will diesen innovativen Weg mitgehen und testet den VR-Prototypen erstmals in der studentischen Lehre. Die Vorteile der dreidimensionalen Einblicke in Zähne, Mund und Kiefer sind für die Studenten beinahe greifbar.
Wischen, Jumpen, Ziehen, Greifen, Drehen und Zoomen. Nimmt man einmal das „Ziehen“ aus, so verortet man die restlichen Begriffe nicht sofort in der studentischen Lehre – und ganz bestimmt nicht in der Zahnmedizin. Doch genau das, geht es nach den Entwicklern der virtuellen Realität, soll die Zukunft in der zahnmedizinischen Ausbildung und schlussendlich in der Patientenbehandlung sein. Der Einsatz einer Virtual-Reality-Brille soll es möglich machen und lässt die Studenten in eine virtuelle Welt eintauchen. „Der Einsatz der VR-Brille eröffnet uns und unseren Studenten eine völlig neue Dimension in der Lehre. Sie ermöglicht uns einen virtuellen Rundgang durch den Mund und dabei Kiefer und Gebiss noch plastischer zu sehen, als es im direkten Patientenumgang möglich ist. Zudem lassen sich sämtliche Zähne in der virtuellen Realität anfassen, bewegen und drehen“, erklärt PD Dr. Angelika Rauch, stellvertretende Direktorin der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des UKR, die Vorzüge der 3-D-Unterstützung. Um ein möglichst realistisches Szenario zu entwickeln, werden Patientenfälle in die virtuelle Realität transportiert, so dass eine echte Behandlungssituation entsteht, anhand der die Studenten lernen können. Zukünftig sollen solche Systeme dann aber nicht nur in der Lehre zum Einsatz kommen, sondern auch in der direkten Patientenversorgung.
Echte Patientenfälle virtuell nacherleben
Entwickelt wurde das Programm durch Professor Dr. Anja Liebermann und Dr. Kurt Erdelt an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Aktuell befindet es sich in der praktischen Testphase. Neben dem UKR durften schon die Uniklinika aus Mainz und Gießen ihre Expertise zur VR-Lehre in der Zahnmedizin abgeben. „Wir sind sehr froh, dass wir durch das Projekt einen Blick in die medizinische Zukunft werfen können und aktiv an der Weiterentwicklung und Verbesserung der Datenlage mitarbeiten dürfen“, fasst Prof. Dr. Sebastian Hahnel, Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik des UKR, das Projekt zusammen.
Den Studenten stehen in der Testphase des VR-Prototypen derzeit neun Patienten-Szenarien zur Anamnese, Fall-Beurteilung, Diagnose und Therapieempfehlung zur Verfügung. „Es ist schon sehr hilfreich, gerade für unsere Ausbildung, dass wir durch den Blick mit der VR-Brille noch exakter und näher auf die verschiedenen Patientenfälle blicken können. Zumal uns die virtuelle Realität erlaubt, die Röntgenbilder und Zahnstrukturen zu vergrößern oder zu drehen“, sind sich die teilnehmenden Studenten einig. Für die angehenden Zahnärzte im achten Semester gibt es jedoch noch einen großen Vorteil, weshalb der VR-Einsatz sinnvoll ist: Durch die Möglichkeit, einen Patientenfall aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten, können sie lernen einzuschätzen, ob ein Behandlungsschritt wirklich notwendig ist oder ob dieser dem Patienten im besten Fall erspart werden kann. „Unser Ziel ist es, in jedem einzelnen Fall die bestmögliche Therapieoption für unsere Patienten zu finden, um unnötige Eingriffe zu vermeiden. Mittels der VR-Unterstützung üben unsere Studenten genau das. Sie können zum Beispiel einen Befundbogen ausfüllen und ihn direkt mit dem Röntgenbild vergleichen“, so PD Dr. Rauch weiter. So können die Studenten einen gesamten Fall von der Anamnese bis zur Therapie durchspielen.
Spaß in der Lehre zum Wohle der Patienten
Doch nicht nur Studenten in den klinischen Semestern können vom Einsatz der VR-Brille profitieren, auch für Studienanfänger gibt es ein Programm. Zahn für Zahn können sich die angehenden Zahnmediziner dabei durch den menschlichen Mund bewegen. Auch hier gilt, anfassen ist zwingend erlaubt, denn bei Berührung des Zahns liefert das Computerprogramm exakte Hintergrundinformationen zu Lage, Beschaffenheit, Funktion und Aussehen des aufgerufenen Zahns.
Der Kurs mit der VR-Brille ist für die Studenten freiwillig, wird aber sehr gut angenommen. „Es ist schön zu sehen, dass unsere Studenten mit so viel Elan und Spaß dabei sind, aber es ist ja auch eine tolle Abwechslung zum Wälzen von Lehrbüchern“, freut sich Rauch. Auch wenn, so die Zahnärztin weiter, eine virtuelle Realität natürlich den persönlichen Umgang mit den Patienten nicht ersetzen könne. „Ein Mensch bleibt ein Mensch. Gerade deswegen müssen wir versuchen, uns stetig zu verbessern und unseren Patienten eine möglichst angenehme und schmerzfreie Behandlung zu ermöglichen.“