„Die Planung ist der Schlüssel“ – dieser Satz von Maja Chmielewska passte auch für alle anderen Fachvorträge der diesjährigen 3. Esthetic Days in Baden-Baden. Egal, ob digitalisierte Workflows für Implantologie oder Prothetik, Kieferorthopädie mit Alignern oder Weichgewebschirurgie – von der guten Diagnostik und Planung hängt der Erfolg der Behandlung ab. Dass das geplante Ergebnis immer zuverlässiger auch erreicht wird, liegt –wie ebenfalls vielfach belegt – an den immer besseren digitalen Tools.
Wer Patientinnen und Patienten erfolgreich funktional und ästhetisch rehabilitieren will, muss die Ursachen für den Befund analysieren, mit dem sie sich in der Praxis vorstellen. Nur wer die – zum Beispiel skelettalen – Ursachen in seinen Therapieplan einbezieht und behebt, wird eine auf Dauer erfolgreiche Rehabilitation erreichen können. Dr. Florin Cofar aus Temeswar (Rumänien) machte dies am Beispiel von zwei komplexen Patientenfällen deutlich. Er stellte die Planung und Zusammenarbeit mit Experten im Tool Smilecloud vor. Gerade bei komplexen Fällen sei es wichtig, eine Timeline of Design zu erstellen und die Patienten frühzeitig einzubeziehen.
Digital bleiben
„Wenn wir digital bleiben und den Weg nicht verlassen, funktioniert es.“ Das zeigten ZT Ramona Hench und Dr. Paul Schuh in ihrem Vortrag zum „Volldigitalen Patienten in der täglichen Praxis“. Die Daten des Patienten – von Face-Scan bis digitale Aufzeichnung der Kieferbewegungen – werden zu Beginn der Behandlung komplett digital erfasst. Vorteilhaft ist es, zuerst das Provisorium zu erstellen und danach Präparationsguides etc. zu erstellen. Eierschalenprovisorien haben sich in der Zusammenarbeit besonders bewährt. Auch Schuh und Hench nutzen Smilecloud. Aber nicht nur das Vertrauen in die Digitalisierung sei wichtig, betonten die Referenten, auch das Vertrauen ins Material sei nötig. „Wenn man einen guten Scan, aber einen schlechten 3D-Drucker hat, kann man auch gleich wieder Alginat-Abdrücke machen“, sagte Schuh.
Aligner werden bleiben – und eine Patientenwelle bringen
„Das Problem sind die Cowboys.“ Zahnärztin Dr. Rebecca Komischke und Kieferorthopädin Dr. Alissa Dreyer stellten das Potenzial der Aligner-Behandlungen für die allgemeinzahnärztliche Praxis vor. Die Aligner werden als Therapieoption bleiben und sich immer stärker etablieren, davon sind beide überzeugt. Sie befriedigen zum einen die Bedürfnisse und Wünsche der Patientinnen und Patienten, zum anderen eröffnen sie dem Zahnarzt/der Zahnärztin ein weiteres Therapiespektrum.
Es werde eine Welle von Patientinnen und Patienten mit dem Wunsch nach einer Zahnstellungskorrektur auf die Praxen zukommen – Kieferorthopäden und Zahnärzte könnten diese Nachfrage nur gemeinsam und mit Konzept und Ausbildung befriedigen. Dass es bei den Korrekturen um mehr als Ästhetik geht, zeigte Komischke an einigen Fällen – eine bessere Hygienefähigkeit ist nur einer der positiven Effekte. Allerdings müsse immer Platz für die Zahnbewegung geschaffen werden – in der Regel durch approximale Schmelzreduktion, gegebenenfalls auch durch Extraktionen. In ihrer Praxis seien 90 Prozent der Fälle Engstände.
Wer Aligner erfolgreich in sein Therapiespektrum integrieren wolle, brauche eine gute Fortbildung und Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen der Aligner-Therapie in der „normalen“ zahnärztlichen Praxis. Und hier liegt aus Sicht der Referentinnen das Problem mit den Cowboys, die diese Therapieoption ohne Rücksicht auf die Grenzen und ohne die erforderliche Sorgfalt um des schnellen Euros willen anwenden und so mit Fehlbehandlungen die Methode in Misskredit bringen.
Sofortimplantation gehört dazu
Wer die Sofortimplantation nicht in sein Therapiespektrum einbezieht, verschenkt viel Potenzial für seine Patientinnen und Patienten. Univ. Prof. Dr. Dr. Gabor Tepper machte in seinem wie immer mitreißenden Vortrag schnell deutlich, wo die Vorteile, aber auch die Grenzen der Sofortimplantation liegen und auf welche Knackpunkte zu achten ist, um ein gutes und vorhersagbares Ergebnis zu erreichen. Generell versuche er Überbehandlung zu vermeiden – neun von zehn Sinusliften könnten den Patienten seinen Aussagen zufolge erspart bleiben.
Rezessionen erfolgreich decken
„Ein wenig Pink mit großer Wirkung“ – Dr. Jochen Tunkel erläuterte im ersten Fachbeitrag am Samstag praxisnah die Möglichkeiten und vor allem die Grenzen der Weichgewebschirurgie und ging dabei auch auf die aktuell so gehypte Tunneltechnik ein. Das Ziel sei eine mittlere Wurzeldeckung von 90 Prozent und narbenfreies Gewebe. Tunkel stellte die beiden Klassifikationen nach Miller und neu nach Cairo gegenüber. Die Einordnung der Defekte in diese Klassen erlaube schnell eine Einschätzung, ob eine Rezessionsdeckung erfolgreich sein wird, so Tunkel. Die Miller-Klassen I und II (bei Cairo Klasse I) seien in der Regel erfolgreich zu decken, bei einer Miller-Klasse III (Cairo II) mit sichtbarer approximaler Schmelz-Zement-Grenze sei eine vollständige Deckung nicht vorhersagbar. Bei einer Miller-Klasse IV (Cairo III) sei eine Deckung nicht zu erreichen.
Bei den Techniken bevorzugt Tunkel den koronalen Verschiebelappen ohne Entlastungsinzisionen in der Breite, die Nähte befestigt er bevorzugt über kleine, mit Komposit im Vorfeld befestigte Drähte, soweit nicht ohnehin Retainer geklebt sind. Die Fäden dürfen erst frühestens nach 14 Tagen entfernt werden.
Die Tunneltechnik ist aus seiner Sicht nicht weniger aufwendig und invasiv als das Präparieren des Lappens, das Ergebnis nicht besser, seiner Beobachtung nach jedoch schmerzhafter und mit mehr Schwellungen beim Patienten verbunden. „Aber es kommt wie immer darauf an, wie gut Sie die Technik beherrschen“, so Tunkel. Die Kombination aus Emdogain und Bindegewebstransplantat verbessere in jedem Fall das Ergebnis. Die Studienergebnisse zu Ersatztransplantaten seien schwer vergleichbar und somit keine klaren Empfehlungen möglich, die Kombination mit Emdogain zeige aber auch hier im Vergleich bessere Ergebnisse.
Jeden Patienten bei jedem Besuch scannen
Nicht nur zahnmedizinische Themen, auch Neues aus der Industrie und Aspekte von Marketing und Mitarbeiterführung wurden bei den Esthetic Days vorgestellt und diskutiert. Rune Fisker, bei den dänischen Digital-Experten von 3Shape Angestellter der ersten Stunde, gab einen kleinen Einblick in die Geschichte des Unternehmens, stellte die Trends vor und präsentierte den neuen kabellosen Scanner Trios 5. Seiner Überzeugung nach werden in Zukunft alle Patienten bei jedem Zahnarztbesuch gescannt werden, für Dokumentation und Verlaufskontrolle. Bis auf Full-Arch-Scans für implantatgetragene Versorgungen seien alle Scan-Probleme gelöst, und auch dieses letzte Problem werde man in Kürze mit hoher Präzision lösen können, so Fisker.
Erfolgreiche Patientenbindung, engagierte Teams
Ein immer gern gesehener Referent der Esthetic Days ist Mark Robb. Der Coach begeisterte am Samstagmorgen mit seinen Hintergründen und Empfehlungen zur Patientenbindung und zum erfolgreich aufgestellten Team. Seine Beobachtung: Viele Teams fokussieren sich in ihrer Arbeit nicht auf die Patienten, sondern auf die Wünsche und Vorlieben des Chefs. Aber gerade das „Frontline-Team“ müsse sich an den Patienten orientieren. Wer Patienten halten wolle, müsse eine entsprechende Kultur in seiner Praxis etablieren. „The Leader is the Weathermaker“, so Robb.
Das Team war auch Thema von Stefan Kermas, der am Samstagnachmittag weitere Impulse und Ideen für die Praxis vermittelte. Der Jurist und ehemalige Coach der Olympiasieger im Herrenhockey gab den Teilnehmern Denkanstöße für ihre Aufgaben als Führungskräfte. Etwa die Frage, wie viel man an und in der Praxis arbeite. Denn die Führungskraft sei nun einmal diejenige, die die Rahmenbedingungen vorgebe, damit die Mitarbeiter entsprechend ihren Fähigkeiten performen können. Dazu sei es nötig, nicht nur Menschenkenntnisse, sondern auch emotionale Qualitäten zu haben. Sollten diese bei den Praxisinhabern nicht vorhanden sein, sondern diese sich rein im dentalen Fachwissen wohlfühlen, empfiehlt Kermas, diese Kompetenzen an einen Praxismanager oder eine Praxismanagerin zu delegieren. Wie ein ästhetisches Praxismarketing aufgestellt sein kann, war Thema von Carsten Schlüter.
Durch das Programm führten souverän und sympathisch Zahnärztin und Moderatorin Kristina Sterz und Dr. Kay Vietor. Vertieft werden konnten die Themen der Vorträge in den sechs Workshops, die in zwei Runden angeboten wurden.
Forum Markt & Strategie zum Thema Fachkräftemangel
Dem Hauptprogramm vorgeschaltet war das Forum Markt & Strategie der Straumann GmbH, in dessen Fokus diesmal das Thema Fachkräfte stand. Einen wichtigen Impuls gaben alle Referenten: Ohne eine gute Unternehmenskultur wird die beste Strategie nicht funktionieren, werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht bleiben und neue nicht kommen. Denn in einer neuen, immer digitaleren Arbeitswelt 4.0 zählt nicht nur beim Zahnarzt am Ende das Vertrauen, so Dr. Ingo Kock. Er zeigte, wie Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Praxis organisatorisch so aufstellen können, dass sie und das Team die neuen Herausforderungen meistern können.
„Leistung braucht Haltung“, Werte sind die gemeinsame Grundlage und das wertschätzende Kommunizieren sollte Standard sein, so Frank Caspers zum Thema Zusammenarbeit der Generationen im Team. Und Teamaufbau fängt mit Zuhören an, wie Zahnarzt und Start-up-Experte Dr. Paul Hadrossek in seinem Vortrag verdeutlichte.
Wie die Straumann GmbH dieses Thema angeht, stellten Geschäftsführer Andreas Utz und Isabel Wojciechowski, Head of Human Ressources, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor. Das Unternehmen hat in den vergangenen 20 Jahren einen Transformationsprozess angestoßen, der weiter anhält – mit flacheren Hierarchien, neuen Arbeitsmodellen, kontinuierlicher Fortbildung, vielen Feedbackelementen und Potenzialentwicklung.
Natürlich gehörten auch diesmal ein begeisternder Abend im Kurhaus Baden-Baden sowie ein Get together zu den Esthetic Days – mit viel Gelegenheit zum kollegialen Austausch und eine kleine Auszeit von der Praxis. Veranstalter Carsten Schlüter hatte mit seinem Team der M:Company wieder für einen perfekten Rahmen der Veranstaltung gesorgt – und so waren an den zwei Tagen überall nur zufriedene Gesichter zu sehen.
Dr. Marion Marschall, Sven Skupin, Berlin