Unverhofft kommt oft: Als Prof. Dr. Carolina Ganß ihren Ruf an die Philipps-Universität Marburg annahm und damit erste deutsche Professorin für Kariologie des Alterns wurde (seit 1. Oktober 2022), war ihr bewusst, dass dies die erste deutsche Professur mit dieser Denomination ist. „Viele der aktiven Seniorenzahnmedizinerinnen und -zahnmediziner sind ja eher in der Prothetik angesiedelt, dass mit dieser Professur und der neuen Sektion Kariologie in der Poliklinik für Zahnerhaltung (Direktor: Prof. Dr. Roland Frankenberger) die Prävention in den Vordergrund tritt, ist tatsächlich etwas Besonderes“, glaubt Ganß.
Nicht räumlich, sondern thematisch großer Schritt
Insofern ist räumlich der Wechsel von Gießen, wo Ganß bislang als Oberärztin am Universitätsklinikum wirkte, nach Marburg kein großer Schritt. Aber eben in der Sache. „Ich habe in Marburg studiert und damals standen besonders schöne Füllungen ganz hoch im Kurs. Ich habe schon damals eher auf die Prävention gesetzt und die Erfolge beim Kariesrückgang bei Kindern und jungen Erwachsenen heute zeigen mir, dass ich auf dem richtigen Pferd gesessen habe.“
Wurzelkaries, Bisphosphonate
Prävention ist das Stichwort auch für ihre künftige Tätigkeit, sie möchte sich dabei besonders um die „jungen Älteren“ kümmern, also jene Gruppe, bei welcher die mit dem Alter einsetzenden Veränderungen gerade beginnen. Die zentrale Fragestellung dabei lautet: „Wie lässt sich durch individuelles Mundhygienetraining und neue Verfahren, die es noch zu entwickeln gilt, die Mundhygiene so verbessern, dass sie sich möglichst lang auf einem guten Niveau bewegt“, fasst Prof. Ganß zusammen. Besonders im Blickpunkt steht bei den Älteren die Wurzelkaries. „Ich möchte mich in diesem Bereich um Patienten kümmern, die etwa nach Hals-Kopf-Bestrahlungen oder einer Bisphosphonat-Therapie besonderen Behandlungsbedarf haben.“
Gutes Niveau der Mundhygiene möglichst lange erhalten
Häufig ändere sich bei den älteren Patienten etwas, es kämen Medikamente hinzu, die Lebensgewohnheiten wandelten sich – und hier müsse dann auch zeitgleich angesetzt werden. Bei Kindern etwa setze man verstärkt auf die richtige Fluoridierung, der seien aber natürliche Grenzen gesetzt. Um diesen besonderen Präventionsbedarf herum möchte sie ein Programm entwickeln, dass sich dann auch im wissenschaftlichen Kontext bewähren soll. Dies in die Lehre einzubinden, sei auch ein Gebot der AOZ neu, die eine Stärkung der Prävention vorsehe. „Ich möchte versuchen die Leute da zu erreichen, wo sie durch Aufklärung noch in der Lage wären, für sich selber die Mundgesundheit aufrecht zu erhalten, also weit vor der Pflegebedürftigkeit.“
Persönlich sieht Ganß im Altern auch einen entscheidenden Vorteil: „Er liegt darin, dass man Entwicklungen sehen kann. Und wenn ich sehe, welche Erfolge in der jüngeren Vergangenheit über die Prävention erzielt wurden, fühle ich mich in meiner Einstellung bestätigt.“