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Vorteile und Limitationen in der Alterszahnmedizin


Priv.-Doz. Dr. med. dent. Torsten Mundt, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Alterszahnheilkunde und medizinische Werkstoffkunde, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Universitätsmedizin Greifswald

Einteilige Miniimplantate mit einem Durchmesser von  ≤ 2,8 mm werden seit Mitte der 1990er Jahre zur Abstützung von festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz eingesetzt, um bei schmalem Knochen eine minimalinvasive und preiswerte Alternative gegenüber konventionellen Implantaten und Augmentationen zu haben. Der Beitrag beschreibt die Grundsätze der Anwendung von Miniimplantaten zur Stabilisierung von Total- sowie Teilprothesen und gibt einen Überblick über die bisher verfügbare Literatur. Im Unterkiefer sollten wenigstens vier und im Oberkiefer sechs Pfeiler für die Prothesen­abstützung herangezogen werden. Nach 2010 sind eine Reihe von hochwertigen Studien veröffentlicht worden, welche aber häufig nur eine Beobachtungszeit von weniger als 5 Jahren aufweisen. Die prospektiv ermittelten Implantat­überlebensraten nach Sofortbelastung der Miniimplantate betrugen im Unterkiefer 92 bis 100 %, im zahnlosen Oberkiefer jedoch 85 % und weniger. Dies hängt wahrscheinlich mit dem Belastungsprotokoll zusammen, denn bei unzureichender primärer Stabilität sollte noch keine Belastung durch die Matrizen, sondern bis zu ihrer Osseointegration eine weichbleibende Unterfütterung der Prothese erfolgen. Obwohl für die strategische Pfeilervermehrung mit Miniimplantaten noch keine aussagekräftigen Studien existieren, könnte dies bei ungünstiger Verteilung der Restzähne im Lückengebiss oder bei Zahnverlust eine interessante Option sein, die abschließend vorgestellt wird.

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Indikationen und Verarbeitung

Miniimplantate haben einen Durchmesser von ≤ 2,8 mm und sind aufgrund dieser Dimension bis auf wenige Ausnahmen19 einteilig, so dass eine belastungsfreie Einheilung selten möglich ist. Sie wurden zunächst als provisorische Implantate zur Abstützung von Interims­ersatz unmittelbar nach umfangreichen Implantationen bzw. Augmentationen oder als Widerlager für kieferortho­pädische Bewegungen verwendet2. Nach bzw. wäh­rend der definitiven Versorgung der konventionellen Implan­tate oder nach Abschluss der kieferorthopädischen Therapie werden diese temporären Miniimplantate wieder entfernt. Praktisch tätige Zahnärzte vor allem in den USA verwendeten Miniimplantate seit Anfang der 1990er Jahre erfolgreich zur definitiven Abstützung bzw. Fixierung von festsitzendem und herausnehm­barem Zahnersatz bei sehr schmalen Kieferkämmen oder in engen Schaltlücken10. Daraufhin wurde der Implantattyp 1997 von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für diese Indikation freigegeben2. Seit Ende der 1990er Jahre werden Miniimplantate auch in Deutschland von niedergelassenen Zahnärzten vor allen Dingen zur Stabilisierung von herausnehmbaren Teil- und Totalprothesen benutzt. In den USA kommen sie in großer Zahl auch zur Abstützung von festsitzendem Zahnersatz zum Einsatz29.

Der Autor dieses Beitrages verwendet hauptsächlich Mini Dental Implants (MDI, 3M ESPE, Seefeld), die seit dem letzten Jahr von der Firma condent GmbH, Hannover vertrieben werden. Da 3M ESPE ihr Produktportfolio zukünftig auf andere Schwerpunkte konzentriert, erfolgt aktuell auch die Übertragung der MDI-Produktion auf die condent GmbH. Die MDI werden in verschiedenen Dimensionen sowie mit und ohne Kragen angeboten, damit sie in Abhängigkeit von der jeweiligen Knochenqualität bzw. -quantität und der Mukosadicke eingesetzt werden können (Abb. 1). Nach Vorgaben des Herstellers und entsprechend der Literatur werden für die Fixierung von totalen Prothesen im Oberkiefer sechs und im Unterkiefer vier Implantate empfohlen8-10,13,18,22,26,29. Beispielhaft soll die Versorgung bei einer zahnlosen Patientin dargestellt werden, die mit dem Halt ihrer totalen Unterkieferprothese unzufrieden war. Eine Panoramaschichtaufnahme mit Referenzmarkern ermöglicht die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von ca. 5 mm zu den Foramina mentalia. Als Referenzobjekt kann neben Titanhülsen in einem Duplikat der Prothese auch Klammerdraht (> 8 mm Länge) dienen, der in einem Bohrschacht an den Positionen in die vorhandene Prothese eingelegt und mit Wachs gesichert wird (Abb. 2).

Unter Lokalanästhesie werden kleine Mukosalappen („mini-flaps“) an den markierten Insertionsstellen gebildet. Eine transmukosale („flapless“) Insertion, wie sie häufig empfohlen und auch in Studien gezeigt wird, birgt bei schmalem Alveolarkamm die Gefahr in sich, dass nicht alle Schraubenwindungen krestal von Knochen umgeben sind. Manchmal ist deshalb eine kleine Planierung des Kieferkammes notwendig, die nur unter Sicht realisiert werden kann. Das Implantatlager wird ähnlich einer Holzschraube je nach Knochenqualität nicht vollständig mit einem 1,1-mm-Pilotbohrer und bei sehr hartem Knochen mit einem 1,3-mm-Vorbohrer aufbereitet. Danach erfolgt die Insertion der selbstschneidenden Schraube zunächst mittels Handrädern und abschließend mit einer Drehmomentratsche (Abb. 3 und 4). Erreichen alle Implantate ein finales Eindrehmoment von 35 Ncm, können sie sofort mit den Matrizen, den sogenannten Housings (vgl. Abb. 1), belastet werden. Der Housing-Unterschnitt enthält einen austauschbaren O-Ring aus Nitrilkautschuk, der über den Kugeläquator gleitet und dann der Vierkantbasis aufliegt. Zirkulär um die Kugel verbleibt in der Endlage ein Spielraum von ca. 0,5 mm, so dass die Prothesenbasis dem Tegument satt aufliegt und ebenfalls Kräfte aufnimmt. Dadurch ist die Gefahr, dass sich die (nicht austauschbare) Kugel wie bei anderen Kugel­kopfattachments abnutzt, sehr gering.

Erreicht ein MDI nicht das für die Sofortbelastung erforderliche Eindrehmoment von 35 Ncm, wird die Prothese nach dem Ausfräsen der Basis über den Kugel­köpfen erst einmal mit einem weichbleibenden Material (z. B. Secure Soft Relining Kit, Fa. 3M Espe) in diesem Bereich unterfüttert. Die Ein­arbeitung der Housings erfolgt wie im gezeigten Fall ca. 3 Monate später. Für die direkte Polymerisation werden die Housings zunächst auf die Kugeln aufgesteckt (Abb. 5). Es schließt sich ein weiteres Ausfräsen der Prothese an (Kontrolle: Fitchecker, Fa. GC Germany, Bad Homburg). Der Hohlraum in der Prothese wird für eine bessere Retention mit Korund der Körnung 50 µm bei 2,5 bar abgestrahlt und gesäubert (Abb. 6). Nach dem Auftragen des dazugehörigen Adhäsivs erfolgt die Applikation eines selbsthärtenden Acrylatkunststoffes für die Chairside-Anwendung (z. B. Secure Hard Pick-up Kit, Fa. 3M Espe, oder Quick up, Fa. Voco, Cuxhaven) in die Hohlräume der Prothese. Im Anschluss an die Prothesen­inkorporation auf die getrockneten Housings verharrt der Patient in Schlussbissposition je nach Angaben des Herstellers für 5 bis 7 Minuten. Nach Entnahme der Prothese werden die Überstände entfernt und bei Bedarf kleine Bläschen mit einem fließfähigen Komposit verschlossen. Außerdem erfolgen eine Glättung der Basis und eine Politur der Ränder (Abb. 7). Es besteht auch die Möglichkeit, die Housings über eine Ab­formung der MDI mit einem Präzisionsabformmaterial (z. B. Impregum, Fa. 3M Espe) auf einem Modell mit entsprechenden Kugelkopfanalogen in die Prothese einzupolymerisieren (Abb. 8).

Vorteile und Limitationen

Als Vorteile der Anwendung von Miniimplantaten werden neben der Insertion in schmalen Alveolarkämmen ohne Augmentationen die niedrigen Kosten, ein vereinfachtes therapeutisches Vorgehen mit einer flachen Lern­kurve sowie die Optionen der transmukosalen Insertion ohne Lappenbildung mit geringen postoperativen Nach­beschwerden und der Sofortversorgung in einer Sitzung genannt2,8,10. Die niedrigeren Kosten im Vergleich zur Versorgung mit Standardimplantaten lassen sich durch ihre Einteiligkeit (Schraube und Pfosten in einem Stück gefertigt) und den geringeren Aufwand bei Diagnostik und Therapie (ohne Augmentation, Freilegung, Auswechseln von Sekundärteilen, niedrige/keine Fremd­laborkosten) erklären. Viele ältere Patienten lehnen Versorgungen mit Standardimplantaten nicht nur wegen der Kosten, sondern auch aus Angst vor dem Eingriff, seinen möglichen Nebenwirkungen in der Einheilphase (Schwellungen, Schmerzen und Behinderungen bei der Nahrungsaufnahme) sowie der langen Behandlungsdauer ab. Hinzu kommen oftmals Erkrankungen und Medikamente, die das Risiko bei einer größeren Operation wie z. B. einer Knochenaugmentation erhöhen23. Miniimplantate könnten deshalb mehr Patienten dazu bewegen, implantatgestützten Zahnersatz für sich in Erwägung zu ziehen.

Die transmukosale Insertion in schmale Kieferkämme ist nach Meinung des Autors kritisch, da die allseitige krestale Bedeckung der Schraubenwindungen nicht gewährleistet werden kann. Erfahrungsgemäß sind die postoperativen Schmerzen und Schwellungen nach Bildung von kleinen Mukosalappen zur Darstellung des Eintrittspunktes äußerst gering. Das hängt neben der minimalen Traumatisierung sicherlich auch mit der kurzen Operationszeit zusammen. Von einer flachen Lernkurve bzw. einem einfachen Eingriff darf bei Miniimplantaten nicht gesprochen werden. Der Operateur sollte im Umgang mit dem Knochen geübt sein, denn dieser hält manchmal hinsichtlich seiner Qualität Überraschungen bereit, auf die beim Aufbereiten und Eindrehen reagiert werden muss. Bei einer Patientin wurden zunächst drei Miniimplantate (Durchmesser 2,4 mm) in einem 4 bis 5 mm breiten Alveolarkamm des linken Oberkiefers inseriert (Abb. 9). Rechtsseitig musste wegen wiederholter Frakturen der vestibulären Kortikalis auf die Insertion des sechsten Implantates verzichtet werden (Abb. 10). Zunächst wurde die vorhandene Interimsprothese weichbleibend unterfüttert, und die Neuanfertigung mit reduzierter Gaumenbedeckung erfolgte erst 4 Monate später (Abb. 11). Die Insertion sollte mit einem gewissen Druck nach apikal erfolgen, denn sonst kann das Implantat seine primäre Stabilität verlieren und überdrehen. Eine bikortikale Verankerung z. B. im Kieferhöhlen- oder Nasenboden (Abb. 12) ist bei kurzen Miniimplantaten und bei weichem Knochen für eine ausreichende Festigkeit wünschenswert. Da keine vollständige Aufbereitung des Implantatlagers erfolgt und somit die Endlage des Mini­implantates nicht kontrolliert werden kann, sollte der Implantologe die anatomischen Gegebenheiten (und Fallstricke) im Vorfeld einschätzen können, um Perforationen zu vermeiden.

Miniimplantate können nicht belastungsfrei ein­heilen, so dass ihre Anwendung bei sehr weichem Knochen oder in Verbindung mit augmentativen Maßnahmen kontraindiziert ist. Sofort- oder verzögerte Sofortimplantationen kommen nicht in Frage. Da der Knochen aufgrund der Implantatmindestlänge eine ausreichende Höhe von über 10 mm aufweisen muss, ist eine Insertion in die Molarenregion bei zahnlosen Patienten selten möglich. Frakturen der dünnsten Implantate (1,8 mm) während der Insertion oder Spätfrakturen sind zwar seltene Ereignisse (< 1 %), werden jedoch verschiedentlich erwähnt1,23,26,28,29. Durch lang­jährige Abnutzung des Retentionskopfes könnte das einteilige Implantat möglicherweise unbrauchbar werden. Aufgrund der besonderen Verankerung der Matrize über den O-Ring im Gegensatz zu den Kugelkopfverankerungen der meisten zweiteiligen Implantatsysteme ist die Gefahr einer Abnutzung oder Deformation jedoch relativ gering und wurde in der Literatur auch noch nicht beschrieben. Neben diesen Limitationen von Miniimplantaten wurde wiederholt auf die geringe Anzahl klinischer Studien mit ausreichender Beobachtungsdauer hingewiesen2,16.

Literaturübersicht


Tab. 1 Überlebensraten in Studien zu sofort belasteten Miniimplantaten im zahnlosen Unterkiefer. L = Länge

Seit 2010 wurde eine Reihe von prospektiven Untersuchungen veröffentlicht, von denen jedoch nur sehr wenige eine Beobachtungszeit von mindestens 5 Jahren aufweisen. Am häufigsten sind Berichte über die Versorgung des zahnlosen Unterkiefers3,4,6,8,15,17,18,23,24,26,28. Wenn mindestens vier Miniimplantate zur Stabilisierung von Totalprothesen im Unterkiefer inseriert und sofort belastet wurden, lagen die 1- bis 5-Jahres-Überlebensraten der Implantate zwischen 89 und 100 % (Tab. 1). Die meisten Misserfolge traten wegen fehlender oder verloren gegangener Osseointegration im ersten Jahr nach der Insertion auf, wohingegen es danach nur noch vereinzelt Verluste gab8,15,17,18,23,28. Die Sofortbelastung von nur zwei Miniimplantaten zur Stabilisierung von Totalprothesen im Unterkiefer über Einzelattachments scheint außer in einer Fallserie mit sieben Patienten4 zu einer höheren Verlustrate zu führen6,15. Das Verblocken von zwei Miniimplantaten mit einem Steg könnte, wie in einer Studie gezeigt wurde15, zwar die Verluste reduzieren, ist jedoch bei Sofortbelastungen unter Einsatz der vorhandenen Prothese klinisch sehr aufwendig.

In einer kürzlich veröffentlichten prospektiven randomisierten Studie6 wurden entweder zwei oder vier 10 mm lange Miniimplantate zur Sofortbelastung verwendet und mit der Spätversorgung des zahnlosen Unterkiefers mittels zweier Implantate mit Standarddurchmesser verglichen. Die 1-Jahres-Verlustrate war nicht nur mit zwei (18 %), sondern auch mit vier Miniimplantaten (11 %) im Vergleich zur Spätversorgung mit zwei Standard­implantaten (1 %) sehr hoch. Diese hohen Verlustraten könnten mit der relativ geringen Länge zusammenhängen, denn in anderen Untersuchungen kamen überwiegend Miniimplantate zum Einsatz, die mindestens 12 mm lang waren4,8,17,18,23,24,26,28. Gestützt wird diese Vermutung durch eine Studie des Autors20, in welcher ein Trend zu mehr Verlusten von 10 mm langen Miniimplantaten (9,3 %) im Vergleich zu längeren Implantaten (< 5 %) ermittelt wurde. Kurze Miniimplantate sollten wie anfangs beschrieben mit der Implantatspitze in der Gegenkortikalis verankert werden. Die großen Unterschiede in den Überlebensraten der Miniimplantate in einer multizentrischen Auswertung3 sind auf ein abweichendes Insertionsprotokoll in dem Zentrum mit den meisten Verlusten zurückzuführen, in welchem mit dem Vorbohrer immer bis zur vollen Implantatlänge aufbereitet wurde. Die verfügbaren mittleren röntgenologischen Knochenabbauraten an Miniimplantaten betrugen zwischen 0,4 und 1,2 mm im ersten Jahr nach der Insertion sowie weniger als 0,3 mm in den Folgejahren und liegen somit in einem Bereich, der bei Standardimplantaten akzeptiert wird8,14,18,27.

Die Ergebnisse von Studien zu Miniimplantaten, die Totalprothesen im Oberkiefer stabilisierten, sind teilweise ernüchternd. Hierbei spielt sicherlich die schlechtere Knochenqualität im Vergleich zum zahnlosen Unterkiefer eine Rolle. In einer umfangreichen retrospektiven Auswertung von mehr als 1.000 sofort belasteten Implantaten im zahnlosen Oberkiefer ohne Angabe der Zahl pro Kiefer betrug die Überlebensrate nach durchschnittlich 3,5 Jahren 85 %29. In einer randomisierten Studie wurden je sechs Miniimplantate miteinander verglichen, die durch Totalprothesen entweder mit Gaumenbedeckung (n = zehn) oder ohne Gaumenbedeckung (n = neun) sofort belastet wurden9. Die Implantatverlust- und mittleren vertikalen Knochen­abbauraten betrugen nach 2 Jahren inakzeptable 21,6 % bzw. 5,4 mm in der Gruppe mit vollständiger Gaumenbedeckung und sogar 46,2 % bzw. 6,29 mm in der anderen Gruppe. In einer weiteren Beobachtungsstudie wurden bei sechs Oberkiefern je fünf Miniimplantate und bei einem Oberkiefer sechs Miniimplantate durch Totalprothesen sofort belastet. Von den 36 Implantaten gingen innerhalb von 3 Jahren alle fünf Implantate bei einer Patientin mit sehr schlechter Knochenqualität und drei Implantate bei einer anderen Patientin wegen okklusaler Vorkontakte und Bruxismus verloren.

In eigenen Untersuchungen an 738 Implantaten in neun Praxen wurden keine signifikanten Unterschiede bei den Implantatverlusten (5,7 % im Oberkiefer, 4,3 % im Unterkiefer) und den jährlichen mittleren Knochen­abbauraten (0,8 mm im Oberkiefer, 0,5 mm im Unterkiefer) gefunden22,23. Die Ursache für die niedrigeren Implantatverlust- und Knochenabbauraten im Oberkiefer im Vergleich zu den o. g. Studien könnte das Belastungsprotokoll sein. Mehr als die Hälfte der Ober­kieferprothesen wurde wegen schlechter Knochenquali­tät nach dem Ausfräsen über den Kugelköpfen zunächst weichbleibend unterfüttert, und das Einarbeiten der Housings erfolgte 3 bis 4 Monate später. Im Kontext der Misserfolge ist zu berücksichtigen, dass der Verlust eines Miniimplantates erfahrungsgemäß sehr selten mit einem großen Knochendefekt einhergeht, wie er oft bei Standardimplantaten beobachtet wird. Deswegen ist eine Reimplantation nach einer kurzen Wartezeit (3 Mo­nate) oder eine Nachimplantation anderenorts ohne großen Aufwand möglich23.

In einer Reihe von Studien wurden der prothetische Nachsorgeaufwand und subjektive Parameter zur Pa­tientenzufriedenheit ermittelt. Zu reparierende Basisfrakturen waren mit 20 bis 25 % der Prothesen innerhalb von 3 bis 7 Jahren die mit Abstand häufigste Komplikation, weil ein stabilisierendes Metallgerüst besonders im Bereich der Matrizen in der Regel fehlte7,23,24,28. In einigen Fällen wurde deshalb nachträglich ein Metallgerüst eingearbeitet23. Keine der Prothesen musste erneuert werden. Einfache Nachsorgemaßnahmen umfassten entweder Unterfütterungen oder das unkomplizierte und preiswerte Auswechseln der retentiven O-Ringe. Die Matrizengehäuse lockerten sich gelegentlich, mussten jedoch niemals gewechselt werden.

Verglichen mit der ursprünglichen Versorgung einer Totalprothese ließ sich durch die Stabilisierung mit Miniimplantaten eine spürbare Verbesserung der Pa­tientenzufriedenheit hinsichtlich Kaukomfort, Sprachfunktion sowie Prothesenhalt und -stabilität sowohl im Oberkiefer9,23,24 als auch im Unterkiefer4,7,23,24,26 erzielen. Der Verlust eines Miniimplantates in den aufgeführten Studien hatte keinen Einfluss auf die Pa­tientenzufriedenheit, da die verbliebenen Implantate wahrscheinlich ausreichten, die Funktion der Prothese zu gewährleisten.

Stabilisierung von Teilprothesen mit Miniimplantaten

Die strategische Pfeilervermehrung dient der Verbesserung der Abstützung und Retention von abnehmbaren Teilprothesen, wenn die Verteilung, die Anzahl oder der Zustand der verbliebenen Zähne ungünstig ist11,25,30. Ähnlich wie bei den implantatgestützten Deckprothesen sind die Kosten strategischer Standardimplantate für viele Patienten ebenfalls unerschwinglich, besonders wenn neue Prothesen mit Doppelkronenverankerungen auf Zähnen und Implantaten angefertigt werden. Manch­mal sind augmentative Maßnahmen erforderlich, so dass diese Therapieoption auch wegen der Risiken und der Zeitdauer abgelehnt wird. Eine Möglichkeit der Reduktion des Aufwandes ist die Einarbeitung des Standardimplantates bzw. seines Halteelementes in die vorhandene Prothese mittels Kugelanker30. Dies hat Anwender auf die Idee gebracht, hierfür ebenfalls Mini­implantate einzusetzen. Bisher existieren jedoch noch keine klinischen Studien über den Erfolg und den Effekt dieser Therapieoption, sondern ausschließlich Fallberichte bzw. -serien21,28,29.

Mit Miniimplantaten wird zwar selten eine quadran­guläre Abstützung erzielt, aber schon die zusätzliche Abstützung bzw. der Halt im Bereich eines fehlenden Eckzahnes kann Hebel- und Kippmomente von Pro­thesen bei ungleichmäßiger Verteilung der natürlichen Zähne weitestgehend beseitigen. Dies war etwa bei der in den Abbildungen 13 bis 16 gezeigten 73-jährigen Patientin der Fall, die ihren zweiten teleskopierend versorgten Pfeilerzahn verloren hatte. Die Insertion eines konventionellen Im­plantates wäre nur mit augmentativen Maßnahmen zu realisieren gewesen. In den Regionen 33 und 34 des Alveolarkamms mit einer Breite von 4 bis 5 mm wurden zwei 13 mm lange MDI mit einem Durchmesser von 2,1 mm inseriert. Das finale Eindrehmoment betrug 20 Ncm. Deshalb erfolgte in diesem Bereich zunächst eine weichbleibende Unterfütterung der Prothese. Für die direkte Einpolymerisation der Housings nach 3 Mo­na­ten wurde die Basis über den aufgesteckten Housings weiter ausgefräst (Abb. 15). Die Ausarbeitung und Politur der Prothese nach der Entnahme aus der Mundhöhle kann wie viele kleine Laborarbeiten von einer geschulten zahnärztlichen Assistenz durchgeführt werden (Abb. 16).

Schlussfolgerungen

Aufgrund der Indikationseinschränkungen können und sollen Miniimplantate Standardimplantate nicht ersetzen, sondern sind eher als minimalinvasive und preiswerte Alternative bei schmalen Alveolarfortsätzen zu sehen. Der prothetische Aufwand inklusive der Nach­sorge ist relativ gering. Miniimplantate könnten dadurch mehr Patienten motivieren, Implantattherapien für sich in Erwägung zu ziehen. Die teilweise inakzeptablen Ergebnisse von Miniimplantaten im zahnlosen Oberkiefer resultieren wahrscheinlich aus ihrer Sofortbelastung trotz schlechter Knochenqualität. Die erfolgreiche Anwendung von Miniimplantaten erfordert deshalb die strikte Einhaltung der in dem Beitrag vorgestellten Be­handlungsprotokolle, ausreichend chirurgische Erfahrung und prothetische Routine. Prospektive Langzeitstudien sind besonders für den zahnlosen Oberkiefer und für die strategische Pfeilervermehrung notwendig, um den nachhaltigen Erfolg dieser Therapieform zu überprüfen.

Ein Beitrag von PD Dr. med. dent. Torsten Mundt

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Quelle: Zeitschrift für Senioren-Zahnmedizin, Ausgabe 3/16 Alterszahnmedizin

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