Dass die Zahngesundheit auch mit der allgemeinen Gesundheit in engem Zusammenhang steht, zeigten Prof. Jocelyne Feine, Prof. Inger Wardh und Prof. Frauke Müller bei der Session „Implant rehabilitation in older patients“ des EAO-Kongresses in Lissabon am Donnerstagnachmittag auf.
Die Gesellschaft vor allem in den Industrieländern wird immer älter: In Deutschland, Spanien und Portugal liegt der Altersmedian bei mehr als 50 Jahren. Zwar haben immer mehr ältere Patienten auch mehr eigene Zähne, doch deren Versorgung wird mit den Jahren zusehends schwieriger.
Zahnlose Menschen schließlich haben eine reduzierte Allgemeingesundheit und sterben früher. Prof. Feine von der McGill University in Kanada wies auf einen alarmierenden Zusammenhang zwischen Zahnstatus und Demenzerkrankungen hin, der von den Referentinnen bestätigt wurde: „Mit jedem Zahn, der gezogen wird, mit jeder Pulpa, die verloren geht, erhöht sich das Risiko für Demenzerkrankungen.“ Gründe dafür sind nicht nur die mit der schlechteren Kauleistung einhergehende Mangelernährung, auch die Mastikation an sich scheint mit kognitiven Leistungen zu korrelieren.
„Less is more“
Schleimhautgetragene Totalprothesen sind mit vielen Beschwerden verbunden (schlechter Sitz, Schleimhautreizungen, Schwierigkeiten beim Kauen und Sprechen), Folgen sind neben gesundheitlichen Einschränkungen auch der soziale Rückzug. Vor implantologischen Maßnahmen schrecken viele ältere Menschen zurück: Da sie schon diverse Beschwerden haben, fürchten sie weitere Schmerzen und Einschränkungen. Dabei könnten minimal-invasive Maßnahmen mit ein bis zwei Implantaten oder Mini-Implantaten die Lebensqualität enorm verbessern. Je gebrechlicher der Patient sei, umso simpler sollte die Behandlung sein: „Less is more“, gab die Referentin dem Auditorium mit auf den Weg.
Die eigenen Zähne als Risikofaktoren
Prof. Inger Wårdh ging auf die altersbedingten oralen Probleme älterer Patienten ein. Sie formulierte zunächst ein Parodoxon: Eigene Zähne erhöhen das Risiko für Munderkrankungen bei gebrechlichen Personen mit eingeschränkten Fähigkeiten zur täglichen Mundpflege. Probleme sind vor allem der wechselnde Zahnstatus, unbehandelte Karies und Parodontitis, Attachementverlust, mangelnde Hygiene, Zahnfleischläsionen bis hin zu Krebserkrankungen, Candidose, Folgeerkrankungen durch schlecht sitzende Prothesen, Xerostomie, Schluckbeschwerden und Veränderungen der Mundflora sowie funktionelle Beschwerden. Gerade unterschwellige Entzündungen beschleunigen Altersprozesse wie Arteriosklerose, Alzheimer, Diabetes Typ II und Herzerkrankungen
Mundtrockenheit ist oft eine Nebenwirkung von Medikamenten, meist von Präparaten gegen Inkontinenz, gefolgt von Antidepressiva und Psycholeptika. Und es bleibt oft nicht bei einer Pille: Nahmen ältere Personen in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts rund drei Medikamente täglich ein, sind es heute fünf bis zehn verschiedene Medikamente.
Schlechte Mundhygiene kann auch ein Risikofaktor für Aspirationspneumonie sein. Wo Plaque und Candidose gedeihen, sind auch Keime im Speichel. Durch Verschlucken können Speichel und damit Pathogene in die Lunge geraten und dort zu Lungenentzündungen führen. All diese besonderen Rahmenbedingungen erfordern eine sorgfältige tägliche Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Betreuung, so Wårdh. Diese Maßnahmen wirken sich wiederum positiv auf den allgemeinen Gesundheitsstatus aus und vice versa.
Die Zahnbürste als Lebensretter
Der Fokus des Beitrags von Prof. Frauke Müller lag auf den Demenzerkrankungen. Die Prävalenz dieser Erkrankungen verdoppelt sich bei Menschen ab 65 Jahren alle fünf Jahre, sie ist also in einer älter werdenden Gesellschaft ein ansteigendes Problem. Zahnlose haben ein höheres Risiko für Demenzen, damit erhält die zahnärztliche Prophylaxe eine neue Dimension. Die häusliche Mundhygiene hat enorme Bedeutung: „Eine Zahnbürste kann quasi Leben retten“, so Müller – kurzfristig in Hinsicht auf die Plaquebeherrschung und Mundgesundheit, langfristig auf den Zahnerhalt.
Was Praktiker für die prothetische Versorgung von älteren Patienten mit Demenz berücksichtigen müssen und wie sie die Patienten unterstützen können, erklärt Prof. Dr. Frauke Müller im Videointerview. (Quelle: QTV/Quintessence News)
Alle Referentinnen plädierten für ein rasches Handeln der Regierungen, um die adäquate zahnmedizinische Versorgung älterer Patienten sicherzustellen und den Zahnärzten zu ermöglichen, diese Versorgungen im Rahmen ihres Berufs zu gewährleisten.
KN, Quintessenz News
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