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Ein alternativer, zahnerhaltender Ansatz zur Behandlung gescheiterter Wurzelspitzenresektionen


Dr. med. dent. Martin Brüsehaber, M.Sc., Hamburg

Auch in der Endodontie gehört ein professioneller Umgang mit Misserfolgen zum klinischen Alltag. Bei Zähnen, die nach erfolgter Wurzelkanalbehandlung eine erneute oder persistierende apikale Parodontitis aufweisen, wird häufig eine Wurzelspitzenresektion durchgeführt. Die Prognose für ein erfolgreiches Behandlungsergebnis beträgt beim traditionellen chirurgischen Vorgehen weniger als 60 Prozent. Scheitert auch die chirurgische Herangehensweise, ist die Extraktion des betroffenen Zahnes in der Regel die Therapie der Wahl. Der Beitrag des Autors Dr. Martin Brüsehaber aus der Zeitschrift Quintessenz zeigt die Ursachen gescheiterter Wurzelspitzenresektionen auf, beschreibt einen alternativen, zahnerhaltenden Behandlungsansatz und gibt Hinweise für das therapeutische Vorgehen [Quintessenz 2016;67(1):25–35].

Die „Quintessenz“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.


Einleitung

Wurzelspitzenresektionen (WSR) werden häufig als therapeutische Maßnahme zur Behandlung fehlgeschlagener Wurzelkanalbehandlungen eingesetzt. Eine aktuelle Metaanalyse gibt für WSR, die nach traditionellem chirurgischem Vorgehen, das heißt ohne den Einsatz eines Operationsmikroskops durchgeführt wurden, eine Prognose von 59 Prozent an15. Ungefähr 40 Prozent der endodontisch und chirurgisch behandelten Zähne weisen demzufolge anschließend eine persistierende oder neu aufgetretene periradikuläre Entzündung auf. Auch eine wiederholte Resektion einer bereits chirurgisch behandelten Wurzelspitze führt nicht häufiger (59 Prozent) zu einer Ausheilung der periradikulären Veränderung5, selbst wenn Lupenbrillen und Ultraschallansätze für die retro­grade Aufbereitung eingesetzt werden. Erst die konsequente Verwendung eines Operationsmikro­skops in Verbindung mit einer retrograden minimal­invasiven Präparation und Füllung kann die Prognose für einen chirurgischen Zweiteingriff deutlich auf mehr als 90 Prozent verbessern15,16. Eine mit 87 Prozent vergleichbar hohe Erfolgsprognose konnte für die nicht chirurgische Therapie­alternative, die orthograde Revision bereits resezierter Zähne, nachgewiesen werden10.

Ursachen für eine persistierende Parodontitis apicalis nach WSR

In der Regel ist die Ursache einer Parodontitis apicalis in der mikrobiellen Besiedlung des Wurzelkanalsystems zu suchen8. In der Folge einer solchen Infektion führt die immunmodulierte Antwort des periradikulären Gewebes zu einer Entzündung und anschließend zur Destruktion des involvierten Knochens, was sich in einer reduzierten Röntgenopazität widerspiegelt14. Akute Beschwerden, Schwellungen der betroffenen Gewebe und die Ausbildung von Fistelgängen können weitere Folgen sein.

Unabhängig davon, ob ein Behandlungsmisserfolg auf eine orthograde endodontische Primärtherapie (Wurzelkanalbehandlung) oder einen endodontischen chirurgischen Sekundäreingriff (WSR) zurückzuführen ist, sind die nachstehend näher erläuterten Gründe für eine ausbleibende Heilung häufig dieselben6,14.

Persistierende mikrobielle Infektion im Wurzelkanalsystem

Die wirksame Desinfektion des gesamten Wurzelkanal­systems ist die Grundlage für eine erfolgreiche end­odontische Therapie. Wird eine vollständige orthogra­de mechanische Erschließung und damit eine effektive Desinfektion des Wurzelkanalsystems nicht erreicht, ist eine persistierende Infektion die Folge. Wenn es durch eine in einem solchen Fall eingesetzte WSR nicht gelingt, den von orthograd unzulänglich behandelten apika­len Teil des Wurzelkanalsystems zu entfernen oder von retrograd zu erschließen und bakteriendicht mit einer retrograden Wurzelkanalfüllung zu versiegeln, bleibt die Infektion bestehen, und ein Behandlungserfolg der WSR ist eher unwahrscheinlich11,16 (Abb. 1 und 2).

Isthmen

Insbesondere bei Wurzeln mit mehreren über Isthmen kommunizierenden Wurzelkanälen sind eine vollständige mechanische Erschließung und eine effektive Desinfektion des Kanalsystems schwer zu realisieren13. Ein retrogrades Vorgehen ist davon ebenso betroffen wie ein orthograder Behandlungsansatz18. Bleiben Isth­men unbehandelt, sind sie ein Reservoir für große Mengen Gewebereste, Debris und Mikroorganismen13. Der Einsatz eines Operationsmikroskops zur zielgerichteten Erschließung und nachfolgenden bakteriendichten Versiegelung dieser Strukturen verbessert die Erfolgsprognose sowohl für das ortho- als auch für das retrograde Vorgehen15.

Unbehandelte akzessorische und laterale Wurzelkanäle

Die unvollständige Erschließung von akzessorischen und lateralen Wurzelkanälen schlägt sich aufgrund der persistierenden Infektion ebenfalls in einer reduzierten Erfolgsprognose orthograder endodontischer Therapie­maßnahmen nieder11. Ein unbehandelter zweiter mesio­bukkaler Wurzelkanal ist beispielsweise häufig die Ursache für erfolglose Wurzelkanalbehandlungen oberer Molaren19. Durch alleinige chirurgische Maßnahmen lässt sich dieses Problem in der Regel nicht lösen6 (Abb. 3 und 4). Selbst wenn es gelingt, das Foramen eines unbehandelten Wurzelkanals im Rahmen einer WSR retrograd darzustellen und zu verschließen, kann durch dieses Vorgehen keine ausreichende Desinfektion des gesamten Wurzelkanalsystems erzielt werden. Ein Behandlungserfolg wird sich im besten Fall dann einstellen, wenn der retrograde Verschluss sicher bakterien­dicht ist.

Rekontamination des Wurzelkanalsystems über koronale Undichtigkeiten

Insuffiziente temporäre oder definitive koronale Restaurationen ermöglichen oralen Mikroorganismen den Zutritt auch zum obturierten Wurzelkanalsystem. Wenn diese Keime ins periapikale Gewebe gelangen, erhöht sich das Risiko neu entstehender oder persistierender apikaler Parodontitiden12.

Fehlende und/oder insuffiziente retrograde Füllung nach erfolgter WSR

Orthograd eingebrachtes Wurzelkanalfüllmaterial kann nur bedingt einen bakteriendichten Verschluss des Wurzelkanalsystems gewährleisten18. Wird eine insuffi­ziente orthograde Wurzelkanalfüllung im Rahmen einer WSR nicht durch einen suffizienten apikalen Verschluss des Wurzelkanalsystems abgedichtet, führt dies regelmäßig zu einem Misserfolg2. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn zuvor keine oder ineffektive Desinfektionsmaßnahmen getroffen wurden.

Die technisch korrekte Durchführung der retrograden Präparation und Füllung des Wurzelkanals ist für den zu erwartenden Behandlungserfolg maßgeblich. Eine stark abgeschrägte Resektionsfläche lässt eine hohe Anzahl angeschnittener und gegebenenfalls infizierter Dentintubuli unverschlossen zurück14 und sorgt ebenso wie eine fehler­hafte Ausrichtung der retrograden Präparation (nicht in Achsenrichtung des Wurzelkanals) sowie eine unzureichende Retention und Ausdehnung der Füllung häufig für Misserfolge16.

Optionen für die Therapie einer persistierenden Parodontitis apicalis nach WSR

Für alle endodontischen Behandlungen ist eine sichere Diagnosestellung im Vorfeld der Therapie erforderlich. Es stellt sich im Rahmen der Behandlungsplanung die zentrale Frage, wie die Ursache für den Misserfolg einer WSR durch einen erneuten Eingriff behoben werden kann14. In der Literatur werden folgende Behandlungs­optionen vorgeschlagen14:

• Keine Behandlung und Überwachung. Symptomlose Zähne, die nur geringe Anzeichen einer periapikalen Aufhellung aufweisen, können radiologisch überwacht werden, ohne dass eine unmittelbare Behandlung erfolgt. Sollte es zum Auftreten von Symptomen oder zu einer Vergrößerung des radiologischen Befundes kommen, ist eine Therapie einzuleiten.

• Entfernung des Zahnes. Saunders14 empfiehlt die Extraktion von Zähnen, die nicht restaurierbare Zahn­hartsubstanzschäden aufweisen, parodontal geschädigt sind oder generell bereits ein ungünstiges Ver­hältnis der Länge von Zahnwurzel und Zahnkrone aufweisen.

• Orthograde Revisionsbehandlung. Die Ursache für eine apikale Parodontitis ist die mikrobielle Besiedlung des Wurzelkanalsystems8, was bedeutet, dass eine solche Besiedlung auch als primäre Ursache einer persistierenden Parodontitis apicalis nach WSR angesehen werden muss. Damit setzt sich die kausale Therapieoption aus folgenden Schritten zusammen: Entfernung aller vorhandenen Wurzelkanalfüll­materialien, erneute Aufbereitung des gesamten Wurzelkanalsystems sowie nochmalige orthograde Desinfektion und Obturation.

• Erneute WSR. Lassen sich Fehler aus technisch unzu­länglich vorgenommenen WSR durch eine alleinige orthograde Revision nicht beheben, sollte zusätzlich zur Revisionsbehandlung ein korrigierender chirurgischer Eingriff durchgeführt werden16.

Entscheidungsfindung zur Entfernung retrograden Füllmaterials

Für die Durchführung einer orthograden Revision nach bereits erfolgter WSR gelten grundsätzlich dieselben Kriterien wie für alle orthograden endodontischen Behandlungen. Der wesentliche Unterschied ergibt sich durch den Umgang mit dem retrograden Füllmaterial und dem weit offenen Foramen.

Orthogrades Entfernen des retrograden Füllmaterials

Die Entfernung retrograder Wurzelkanalfüllungen sollte nach Möglichkeit immer erfolgen, da auch sie undicht und damit mikrobiell besiedelt sein können. Eine vollständige Desinfektion des gesamten Kanallumens lässt sich erst nach kompletter Entfernung aller Wurzelkanal­füllmaterialien durchführen. Im Rahmen der präoperativen Behandlungsplanung sollten folgende Aspekte beleuchtet werden9:

  • Sind radiologische oder anamnestische Rückschlüs­se auf das verwendete retrograde Füllmaterial möglich und ist die Revidierbarkeit damit abzuschätzen (Abb. 5)?
  • Lässt sich durch Röntgenaufnahmen ein klarer räumlicher Bezug des retrograden Füllmaterials zur Wurzelspitze nachweisen (Abb. 8 und 16)?
  • Übersteigt der Querschnitt der retrograden Präparation und Füllung denjenigen des Wurzelkanals deutlich?
  • Wie groß ist damit der durch einen orthograden Entfernungsversuch zu erwartende Verlust an Zahn­hartsubstanz?
  • Welche Risiken können bei einem Entfernungsversuch auftreten?

Ein hohes Risiko besteht für die Extrusion retrograden Füllmaterials in das periapikale Gewebe6. Die Induktion einer Fremdkörperreaktion kann die Folge sein11 und ein konsekutives chirurgisches Entfernen des verlagerten Materials erforderlich machen. Dieser Aspekt sollte ebenso wie die Notwendigkeit für chirurgische Korrekturen technischer Unzulänglichkeiten bei primär durch­geführten Resektionen, welche sich nicht von orthograd korrigieren lassen, bereits in der Planungsphase der Behandlung erkannt und berücksichtigt werden.

Belassen des retrograden Füllmaterials

Eine vollständige orthograde Revision von retrogradem Füllmaterial ist nicht vorhersagbar möglich, wenn

  • das Füllmaterial keinen räumlichen Bezug zur Wurzel­spitze hat und sich bereits im periapikalen Gewebe befindet (Abb. 9),
  • der Querschnitt der retrograden Präparation und Füllung denjenigen des Wurzelkanals deutlich über­steigt und
  • die Materialeigenschaften eine Zerkleinerung erschweren oder unmöglich machen (z. B. Amalgam, Metall- oder Keramikstifte)6,9.

Das Belassen retrograden Füllmaterials im apikalen Kanallumen verhindert die vollständige Desinfektion des gesamten Wurzelkanalsystems. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Misserfolg einer WSR durch einen insuffizienten retrograden Verschluss mitverursacht wird, kann die alleinige Desinfektion des koro­nalen Kanalabschnitts in manchen Behandlungsfällen auch zum Erfolg führen (Abb. 11 und 18). Sofern jedoch eine retrograde Wurzelkanalfüllung belassen wird, muss damit gerechnet werden, dass bei einer Persistenz der apikalen Läsion ein sekundärer chirurgischer Eingriff mit erneuter Resektion der Wurzelspitze notwendig wird.

Diagnostik

Die Diagnostik der Parodontitis apicalis nach bereits erfolgter WSR unterscheidet sich zunächst nicht von der Diagnostik im Rahmen einer Primär- oder Revisions­behandlung6. Schwellungen, Fisteln oder Druckdolenzen im Bereich der Gingiva deuten auf Entzündungen der periradikulären Gewebe hin. Ebenso können Aufbiss­empfindlichkeiten und Lockerungen der betroffenen Zähne auf eine solche Veränderung hinweisen. Ein durch kleinschrittiges Sondieren des Sulkus darstellbarer loka­ler Knocheneinbruch hilft, frühzeitig eine Wurzellängsfraktur zu erkennen. Im Rahmen der klinischen Inspektion lassen sich häufig Narbenzüge und – bei retrograder Verwendung von Amalgam – Tätowierungen der Gingiva erkennen.

Der radiologische Nachweis einer bereits erfolgten Resektion der Wurzelspitze ist nicht immer sicher möglich. Insbesondere sehr schräg resezierte Wurzeln weisen oft eine radiologisch unauffällige Apexform auf. Hingegen lässt das Vorhandensein einer retrograden Wurzelkanalfüllung einen sicheren Rückschluss auf eine durchgeführte WSR zu (Abb. 12). Lokalisation und Aus­dehnung der retrograden Füllung geben bereits erste Hinweise auf die zu erwartende Dichtigkeit und die Möglichkeit der orthograden Revision des Füllmaterials. Von der Homogenität und Qualität der orthograden Wurzelkanalfüllung kann man auf die Güte der Wurzelkanalbehandlung schließen.

Orthograde Revision

Für die sichere Beurteilung intraoperativer Befunde sowie die zielgerichtete Verwendung von speziellen Instrumenten und Materialien ist der routinierte Einsatz eines Operationsmikroskops unerlässlich.

Primäre und sekundäre Zugangskavität

Die primäre Zugangskavität muss zunächst eine ausreichende Übersicht über die Pulpakammer und die Zugänge zu den Wurzelkanälen gewährleisten (Abb. 13 und 14). Außerdem müssen orthograde Füllmaterialien, aber auch Wurzelstifte sicher entfernt werden können. Die sekundäre Zugangskavität sollte einen direkten, vollumfänglichen Überblick über das Kanalsystem, das retrograde Füllmaterial und das angrenzende periapikale Gewebe erlauben (Abb. 15).

Revision der Füllmaterialien

Die Entfernung der orthograd eingebrachten Füllmaterialien erfolgt wie in Revisionsbehandlungen zunächst mit rotierenden Instrumenten. Insbesondere kleine, überlange Rosenbohrer eignen sich für die Entfernung von Materialien aus der Pulpakammer und dem koro­na­len Wurzelkanallumen. Sie ermöglichen einen Einsatz unter direkter visueller Kontrolle über das Operationsmikroskop. Um ein Verlagern von infizierten Anteilen des Füllmaterials in das periapikale Gewebe zu vermeiden, sollte ein Wechsel zu Ultraschall- oder Hand­instrumenten erfolgen, sobald die apikalen Kanalanteile erreicht werden. Der Einsatz von Lösungsmitteln ist nach Möglichkeit zu vermeiden, da gelöste Guttapercha in das periapikale Gewebe diffundieren könnte. Intensive, ultraschallaktivierte Spülungen des Kanallumens mit NaOCl sorgen für das effiziente Herausspülen von Füllungsbestandteilen sowie die sichere Darstellung des retrograden Wurzelkanalfüllmaterials und des periapikalen Gewebes.

Die vorhersagbare Entfernung retrograden Füllmaterials gelingt, wenn der Querschnitt der retrograden Wurzelkanalfüllung denjenigen des koronalen Kanallu­mens nicht wesentlich übersteigt und sich das Material mechanisch unter Einsatz von Ultraschallinstrumenten zerkleinern lässt. Berücksichtigt werden sollte, dass es ratsam ist, mit dem Lösen der retrograden Füllung bei schräg resezierten Zähnen an der bukkalen Kanalwand zu beginnen, um den verbleibenden Teil der Füllung an der längeren oralen Wurzelwand abzustützen9. Auf diese Weise kann das Risiko einer Dislokation in das periapikale Gewebe reduziert werden. In unterschiedlichen Durchmessern verfügbare, an die Größe und Krümmung des Kanallumens adaptierbare U files (Fa. NSK Europe, Eschborn) eignen sich für das Zerkleinern der retrograden Wurzelkanalfüllung. Diese Feilen werden in einem Adapter für den Einsatz von Ultraschallinstrumenten (E11, Halter für U files, Fa. NSK Europe) verwendet. Unter leichtem, intermittierendem Druck und ständiger direkter Sichtkontrolle durch das Operationsmikroskop erfolgt bei geringer Intensitätseinstellung des Ultraschall­gerätes das gezielte Zerkleinern und Abtragen des Füll­materials. Ein Überhitzen des Ultraschallinstruments und des zu entfernenden Füllmaterials sollte durch eine geringe Ultraschallintensität und – falls erforderlich – durch zusätzliches Kühlen mit Luft verhindert werden.

Die gelockerten Füllungsteile werden anschließend mit NaOCl aus dem Kanallumen gespült oder mit feinen Absaugkanülen abgesaugt. Das gezielte „Herausfischen“ mit Handinstrumenten (z. B. Micro-Debrider 20.02 oder 30.02, Fa. Dentsply Maillefer, Ballaigues, Schweiz, oder Gutta-Percha-Removal-Instrument, Fa. Hartzell Instruments, Concord, USA) gelingt auch, wenn Bestandteile des zu entfernenden Füllmaterials bereits in das periapikale Gewebe verlagert wurden (Abb. 19 und 20).

Chemomechanische Aufbereitung und Obturation des Wurzelkanalsystems

Die Festlegung der Arbeitslänge erfolgt in der Regel durch die direkte visuelle Darstellung des periapikalen Gewebes. Das Absichern der Arbeitslänge mittels endo­metrischer Verfahren ist wegen der großen apikalen Durchmesser unsicher4 und sollte deshalb immer durch eine Kontraströntgenaufnahme ergänzt werden (vgl. Abb. 16). Eine individualisierte Kerr-Feile, deren Spitze rechtwinklig zur Instrumentenachse umgebogen und dann vorsichtig schrittweise zirkumferent über das apikale Ende der Wurzelwand geschoben wird, kann die Arbeitslänge mit einer hohen Sicherheit bestätigen3.

Die chemische Aufbereitung der Kanalsysteme entspricht der Aufbereitung bei Revisionsbehandlungen20 und ist grundsätzlich unabhängig vom Durchmesser des Foramens. Da die Kontaktfläche zum periapikalen Gewebe wegen des großen apikalen Kanaldurchmessers jedoch sehr groß ist, empfiehlt es sich, insbesondere NaOCl mit großer Vorsicht einzusetzen und folgende Aspekte sicherzustellen7:

  • Die Arbeitslänge und damit die maximale Eindringtiefe der Spülkanüle wurde korrekt bestimmt.
  • Das Verkeilen der Spülkanüle kann sicher vermieden werden.
  • Die Spülung erfolgt gleichmäßig mit geringem Druck.
  • Die austretende Spüllösung kann über die Zugangs­kavität abfließen.
  • Des Weiteren kommt bei Bedarf nicht erwärmte und niedrig konzentrierte NaOCl-Lösung (zum Beispiel 1 Prozent) oder alternativ 2-prozentiges Chlorhexidin zum Einsatz.

Für den apikalen Wiederverschluss des Kanalsystems bietet sich die Verwendung von Mineraltrioxidaggregat (MTA) an17. Mit einer Einbringhilfe (z. B. MAP-System, Fa. Dentsply Maillefer) kann das Material schrittweise in einer Schichtdicke von mindestens 4 mm drucklos unter Sichtkontrolle direkt auf das periapikale Gewebe geschichtet und mit Pluggern an die Kanalwände adaptiert werden. In Fällen, in denen das periapikale Gewebe für eine direkte Überschichtung mit MTA nicht ausreichend stabil erscheint oder fehlt, sollten mit feinen Pluggern kleine Stücken Kollagen in den periapika­len Raum gestopft werden, um so ein Widerlager für das MTA zu schaffen1. Das eingebrachte MTA kann anschließend sofort mit erwärmter Guttapercha überschichtet und der koronale Zugang adhäsiv verschlossen werden.

Resümee

Zähne gelten häufig als extraktionswürdig, wenn sowohl die endodontischen Primärtherapien als auch eine anschließende WSR erfolglos geblieben sind. Wiederholte WSR weisen geringe Erfolgsprognosen auf, denn regelmäßig werden dabei die Ursachen der persistierenden apikalen Parodontitiden missachtet. Eine erneute Resektion kann deshalb nicht als kausale Therapie gelten.

Orthograde Revisionsbehandlungen eröffnen auch nach bereits durchgeführten WSR die Option, die betroffenen Zähne mit einer guten Prognose zu erhalten. Ideale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Behand­lungsverlauf sind die vollständige Entfernung ortho- und retrograder Füllmaterialien, die effektive Desinfektion des gesamten Kanalsystems und der möglichst bakteriendichte Wiederverschluss aller Wurzelkanalanteile. Die kritische präoperative Bewertung aller Befunde und der sichere Einsatz von Behandlungstechniken und Materialien unter der routinierten Nutzung eines Operationsmikroskops sind die Grundlage für diese Therapiealternative.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Martin Brüsehaber, M.Sc., Hamburg

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Quelle: Die Quintessenz, Ausgabe 1/16 Endodontie

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