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Der Workflow mit intraoralen Scans erschließt neue Behandlungsmöglichkeiten und Versorgungsoptionen

Darstellung der bei der Überlagerung von STL-Oberflächendatensatz und DVT entstehenden positiven und negativen Abweichungen.

Insbesondere in der Implantologie eröffnet der intraorale Scan neben der Funktion einer Abformung die Möglichkeit zur Implementierung neuer Behandlungskonzepte. Bereits in der Beratungs- und Planungsphase können so in Verbindung mit dreidimensionalen Röntgendaten Möglichkeiten, Grenzen und Risiken der Implantatversorgung erläutert und in einem prothetisch-chirurgischen Behandlungskonzept festgelegt werden, welches zu vorhersagbareren Behandlungsergebnissen führt. Jedoch müssen die heute noch bestehenden Limitationen der Ganzkieferversorgungen in Bezug auf die dreidimensionale Übertragung der Implantatposition von der Mundhöhle auf ein Modell beachtet werden, weshalb indikationsabhängig auch kombiniert digital-analoge Versorgungskonzepte in Betracht gezogen werden sollten.

Prof. Dr. Bernd Wöstmann et al. stellen in ihrem Beitrag für die Implantologie 3/21 die aktuelle und künftige Rolle der digitalen Abformung vor. Ihr Fazit: Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der Scansysteme ist zukünftig damit zu rechnen, dass auch in der Implantologie die digitale Abformung die etablierten analogen Behandlungsverfahren ersetzen wird.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Digitale Prozesse sind heute untrennbar mit der modernen Zahnheilkunde verbunden1. Digitales Röntgen ist in unseren Praxen als Standard einzuschätzen und auch im zahntechnischen Labor nehmen digitalbasierte CAD/CAM-Fertigungsverfahren zur Anfertigung von Zahnersatz und Hilfsteilen immer mehr Raum ein. Allerdings werden hierzu nach wie vor vornehmlich konventionell hergestellte Modelle mithilfe von Laborscannern digitalisiert und erst die weiteren labortechnischen Arbeiten sowie die Anfertigung des Zahnersatzes als solchem erfolgen digital2. Demgegenüber basiert die eigentliche Behandlung des Patienten – abgesehen von der oben genannten Röntgendiagnostik – nach wie vor überwiegend auf „analogen“ Tätigkeiten. Dies trifft auch für die digitale Abformung zu, die – obwohl prinzipiell seit mittlerweile mehr als 30 Jahren verfügbar3,4 – nach Schätzungen nicht einmal in 10 Prozent aller Praxen in Deutschland etabliert ist5. Unter anderem dürften hierfür die recht hohen Investitionskosten ursächlich sein, angesichts derer sich viele fragen, worin der zusätzliche Nutzen zu sehen ist, der solch hohe Investitionen rechtfertigt.  Die digitale Abformung allein dabei als Ersatz für konventionelle Abformverfahren zu sehen, ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Vielmehr ist es der Zusatznutzen der digitalen Technik, der intraorale Scanverfahren so attraktiv macht. Dies betrifft insbesondere den wachsenden Bereich der zahnärztlichen Implantologie, welcher nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) bei mehr als einer Million inserierten Implantaten in Deutschland pro Jahr liegt6.

Durch den Einsatz der digitalen Abformung werden hier ganz neue Behandlungsmöglichkeiten und Versorgungsoptionen erschlossen, die auf analogem Wege bisher nicht oder nur mit sehr viel mehr Aufwand darstellbar waren. Erstmals wird so ein konzeptionell durchgehender Behandlungsablauf von der Planung über die implantologisch-chirurgische und gegebenenfalls temporär-prothetische Versorgung bis hin zur finalen Restauration ermöglicht, beginnend bei der Aufklärungs- und Dokumentationspflicht und endend in einer durch die digitale Archivierung der Datensätze vereinfachten prothetischen Zweit- oder Drittversorgung. Bevor aber dieser „digitale Gewinn“ des intraoralen Scans in der Implantologie im Detail zu betrachten sein wird, erscheint es primär notwendig, der Frage nachzugehen, welche Genauigkeitsanforderungen im Bereich der implantatprothetischen Versorgung an den Zahnersatz zu stellen sind, wie die mit digi­talen Verfahren erreichbaren Ergebnisse diese Anforderungen erfüllen und vor allem auch, wie sie im Vergleich zu etablierten konventionellen Verfahren einzuordnen sind.

Darstellungsgenauigkeit in der Implantologie: Anforderungen und Realität

Beim Einsatz intraoraler Scanverfahren in der Implantologie stehen, anders als beim Scan präparierter Zähne etwa zur Anfertigung von Kronen, bei denen zunächst die exakte Erfassung und Reproduktion der oftmals schwer einsehbaren – weil para- oder sogar infragingival gelegenen – Präparationsgrenze im Vordergrund steht, andere Erfordernisse an erster Stelle. Es gilt hier, weniger den einzelnen Zahn beziehungsweise die Implantatoberfläche als solche im Detail darzustellen, da in der Regel alle heute verfügbaren Implantatsysteme sowie die zum Transfer der dreidimensionalen Implantatposition verwendeten Scanbodys als digitale Datensätze in den Implantatplanungssoftwares vorhanden sind, sodass die Wiedergabe des einzelnen Implantats im digitalen Modell unproblematisch ist. Dies ist prinzipiell nicht neu und entspricht dem typischen Vorgehen in der analogen Implantatabformung, in deren Rahmen die Implantatposition über Abformpfosten und Modellanaloga auf das Gipsmodell übertragen wird.

Da Implantate aber im Gegensatz zu natürlichen Zähen so gut wie keine Eigenbeweglichkeit besitzen7, kommt in der digitalen wie auch analogen Abformung der Reproduktion des gesamten Kieferbogens entscheidende Bedeutung zu8. Sofern mindestens zwei Implantate mit einer festsitzenden Konstruktion miteinander verbunden werden sollen, muss die Übertragungsgenauigkeit der Implantatposition auf das analoge oder digitale Modell so genau sein, dass die verbleibenden Diskrepanzen so gering sind, dass sie durch die Summation der Elastizität des Knochens zwischen den Implantaten, ihrer Eigenbeweglichkeit und der Fertigungstoleranzen der Abutments aufgefangen werden können9,10. Für sofortbelastete Implantate wird eine Eigenbeweglichkeit von 8–15 µm angegeben, die mit zunehmender Osseointegration allerdings auf mindestens die Hälfte abnimmt11,12. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass in erster Näherung bei der Verbindung von zwei Implantaten ein Übertragungsfehler von mehr als 10 µm pro Implantat bereits kritisch sein kann. Wenn auch aktuelle Scanner mittlerweile Genauigkeiten erreichen, die im Bereich eines Quadranten durchaus den Erfordernissen einer Implantatversorgung entsprechen und konventionellen Abformungen ebenbürtig sind, so darf doch nicht übersehen werden, dass die Genauigkeit in Bezug auf die Darstellung des ganzen Kiefers mit konventionellen Einphasenabformungen (individueller Löffel mit Polyether oder A-Silikon) durch aktuelle Scanner gegenwärtig erst erreicht, aber noch nicht übertroffen wird13.

Das wesentliche Problem des intraoralen Scans besteht in erster Linie darin, dass alle heute (Stand 2021) auf dem Markt verfügbaren Scansysteme es nicht erlauben, einen gesamten Kiefer oder auch nur eine Kieferhälfte auf einmal zu erfassen. Alle Systeme liefern lediglich Ausschnittbilder, die jeweils nur ein Teilareal umfassen und anschließend von der Software des Scanners in einem Überlagerungsprozess, dem sogenannten Matching, zu einem Gesamtmodell des Kieferbogens restauriert werden müssen. Daher ist insbesondere bei der Anfertigung eines Ganzkieferscans auch auf die Einhaltung des sogenannten Scanpfades – also das vom Hersteller vorgegebene Bewegungsmuster, wie die Aufnahmeeinheit des Intraoralscanners über die Oberfläche geführt wird – zu achten.

Wenn auch die originäre Genauigkeit der Scanner an sich bei den aktuell (Stand 2021) auf dem Markt verfügbaren Systemen mittlerweile sehr hoch ist, so sind es diese Matching-Algorithmen, die darüber entscheiden, wie exakt das Gesamtsystem aus Hard- und Software die Geometrie des Kieferbogens abbilden kann. Insbesondere Winkelfehler der Zuordnung führen mit zunehmender Rekonstruktion des Kieferbogens im Verlauf des Scanpfads zu einem sich stetig vergrößernden und nicht mehr kompensierbaren Fehler14. Mit zunehmender Länge des in Abbildung 1 dargestellten Scanpfads, beginnend beim Implantat in Regio 14 bis hin zu den Implantaten auf der kontralateralen Seite, steigt die dreidimensionale Fehlpositionierung der Implantate auf dem virtuellen Modell kontinuierlich an (Abb. 2). Dies ist ein prinzipieller Nachteil der digitalen Abformtechnik im Vergleich zu konventionellen Verfahren, da letztere den Kiefer auf einmal erfassen. Auch zeigen sich Unterschiede zwischen der Implantatabformung im Ober- und Unterkiefer. Während im Oberkiefer kein signifikanter Unterschied zwischen der konventionellen und digitalen Implantatabformung festzustellen ist, weist die digitale Abformung im Unterkiefer eine signifikant schlechtere Übertragungsgenauigkeit im Vergleich zur konventionellen Abformung auf (Abb. 3)13. Daher kann es im Moment − insbesondere in Fällen von mit zahlreichen Implantaten zu versorgenden zahnlosen Kiefern − noch sinnvoll sein, die digitale Arbeits- und Behandlungskette nach der Implantation und der Freilegung der Implantate gegebenenfalls mit der Herstellung eines individuellen konventionellen Löffels zu beenden und im Weiteren konventionell vorzugehen, da einerseits durch das Fehlen der Zähne dem Scanner der Matching-Prozess erschwert wird und zusätzlich die Möglichkeit der sonst einfach durchzuführenden digitalen Kieferrelationsbestimmung mittels Scanner nicht möglich ist und damit insgesamt der digitale Vorteil verloren geht (Abb. 4).

Auch die heute zur Verfügung stehenden konventionellen Abformmethoden sind nicht fehlerfrei. Insbesondere bei Disparallelitäten von Implantatpfeilern im ganzen Kiefer – wie im klinischen Alltag aufgrund von limitiertem Knochenangebot häufig vorzufinden – kann eine Deformation des Abformmaterials zu einer dreidimensionalen Verschiebung der Abformpfosten und damit zu einer fehlerhaften Übertragung der Implantatposition auf das Modell führen8. Aber auch prozessbedingte Fehler, von der Desinfektion bis hin zur Gipsmodellherstellung, können die Übertragungsgenauigkeit der konventionellen Abformung verringern15. Daher ist bis dato – für den spannungsfreien, passiven Sitz („passive fit“) der prothetischen Implantatversorgung – eine intraoral verklebte Tertiärstruktur zum Ausgleich dreidimensionaler Diskrepanzen häufig erforderlich16. Allerdings ist mit zunehmender Weiterentwicklung der Software der Scansysteme kontinuierlich mit einer weiteren Minimierung dieses prinzipbedingten Fehlers zu rechnen.

Vergleicht man die heute mit intraoralen Scansystemen erreichbaren Genauigkeiten bei der Darstellung ganzer Kiefer allerdings mit den erreichbaren Genauigkeiten mit typischen Alginatabformungen, so sind die zu erwartenden Unterschiede klinisch nicht mehr relevant beziehungsweise es sind mithilfe des digitalen Scans sogar höhere Genauigkeiten erreichbar17,18. Dies bedeutet, dass in allen Situationen, in denen im Rahmen der Implantologie Situationsmodelle (Planungsmodelle oder Modelle zur Anfertigung von Bohrschablonen) erforderlich sind, intraorale Scans auch im Hinblick auf die Genauigkeit eher Vorteile bieten.

Optimierung des Behandlungsablaufs durch Verwendung intraoraler Scanverfahren

Die Einbeziehung intraoraler Scanverfahren in die Vorbereitung und Planung einer Implantatversorgung im Rahmen des sogenannten „Backward-Planning“ ist eine starke Vereinfachung des Arbeitsablaufes im Vergleich zur Verwendung analoger Abformungen. Das Zusammenführen von Daten, welche durch unterschiedliche Dia­gnostikmethoden verschiedener Technologien – im Sinne einer Informationsfusion – erhoben werden, hat das Ziel, genaue Erkenntnisse für ein vorhersagbares Behandlungsergebnis zu gewinnen. So kann der digitale Datensatz des Kiefers, resultierend aus dem intraoralen Scan, ohne weitere Vorbereitungen direkt mittels geeigneter Software (zum Beispiel 3Shape Implant Studio, 3Shape; SICAT Implant, SICAT; Romexis 3D-Implantologie, Planmeca Oy,) unmittelbar mit einem DVT-Datensatz überlagert und zur Planung verwendet werden (Abb. 5). Sofern die Software zur Überlagerung Referenzpunkte erfordert, sollten hier möglichst markante Stellen – etwa die mesiale oder distale Inzisalkante eines Schneidezahns beziehungsweise eine Höckerspitze – ausgewählt und vornehmlich solche Punkte verwendet werden, die möglichst dicht an den durch Implantate zu ersetzenden Zähnen liegen (Abb. 6). So wird ein möglicher Fehler, der aus unterschiedlichen Genauigkeiten von digitalem Volumentomogramm (DVT) und intraoralem San bei der Überlagerung resultiert, im Bereich der relevanten Kieferabschnitte minimiert19.

Sofern es die Software erlaubt, ist es in jedem Fall ratsam, sich die aus der Überlagerung resultierenden Abweichungen der dreidimensionalen Datensätze von Scan und DVT anzeigen zu lassen (Abb. 7), um die zu erwartende Genauigkeit der Planung abschätzen zu können. Das weitere Vorgehen der Planung unterscheidet sich nicht von der Vorgehensweise, basierend auf der Überlagerung eines Laborscans eines zuvor konventionell gefertigten Modells mit einem DVT. Selbstverständlich ist hier wie dort – geeignete Software vorausgesetzt – zuvor die Anfertigung eines digitalen Wax-ups analog zum konventionell manuellen Wax-up möglich, um die Implantatpositionen zu optimieren oder dem Patienten die Möglichkeiten und Grenzen der implantatprothetischen Rekonstruktion zu visualisieren (Abb. 8). Gleiches gilt für die ebenfalls mögliche digital unterstützte Anfertigung gedruckter oder gefräster Bohrschablonen (Abb. 9). Gegenüber dem konventionellen Verfahren (Alginatabformung, Laborscan) ist in diesem Zusammenhang allerdings die auf digitalem Wege erreichbare größere Genauigkeit des digitalen Modells und damit der auf ihm konstruierten Schablone von Vorteil. In jedem Fall sollte jedoch beachtet werden, dass es sich bei der Implantation um einen chirurgischen Eingriff handelt und somit auch entsprechende Komplikationen fachgerecht behandelt werden müssen. Folglich kann eine digital geplante und geführte Implantation das chirurgisch-handwerkliche Können und die sorgfältige intraoperative Kontrolle des Insertionsortes nicht ersetzen.

Die Weiterentwicklung intraoraler Scanner und Algorithmen ermöglicht es heute sogar, Kiefer mit metallischen Multi-Bracket-Apparaturen zu scannen sowie eine digitale Implantatplanung und -insertion unter laufender kieferorthopädischer Behandlung durchzuführen (Abb. 10). Inwieweit die Brackets die Übertragungsgenauigkeit des In­traoralscans in vivo beeinflussen, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Allerdings ist nach unserer Erfahrung eine klinische Anwendung problemlos möglich. Vorliegende Studien an Modellen sind nur beschränkt aussagekräftig, da sich Ergebnisse von intraoralen Scans nur bedingt auf klinische Ergebnisse übertragen lassen20,21.

Generell sollte jedoch bei der digitalen Implantatplanung stets beachtet werden, dass selbst bei bestem Matching der Datensätze und der Verwendung einer vollnavigierenden Bohrschablone Winkelabweichungen der Implantatachse von 3 bis 4° entstehen können, welche zu Abweichungen in der horizontalen Implantatposition von 1mm bis 1,6 mm führen (Abb. 11). Somit sollte der von vielen Herstellern empfohlene Mindestabstand von 2 mm zu angrenzenden Strukturen unbedingt eingehalten werden. Zudem weisen zahngetragene Bohrschablonen eine höhere Übertragungsgenauigkeit der in der Planung bestimmten Implantatposition auf den Kiefer auf als schleimhautgetragene Schablonen22

Das intraoperative Modell

Intraorale Scantechniken eröffnen in der sich anschließenden chirurgischen und prothetischen Umsetzung der Versorgung Möglichkeiten, die sich konventionell nicht ohne Weiteres oder nur mit erheblichem Aufwand realisieren lassen. Dies beginnt mit der Erfassung der dreidimensionalen Implantatposition unmittelbar nach dem in­traoperativen Einbringen der Implantate (Abb. 12). Basierend auf einem zuvor gefertigten Scan werden in die Implantate nach ihrer Einbringung eingeschraubte Scanbodys in den schon vorhandenen Scan integriert. Dazu wird zunächst in dem vorhandenen Situationsscan der Bereich des zu scannenden Implantats gelöscht und nur dieses Areal nachgescannt. Es reicht aus, wenn der Scanner den oberen Anteil des Scanbodys erfassen kann. Seine vollständige Darstellung ist nicht erforderlich, sofern in der verwendeten Scansoftware (gegebenenfalls auch in der erst später verwendeten Laborsoftware) die Geometrie des verwendeten Scanbodys hinterlegt ist. Prinzipiell ist diese Vorgehensweise heute mit jedem uns bekannten Scanner möglich. Je nach Scannerhersteller findet sich ein solcher Workflow bereits voreingestellt in der Scannersoftware implementiert und braucht nur abgerufen zu werden. Auf diese Weise ist es möglich, direkt und unmittelbar im Zusammenhang mit der Einbringung der Implantate bereits intraoperativ ein Modell zu erstellen. Dieses kann in der Folge etwa zur Herstellung von temporärem Zahnersatz, vor allem aber zum Gewebemanagement bei Frontzahnrestaurationen genutzt werden, um dann – nach dem späteren Freilegen der Implantate – unmittelbar eine auch ästhetisch ansprechende Versorgung einbringen zu können (Abb. 13).

Eine erhebliche Vereinfachung der Vorgehensweise bietet der digitale Scan auch bei der definitiven Versorgung von Implantaten, so etwa bei der Darstellung eines durch Gingivamanagement sorgfältig ausgeformten Emergenzprofils, das wiederum durch einen partiellen Scan erfasst und mit der Gesamtabformung überlagert werden kann. Der wesentliche Vorteil der digitalen Technik liegt dabei in der druckfreien Darstellung der ausgeformten Schleimhautareale, die beim Versuch der konventionellen Übertragung mit Abformmasse mitunter sehr schnell kollabieren und dementsprechend fehlerhaft dargestellt werden (Abb. 14).

Sofern unterschiedliche Scanbodys für ein Implantatsystem zur Verfügung stehen, sollten vor allem vorrangig solche verwendet werden, die in Bezug auf den Matching-Prozess eine günstige Form aufweisen. Grundsätzlich gilt, dass Scanbodys mit markanter Geometrie, eindeutigen Kanten und größerer Höhe positiv zu bewerten sind und daher – wenn möglich – verwendet werden sollen. Ideal und vorteilhaft ist es, wenn die Software des Scanners die verwendeten Scanbodys bereits unterstützt. Nicht zu unterschätzen sind mögliche Fehler, die durch herstellerbedingte Imperfektionen beziehungsweise hohe Fertigungstoleranzen entstehen (Abb. 15)23. Aus wissenschaftstheoretischer Per­spektive ist eine Korrektur von herstellungsbedingten Ungenauigkeiten der verwendeten Scanbodys nur dann möglich, wenn die Software des verwendeten Scanners und ihr Matching-Algorithmus auf den jeweiligen Scanbody abgestimmt sind und Genauigkeitsfehler so eliminiert werden können13. Ob die Scannerhersteller tatsächlich diesen Weg gehen, ist bisher nicht bekannt. 

Selbstverständlich kann die Übertragung mittels Scanbodys nur dann exakt erfolgen, wenn diese korrekt im Implantat positioniert sind, so wie es ebenfalls für ihr analoges Pendant, die Übertragungspfosten, bei der konventionellen Abformung der Fall ist. Genauso wie es sich allerdings beim konventionellen Abformpfosten in Zweifelsfällen empfiehlt, eine Röntgenkontrollaufnahme vor der Abformung vorzunehmen, ist dies ebenfalls beim Einsatz von Scanbodys in der digitalen Abformung empfehlenswert (Abb. 16), sofern Zweifel an ihrer fehlerfreien Positionierung im Implantat bestehen.

Bei der digitalen Implantatabformung von mehreren Implantaten nebeneinander – insbesondere bei einer Freiendsituation – zeigt die klinische Erfahrung, dass eine Kontrolle der Implantatposition auf dem digitalen (oder realen) Modell − und damit der zugrundeliegenden digitalen Abformung − mithilfe eines Abutment-Checks durchgeführt werden sollte (Abb. 17). Sofern an dieser Stelle der Prozesskette ein Übertragungsfehler festgestellt wird, kann über eine digitale oder konventionelle Abformung der in situ eingebrachten Abutments der Fehler leicht korrigiert werden,  ohne dass zusätzliche Laborkosten, wie sie etwa bei Neuanfertigung eines Gerüstes entstehen würden, verursacht werden.

Abrechnung der digitalen Abformung

Die digitale Abformung ist kein Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (BEMA), kann jedoch als optisch-elektronische Abformung, wie die Bezeichnung in der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) lautet, auch bei gesetzlich versicherten Patienten als gleichartige Versorgung abgerechnet werden, was jedoch nicht bedeutet, dass Bestandteile der Regelversorgung (zum Beispiel BEMA-Kronenversorgung) nach der GOZ abgerechnet werden können. Die optisch-elektronische Abformung wird unter der Ziffer 0065 GOZ aufgeführt, die jedoch neben der digitalen Abformung je Kieferhälfte/Frontzahnbereich auch alle vorbereitenden Maßnahmen, eine einfache Bissregistrierung, den elektronischen Datenversand an ein externes Dentallabor sowie die Archivierung der Daten beinhaltet und maximal viermal pro Behandlungssitzung abgerechnet werden darf. Bei der digitalen Implantatabformung können somit keine zusätzlichen intraoralen Scans, wie z. B. das Emergenzprofil oder die Ausgangssituation, in derselben Behandlungssitzung abgerechnet werden, außer es liegen verschiedene Indikationen vor. Zudem sind zusätzliche konventionelle Abformungen derselben Kieferhälfte/Frontzahnbereich nicht berechnungsfähig.

Die Berechnung der 0065 GOZ in weiteren Behandlungssitzungen kann immer dann Anwendung finden, wenn sich die klinische Situation verändert hat und eine Diagnostik zum Beispiel im Rahmen der Analyse des Platzangebots oder der Achsausrichtung bei Implantaten notwendig ist. Da in der 0065 GOZ auch nur eine einfache Bissregistrierung enthalten ist, kann zum Beispiel die 8010 GOZ (Registrieren der Zentrallage des Unterkiefers) angewandt werden.

Im Anschluss an die digitale Abformung müssen die gewonnenen Datensätze analysiert werden. Dies kann direkt am Monitor des In­traoralscanners erfolgen und als Analogleistung gemäß § 6 Absatz 1 GOZ berechnet werden. Beispielsweise kann die 6010 GOZ (Anwendung von Methoden zur Analyse von Kiefermodellen [dreidimensionale, grafische oder metrische Analysen, Diagramme]) als 6010a (Computergestützte Auswertung optisch-elektronischer Abformung) oder die 6020 GOZ (Anwendung von Methoden zur Untersuchung des Gesichtsschädels) als 6020a (PC-gestützte Auswertung einer optisch-elektronischen Abformung entsprechend Anwendung von Methoden zur Untersuchung des Gesichtsschädels) Anwendung finden. 

Sofern auf Basis der digitalen Abformung auch Modelle gedruckt oder gefräst werden, kann die Auswertung dieser ebenfalls als Analogleistung berechnet werden. Hier bieten sich die Ziffern 0050 GOZ (Abformung oder Teilabformung eines Kiefers für ein Situationsmodell einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung) als 0050a (Auswertung von Print- oder gefrästen Modellen nach optisch-elektronischer Abformung zur Diagnose oder Planung entsprechend Situationsmodell einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung) oder die 0060 (Abformung beider Kiefer für Situationsmodelle und einfache Bissfixierung einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung) als 0060a (Auswertung von Print- oder gefrästen Modellen nach optisch-elektronischer Abformung zur Diagnose oder Planung entsprechend Abformung beider Kiefer für Situationsmodelle einschließlich Auswertung zur Diagnose oder Planung) an.

Die Abrechnung einer Bohrschablone erfolgt über die Ziffer 9005 GOZ (Verwenden einer auf dreidimensionale Daten gestützten Navigationsschablone/chirurgischen Führungsschablone zur Implantation, gegebenenfalls einschließlich Fixierung, je Kiefer) beziehungsweise 9003 GOZ (Verwenden einer Orientierungsschablone/Positionierungsschablone zur Implantation). Wenn die Implantation nicht durchgeführt werden kann, ist die Leistung 9005 beziehungsweise 9003 trotzdem abrechnungsfähig. Sofern unterschiedliche Implantationen in einem Kiefer zeitlich getrennt erfolgen müssen, können die Ziffern auch mehrfach berechnet werden. Bei interdisziplinärer Zusammenarbeit ist zudem zu beachten, dass die Abrechnung über den Behandler erfolgen muss, welcher die Bohrschablone auch intraoperativ verwendet. 

Eine Analogberechnung gemäß Paragraf 6 Absatz 1 GOZ für den zahnärztlichen Aufwand im Zusammenhang mit der Herstellung der Schablone ist möglich. Hierfür kann zum Beispiel die Ziffer 7000 GOZ (Eingliederung eines Aufbissbehelfs ohne adjustierte Oberfläche) als 7000a (Herstellung einer Bohr-/Positionierungsscha­blone) berechnet werden. Alternativ kann auch die Ziffer 9000 (Implantatbezogene Analyse und Vermessung des Alveolarfortsatzes, des Kieferkörpers und der angrenzenden knöchernen Strukturen sowie der Schleimhaut, einschließlich metrischer Auswertung von radiologischen Befundunterlagen, Modellen und Fotos zur Feststellung der Implantatposition, gegebenenfalls mithilfe einer individuellen Schablone zur Diagnostik, einschließlich Implantatauswahl, je Kiefer) als Analogposition 9000a (Implantatbezogene Analyse des Kiefers zur Feststellung der Implantatposition einschließlich Vorbereitung und Herstellung einer Orientierungsschablone als alleinige Leistung zur Vorbereitung der Implantatinsertion durch Implantologen) Anwendung finden und je einmal pro Kiefer berechnet werden. Eine Ausnahme stellt die zusätzliche Analyse vor oder nach Augmentation dar, welche eine nochmalige Anwendung der Ziffer 9000a erlaubt. Die Material- und Laborkosten zur Herstellung der Bohrschablone sind separat berechnungsfähig.

Bei Patienten mit Härtefallregelung (Paragradf 55 Absatz 2 SGB V) ist zusätzlich zu beachten, dass diese bei der Ausführung von gleichartigen Versorgungen – wie der digitalen Abformung – den Anspruch der vollständigen Kostenübernahme durch ihre Krankenversicherung verlieren und so nur noch den doppelten Festzuschuss erhalten.

Fazit

Die digitale Abformung ist heute aus der modernen Implantologie nicht mehr wegzudenken. Gerade für kleinere Implantatversorgungen oder die oft diffizile Planung von Implantaten im Frontzahnbereich bietet sie hervorragende Möglichkeiten und es stehen bereits ausgereifte Workflows zur Verfügung. Zunehmend verbessert sich nach wie vor die Leistungsfähigkeit der Scansysteme, gerade auch in eher problematisch zu scannenden Situationen, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, wann die digitale Abformtechnik der konventionellen in der Implantologie nicht nur vollständig ebenbürtig ist, sondern diese sogar erheblich übertrifft. Die Zukunft der modernen Implantologie ist auf jeden Fall digital. Wann dieser vollständige Wandel zur digitalen Technik allerdings vollzogen sein wird, lässt sich momentan nur sehr schwer abschätzen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Bernd Wöstmann, Dr. Alexander Schmidt und Dr. Maximiliane Amelie Schlenz, alle Gießen

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Implantologie 03/21 Implantologie

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