In der Implantologie schwinden die Kontraindikationen, gleichzeitig wächst die Zahl der – zumeist älteren – Risikopatienten, die eine Implantatversorgung wünschen. Worauf es dabei ankommt, vermittelt Prof. Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau in einem Praxiskurs der DGI am 28. März 2020 in Jena.
Noch vor wenigen Jahren rieten Experten von Implantaten eher ab, wenn Patienten an Diabetes mellitus, an Osteoporose oder schweren Herz Kreislauferkrankungen litten. Dies hat sich geändert. Entsprechend steigt die Zahl der Patienten, die von Implantaten profitieren. Diese positive Nachricht hat eine Kehrseite: Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen sich auf eine steigende Zahl von Risikopatienten einstellen. Dafür sorgen der demographische Wandel, die Epidemiologie chronischer Krankheiten und komplexe medizinische Therapien.
„Der demographische Wandel erfordert neue implantologische Konzepte für ältere Patienten mit Komorbiditäten“, stellt Prof. Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau (Jena) fest.
Für eine erfolgreiche Implantatbehandlung sind daher die Kenntnis und das Management von Risikofaktoren und Einflussgrößen der begleitenden Allgemeinerkrankungen von besonderer Bedeutung. Dies betrifft insbesondere die Einflüsse von Allgemeinerkrankungen auf das Hart- und Weichgewebelager am Implantationsort, die bei der Planung und Durchführung der Implantation beachtet werden müssen. Bei einem gut eingestellten Diabetes-Patienten spricht nichts gegen Zahnimplantate. Allerdings sind ausgeprägte Entzündungsprozesse oder die Auswirkungen eines metabolischen Syndroms auf die Blutgefäße bei Diabetikern relevante Risikofaktoren. Dies gilt auch für verschiedene medikamentöse Therapien, zum Beispiel mit Antiresorptiva.
Therapie dem Patienten anpassen
Was es zu beachten gilt, haben die Experten der DGI gemeinsam mit Fachleuten anderer Gesellschaften in Leitlinien beschrieben. Es gibt Leitlinien der höchsten Qualitätsstufe S3 zu den Themen „Zahnimplantate bei Diabetes mellitus“ sowie „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochenantiresorptiva“, zu denen unter anderem die Bisphosphonate gehören, die bei Osteoporose und onkologischen Erkrankungen eingesetzt werden. In der Phase der Finalisierung befindet sich die Leitlinie „Implantate bei Immunsuppression und Immundefizienz“. (https://www.dginet.de/web/dgi/leitlinien)
Durch alle Empfehlungen zieht sich eine Botschaft: Die Implantat-Therapie muss dem jeweiligen Risikoprofil eines Patienten angepasst werden. Dieser Prozess beginnt bereits bei der Auswahl des Implantatsystems und bei der Planung des Eingriffs. „Wenn beispielsweise ein Patient mit Antiresorptiva behandelt wird und ein Implantat bekommen soll, profitiert er von einem vorgeschnittenen Gewinde. Bei Patienten mit einer Parodontitis in der Vorgeschichte geben Experten einem Implantat den Vorzug, dessen Schulter auf der Ebene des Weichgewebes endet“, resümiert Grötz. Bei Patienten mit gestörtem Knochenstoff-wechsel ist eine Sofortimplantation nicht angezeigt.
Patienten mit entzündlichen Erkrankungen
Nicht einfach ist auch die Therapieentscheidung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen. Bei diesen entzündlichen Erkrankungen gibt es eine wechselseitige Beziehung zur Parodontitis und es werden häufig Medikamente eingesetzt, die das Immunsystem unterdrücken. Klare Empfehlungen gibt es in diesem Bereich nicht, sondern nur den Rat, die Indikation sehr streng zu stellen.