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Erste Ergebnisse zeigen die Eignung des Materials als vereinfachte und sichere Behandlungsoption zur vorhersagbaren Regeneration von Hartgewebedefekten

Die Vergrößerungen zeigen vitale Knochenzellen, vaskuläre Strukturen und die Zementlinien des reifen Lamellenknochens.

Aufgrund seines schnellen Degradationsprofils ist der Einsatz von nativem Kollagen als Ersatzmaterial zur Hartgewebeaugmentation stark limitiert. Eingesetzt werden bislang vielmehr Kollagen-Mineral-Kompositgrafts mit einer langsam resorbierenden Mineralkomponente als Hauptbestandteil. In der vorliegenden Fallstudie von Prof. Dr. Anton Friedmann, Dr. Vlasios Goulioumis und Prof. Dr. Werner Götz, der in der Implantologie 2/20 vorgestellt wurde, wird die klinische Anwendung eines neuen zuckervernetzten Kollagen-Kompositgrafts in zwei verschiedenen Indikationen vorgestellt. Das Material wurde für die Ridge-Preservation unmittelbar nach Extraktion sowie für die laterale Augmentation zur Wiederherstellung einer Kieferkammbreite verwendet, wobei Letzteres später eine problemlose Implantation gewährleistet. Durch die schwammartige resiliente Struktur dieses Kompositgrafts kann im Vergleich zu partikulären Graftmaterialien die Partikelmigration ausgeschlossen werden. Die Stabilität von zuckervernetztem Kollagen gegenüber bakteriellen Enzymen ermöglicht ein vereinfachtes Protokoll für den Alveolarkammerhalt (Socket-Preservation) ohne Lappenhebung und ohne weitere Abdeckung des Grafts. Die histologische Betrachtung von zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten gewonnenen Knochenstanzen bestätigte die Knochenneubildung im unterschiedlichen Reifestadium, begleitet von einem Remodeling des Materials in einen neuen vitalen Knochen. Der Befund des Materialrests im Gewebe wies eine deutliche Zeitabhängigkeit zwischen den Monaten drei und acht der Einheildauer auf. Aufgrund der Materialeigenschaften stellen die zuckervernetzten Kollagen-Kompositgrafts eine vereinfachte und sichere Behandlungsoption zur vorhersagbaren Regeneration von Hartgewebedefekten dar.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Kollagen ist ein elementarer Bestandteil aller Binde­gewebe.1 Darüber hinaus spielen Kollagene unter anderem eine fundamentale Rolle beim Stoffwechsel und beim Heilungsprozess von Bindegeweben wie Knochen, Ligamenten und Haut.2 Die kollagenbasierten Biomaterialien, deren Verwendung in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen hat, beziehen ihre Relevanz unter anderem aus diesen Eigenschaften.3

In der Zahnmedizin wird Kollagen bislang hauptsächlich zur Weichgewebeaugmentation und in Form von Barrieremembranen bei der gesteuerten Gewebe- oder Knochenregeneration (GTR/GBR) eingesetzt.4,5 Die Anwendung der Biomaterialien auf Kollagenbasis zur Knochenaugmentation als Knochenersatzmaterial (KEM) im eigentlichen Sinn ist heute wenig verbreitet.

Einfluss des Degradationsprofils auf die Augmentation

Der Knochen unterliegt einem permanenten Umbauprozess (Remodeling). Für eine optimale Knochenaugmentation sollte das Degradationsverhalten eines Biomaterials (KEM) mit dem Verlaufsmuster für das natürliche Knochenremodeling vergleichbar sein. Augmentate (KEM) mit einer sehr schnellen Resorptionsrate weisen eher ein begrenztes Potential für die Knochenaugmentation auf, da während des Heilungsprozesses ein erheblicher Volumenverlust des Augmentats entsteht, der durch die langsam voranschreitende Knochenneubildung nicht zu kompensieren ist.6

Die meisten heute bekannten kollagenen Biomaterialien werden aus nativem Kollagen hergestellt. Sie weisen aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit ein schnelles Resorptionsmuster von nur wenigen Wochen auf, sodass ihre Eignung zur Knochenaugmentation stark limitiert ist.

Kompositgrafts

Aus diesem Grund empfiehlt sich die Verwendung von Kollagen als Kompositgraft mit einer langsam resorbierenden Mineralkomponente als Haupt­bestandteil. Das bekannteste Kompositbiomaterial ist ein formbarer, schneidbarer Block, der zum Großteil aus partikulärer deproteinisierter boviner Knochen­matrix (DBBM) besteht, wobei die Partikel mit nativem Kollagen vermischt und verklebt sind.
Inwieweit das native Kollagen im Komposit­graft einen klinischen Vorteil im Vergleich zu DBBM allein bietet, bleibt jedoch unklar. So konnte in einem In-vivo-Experiment kein signifikanter Unterschied in der Knochenneubildung zwischen DBBM und dem Komposit mit Kollagen (DBBMC) festgestellt werden.7 Dieses Ergebnis könnte auf die schnelle Abbaurate des für DBBMC verwendeten Kollagens zurückzuführen sein.

Kreuzvernetztes Kollagen

Die Vernetzung von Typ-1-Kollagen mit natürlichen Zuckern ermöglicht die Herstellung von Kollagenmembranen und -matrizes mit definiertem Degradationsmuster, ohne dass diese ihre Biokompatibilität und biologische Funktion einbüßen.8−10 Durch das steuerbare Degradationsprofil fungiert zuckervernetztes Kollagen unter anderem als osteokonduktives Gerüst für die Knochenaugmentation.

So konnte unsere Gruppe in einer immunhistochemischen Auswertung von humanen Gewebeproben nachweisen, dass zuckervernetztes Kollagen in Knochendefekten die Expression des Matrixproteins Periostin membranständig deutlich gegenüber der Menge ansteigen ließ, die um das native Periost beobachtet wurde.11 Bei der erweiterten Probenaufbereitung zeigte sich auf der Transkriptionsebene, dass die Genexpression von extrazellulären Knochenproteinen durch aktive Osteoblasten in Anwesenheit von zuckervernetztem Kollagen gesteigert und so der Prozess der membranösen Knochenbildung gefördert wird.12
Der Matrixkörper des vernetzten Kollagens scheint im Gegensatz zu nativem Kollagen keiner der Knochenneubildung vorausgehenden Degradation zu unterliegen. Vielmehr findet eine Zellinvasion und damit eine Integration in den ortsständigen Knochen statt 9−10,13. Diese quasimembranöse Knochenformation erfährt im Laufe der Zeit weitere zelluläre Umbauprozesse, die zur Bildung von neuem vitalem Knochen führen13.

Kompositgraft aus vernetztem Kollagen

Kompositgrafts aus langsam degradierbarem zuckervernetztem porcinen Kollagen (Ossix Bone, Regedent) weisen im Gegensatz zu Standard-Kompositgrafts aus DBBM und nativem Kollagen eine hochkomplexe schwammartige und interkonnektierende leicht verdichtete Struktur aus Kollagenfasern auf. In dieses Netzwerk sind die aufgrund der Partikelgröße resorbierbaren Hydroxylapatit-Mineralkristalle eingebettet (Abb. 1a und b).

Die Struktur ähnelt der des natürlichen humanen Schädelknochens14, die ein kontrolliertes Remodeling in einen vitalen Knochen nach Augmentation erlaubt, wie es sonst nur für autologe Transplantate und teilweise auch für mineralisierte Allografts bekannt ist15,16.

Diese Eigenschaft wurde in einer tierexperimentellen Untersuchung bestätigt. Große Alveolardefekte bei Hunden zeigen sechs Monate nach Augmentation mit Ossix Bone (Regedent) histologisch eine gleichmäßige Defektfüllung ohne Volumenverlust des Augmentats, einhergehend mit hohen Mengen an neu gebildetem Knochen und ohne nachweisbare Graftreste. Im Gegensatz dazu wurden Defekte, die mit Komposits aus DBBM augmentiert wurden, nicht gleichmäßig mit neuem Knochen gefüllt. Vielmehr wurden signifikante Restanteile an bovinen Graftpartikeln beobachtet, die nur teilweise mit neuem Knochen in Kontakt standen.14

Anhand von Fallbeispielen, die zwei unterschiedliche Indikationsbereiche abdecken, werden die bevorzugten Eigenschaften des neuen Kompositgrafts in der klinischen Anwendung dokumentiert. Als gemeinsamer Nenner der Fallbeispiele dient eine jeweils histologisch durchgeführte qualitative Analyse des mit Ossix Bone (Regedent) augmentierten Abschnitts.

Fallbericht 1

Mandibulärer Alveolarkammerhalt mit Ossix Bone entsprechend einem minimalinvasiven Protokoll

Der Patient, männlich, 53 Jahre, Nichtraucher, jedoch multimorbid mit zahlreichen Vorerkrankungen (Typ-2-Diabetes-mellitus, Herz-Kreislauf, Sarkoidose) und entsprechender Dauermedikation (ASS 100, Metformin, Prednisolon, Insulin), stellte sich in der Abteilung für Parodontologie mit einem problematischen Befund am ersten unteren rechten Molar vor. Der Zahn war mit einer Keramikteilkrone versorgt. Aufgrund der radiologisch erkennbaren periapikalen Läsion und des marginalen zirkumferenten Knochenverlusts von ca. 5 mm (Abb. 2) wurde der Entschluss gefasst, Zahn 46 zu extrahieren (Abb.  3) und mit einer implantatgetragenen Versorgung zu ersetzen. Alle notwendigen Therapieschritte sollten wegen der oben genannten Polypharmazie und der hohen Patientenmorbidität minimalinvasiv ablaufen. Die Implantation war erst nach der Ausheilung des Defekts vorgesehen. Um einem Gewebekollaps während der Ausheilung entgegenzuwirken und den marginalen Höhenverlust des krestalen Knochens vor allem bukkal zu kompensieren, sollten nach der Extraktion Maßnahmen zum Erhalt des knöchernen Umfangs des Alveolarkamms getroffen werden.

Unter den zahlreichen Behandlungsoptionen zum Alveolarkammerhalt nach Zahnextraktion wird bislang vor allem die Auffüllung der Alveole mit allogenen oder bovinen Knochenpartikeln und die konsequente Abdeckung des Augmentats (zum Beispiel mit einer Kollagenmembran, einem Kollagenfleece oder durch Socket-Seal) empfohlen.17
Das zuckervernetzte Kollagen in Ossix Bone (Regedent) weist eine ausgeprägte Resilienz gegen bakterielle Enzyme auf.18 Aufgrund dieser Eigenschaft wird für die Alveolenversorgung im Vergleich zu den bislang angewendeten Behandlungsoptionen ein vereinfachtes, schlankes und minimalinvasives Protokoll ermöglicht.
Dieses Protokoll sieht eine offene, per se exponierte Positionierung und Einheilung des Grafts vor, bei der auf eine Lappenpräparation sowie den zusätzlichen Einsatz einer Barrieremembran oder Ähnlichem zur Abdeckung komplett verzichtet wird.

Die Abbildungen 4 und 5 zeigen das „augmentative“ Vorgehen: Nach der schonenden Zahnextraktion unter Aufteilung des Zahns in zwei Segmente und einer gründlichen Degranulierung der Restalveole wird der Kollagenschwamm (5 x 10 x 10 mm) vorsichtig bis zum krestalen Knochenrand flach in die Alveole eingebracht und dabei mit dem Blut aus dem Defekt getränkt (Abb. 4a). Die Haltenaht fixiert unter minimaler Spannung (Abb. 4b) die Wundränder des Weichgewebes und stabilisiert die Position des eingebrachten Schwamms. Dabei bleibt die Oberfläche des Blocks exponiert und bewusst der sekundären Epithelisierung überlassen.

Für die postoperative Nachsorge wird der Pa­tient angewiesen, bis zum vollständigen Wundverschluss dreimal täglich den Mund mit 0,2-prozentiger Chlorhexidinlösung (CHX) zu spülen sowie jegliches mechanische Trauma im Wundgebiet für sieben bis zehn Tage zu vermeiden. Bei jeder Kontrolle in der Klinik erfolgt zusätzlich eine topische Wunddesinfektion mit 3-prozentigem H2O2 und Wattepellets. Nach der Nahtentfernung und bis zum vollständigen epithelialen Verschluss der Wunde wird die lokale Anwendung von CHX-Gel empfohlen. Die erweiterte chemische Prophylaxe im Bereich der versorgten Alveole dient dem Ausschluss mechanischer Irritationen der sekundär heilenden Stelle bis zum Zeitpunkt der kompletten Epithelisierung nach ca. drei Wochen. Diese prophylaktischen Maßnahmen sind ausreichend, um eine dauerhafte Kontamination der exponierten Graftoberfläche zu vermeiden. Die Abbildung 5a zeigt die komplett entzündungsfreie Situation mit bereits einsetzender sekundärer Granulation nach sieben Tagen bei Nahtentfernung. Zu diesem Zeitpunkt war der vernetzte Kollagenschwamm noch völlig intakt. Beim 21-Tage-Recall zeigte sich die Alveole bereits komplett mit Weichgewebe verschlossen (Abb. 5b), die Heilung im weiteren Verlauf blieb unauffällig. Die chirurgische Inspektion mit eingeplanter Implantation folgte nach drei Monaten.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ein gesundes Weichgewebe mit neu gebildeter keratinisierter Gingiva an der ehemaligen Durchtrittsstelle des Zahns 46 beobachtet werden (Abb. 6). Darüber hinaus erschien der ehemalige Extraktionsdefekt vollständig konsolidiert und ohne Anzeichen für vertikale Defizite (Abb. 7a). Die Kieferkammbreite war nahezu ausgeglichen, eine geringfügige bukkale Einziehung behinderte nicht die Wahl des Implantatdurchmessers und die optimierte prothetisch ausgerichtete Positionierung. Die wiederhergestellte Knochenoberfläche wies im Bereich der ehemaligen Alveole eine deutliche Kortikalisierung auf. Lediglich im distalen Aspekt der augmentierten Regio 46 erschien die Oberfläche inhomogen und ließ vermutlich Reste des Augmentats erkennen. Die Implantatinsertion erfolgte im vollständig neuen vitalen Knochen. Die Knochenqualität entsprach der D-2-Kategorie nach Lekholm und Zarb. Die Abbildung 7b zeigt die einblutende Osteotomie nach der Bohrkernentnahme zur histologischen Analyse der Gewebequalität. Das große zirkuläre und in apikaler Dimension zum Mandibularkanal ausreichende Knochenlager ermöglichte die Einbringung eines 10 x 4,8 mm WN-SP-TL-Implantats (Straumann) in optimaler prothetischer Position und in hervorragender Primärstabilität (Abb. 8). Die Einheilung des Implantats erfolgte entsprechend des transgingivalen Protokolls mit einem Gingivaformer beziehungsweise einer 3 mm hohen Einheilkappe (Abb. 9) transmukosal. Die Kontrolle des Implantats im Röntgeneinzelbild lässt die makroskopisch sichtbaren krestalen Kieferkammanteile zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen (Abb. 10).

Die mikroskopische Auswertung der während der Implantation gewonnenen Knochenstanze (Abb. 11) erfolgte nach schonender Entkalkung in Serienschnitten in den Hämatoxylin-Eosin(HE)-, Perjodsäure-Schiff(PAS)- und Trichrom-Färbungen (Abb. 12a bis c). Eine regelrechte Osteoneogenese unter Bildung einer lockeren Spongiosa aus Faserknochen war erkennbar und es konnten Ossix-Bone-Partikel (Ossix Bone, Regedent) in geringfügiger Menge nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich um eine artefaktfreie Biopsie mit seitlich und vertikal angeordneten zarten Spongiosatrabekeln aus zellreichem Faserknochen mit etwas kräftiger gebauten interkonnektierenden Bälkchen in der apikalen Zone der Stanze. Das intertrabekulär lockere bis faserige Bindegewebe, stellenweise gefäßreich mit Sinusoiden, zentral längs verlaufende faserige Bindegewebestreifen, stellenweise Ansammlungen und Säume von Osteoblasten sowie peripher längliche bis rundliche blasig-granuläre Granula, z. T. mit perigranulärer Osteogenese und gegebenenfalls Ossix-Bone-HA-Partikel (Ossix Bone, Regedent), ergänzten das Bild einer anhaltenden appositionellen Knochenneubildung. Osteoklasten konnten nicht nachgewiesen werden (Abb. 12b und c). Die Abbildung 13 dokumentiert den radiologischen Befund der periimplantären Gewebe drei Monate nach Implantateinbringung und zeigt nunmehr auch radiografisch eine vollständige Knochenintegration. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte die definitive Versorgung mit einem individuellen ZrO2-Abutment auf Variobase-Basis (Straumann) und einer zementierten Vollkeramikkrone (Abb. 14). Der Allgemeinzustand und die Polypharmazie des Patienten behinderten weder die Knochenneubildung noch die regelrechte Integration des Implantats.

Fallbericht 2

Laterale Augmentation im UK-Seitenzahn­bereich mit OSSIX Bone plus OSSIX Plus

Der Patient, männlich, 58 Jahre, Nichtraucher, keine Vorerkrankungen, war über mehrere Jahre in Behandlung an der Universität Witten-Herdecke und wurde wegen Zahnverlusts in Regio 46 bis 47 zunächst mit einer Brückenkonstruktion an den Zähnen 45 und 48 versorgt. Aufgrund eines Fistelgangs im lingualen Segment von Zahn 45 wurde in einer chirurgischen Inspektion unter Aufklappung die Nichterhaltungsfähigkeit des Zahns diagnostiziert (Abb. 15). Bei Zahnentfernung sechs Monate später war Zahn 45 apikal-vestibulär ankylosiert und zeigte eine ausgeprägte Osteolyse im lingualen und mesialen Bereich der Wurzel. Vor dem Hintergrund des hoffnungslosen Befunds und der diffizilen Ausgangssituation mit dem N. mentalis direkt unter der Wurzelspitze wurde Zahn 45 durch eine Osteotomie entfernt. Die umfangreiche Ausdehnung des Infektionsgebiets ließ zu diesem Zeitpunkt keine knochenaufbauende beziehungsweise -erhaltende Maßnahme zu. Der Patient äußerte den Wunsch einer festsitzenden implantatgetragenen Versorgung im posterioren UK. Aufgrund des ausgeprägten horizontalen Knochendefizits in Regio 45 und 46 (Abb. 16 und 17) war eine Implantation direkt nicht möglich. Der Patient wurde daher zum lokalen Knochenaufbau in die Abteilung für Parodontologie überwiesen.

Für die laterale Kammaugmentation vor der Implantatinsertion werden in der Literatur eine Vielzahl von Behandlungsprotokollen, -verfahren und -materialien beschrieben. Die meisten basieren auf einem GBR-Ansatz mithilfe von resorbierbaren oder nicht resorbierbaren Membranen. Die verwendeten Knochenaufbaumaterialien umfassen autologen Knochen, Allograft, Xenograft, alloplastische Materialien oder Mischungen daraus, entweder in Blockform oder als Partikel.

Die berichtete Inzidenz von Komplikationen im Zusammenhang mit der lateralen Knochenaugmentation ist hoch. Am häufigsten treten Wunddehiszenzen sowie Membran- und Graftexposition auf, je nach klinischem Protokoll liegt der Anteil solcher Komplikationen bei 5 bis 54 Prozent aller Fälle. Zu den selteneren, aber schwerwiegenderen Komplikationen zählen Infektionen und vollständiger Graftverlust (bei 7 bis 13 Prozent).19

Die laterale Augmentation erfolgte mit Ossix Bone in Kombination mit der Ossix-Plus-Membran (beide Regedent). Dank der schwamm­artigen resilienten Konsistenz können dem Material eine vereinfachte Applizierbarkeit und einfachere Lagestabilisierung im Vergleich zu partikuliertem KEM in dieser Indikation bescheinigt werden. Die vereinfachte Applikation des Schwamms erlaubt zudem eine Schnittführung und ein Lappenprotokoll, die komplett auf die vertikalen Entlastungsinzisionen verzichten, wodurch eine wesentlich verbesserte Blutversorgung des Areals gewährleistet bleibt und das Auftreten von postoperativen Komplikationen minimiert werden kann. In Anbetracht der Austrittsposition des N. mentalis war darüber hinaus die Vermeidung einer Entlastungsinzision im anterioren Abschnitt des OP-Gebiets essenziell.

Nach einer mittig-krestalen Inzision innerhalb der Restgingiva erfolgte die Darstellung des Residualkamms und des Defekts. Das Empfängerlager wurde durch Perforationen der Kortikalis auf die Anlagerung des Ossix-Bone-Blocks (Ossix Bone, Regedent) vorbereitet (Abb. 18a). Wie die Abbildung 18b zeigt, erfolgte zunächst eine Positionierung der Ribose-kreuzvernetzten langzeitstabilen Kollagenmembran (Ossix Plus, Regedent) als Abgrenzung zwischen das Weichgewebe des Lappens und den Blockgraft in den Defekt − und zwar derart, dass der Block nach apikal, lateral und koronal durch die Membran abgedeckt war. Danach wurden der Block (5 x 10 x 10 mm) platziert und die Membran nach lingual unter den etwas mobilisierten lingualen Teil des Lappens eingeschlagen. Hier nicht dargestellt ist die Schlitzung des Periosts im vestibulären Lappenabschnitt, die der Membraneinbringung voranging, um die koronale Verlagerung des Wundrands zur vollständigen Deckung des Weichgewebes spannungsfrei zu ermöglichen. Der Wundverschluss erfolgte durch horizontale Matratzennähte und Einzelknopfnähte mit PTFE-Nahtmaterial (BioTex 4.0, Regedent) (Abb. 18c). Der Patient wurde angewiesen, dreimal täglich mit 0,2-prozentigem CHX zu spülen und die mechanische Zahnreinigung im OP-Gebiet auszusetzen. Zudem bekam er Doxycyclin (200 mg, einmal täglich, über zehn Tage) sowie ein Analgetikum (Ibuprofen, 600 mg, nach Bedarf) verordnet. Der Heilungsverlauf war komplikationslos. Die Abbildung 19 zeigt die Situation nach Nahtentfernung zehn Tage postoperativ.

Die Implantation erfolgte acht Monate nach Augmentation. Das vor dem Eingriff erstellte DVT bewertete das horizontale und vertikale Knochenangebot zu diesem Zeitpunkt als vollkommen ausreichend für eine Implantation vom Typ 4 (ITI)  (Abb. 20, s. Pfeile).

Der Knochendefekt erschien vollständig knöchern konsolidiert und ohne Zeichen eines Volumenverlusts im augmentierten Areal 45 und 46 (Abb. 21). Die Implantatinsertion erfolgte im neuen vitalen Knochen in Regio 45 und 47 (Regio 45: Straumann Bone Level 4,1 x 8 mm; Regio 47: Straumann Bone Level 4,8 x 10 mm) (Abb. 22). Während der Osteotomie in Regio 45 wurde vor der Implantateinbringung eine kurze Knochenstanze von krestal entnommen (Abb. 23).

Die nach schonender Entkalkung und HE- sowie PAS-Färbung der Schnitte durchgeführte mikroskopische Analyse zeigte einen kompakten lamellären Knochen mit einigen Fragmenten von Spongiosa (Abb. 23a bis c). Der kompakte zellreiche Lamellenknochen mit Zementlinien wies eingebettete Reste von Faserknochen auf (Abb. 23b). Außerdem waren Fragmente aus lamellärer Spongiosa mit Osteonen sichtbar (Abb. 23c). Knochen­ersatzmaterial und Membranreste im neuen Gewebe wurden zum Zeitpunkt der Biopsieentnahme nicht gefunden.

Vier Monate nach Implantation wurde im Rahmen der Implantatfreilegung das Areal zur Kontrolle der Knochendimension etwas freigelegt. Eine stabile vitale kortikale Knochenstruktur in ausreichender Dimension begrenzte die Implantate nach bukkal (Abb. 24a bis b). Die Abbildung 25 zeigt eine gesunde Gewebesituation nach Nahtverschluss um die Gingivaformer herum mit geringen Anteilen an keratinisierter Mukosa lingual und bukkal der Gingivaformer. Die definitive Versorgung erfolgte durch die Überweiser in Form von zwei verblockten verschraubten ZrO2-Kronen auf individuellen Abutments (Abb. 26).

Schlussfolgerungen

Zuckervernetzte Kollagen-Kompositgrafts weisen eine hochorganisierte schwammartige resiliente Konsistenz auf. Im Vergleich zu anderen Graftmaterialien wird so die Applikation erleichtert und zudem eine bessere Lagestabilität nach Augmentation erzielt. Die Vorteile bei der Handhabung der mit Ribose kreuzvernetzten Kollagen-Kompositgrafts sowie das eindeutig ausgeprägte Ossifikationsverhalten eröffnen Wege für klinische Protokolle mit wenig invasiven Lappentechniken, die das Risiko von postoperativen Komplikationen minimieren.

Bei gutem und sicherem Volumenerhalt entsteht sowohl klinisch als auch histologisch eine stabile und vitale Knochenstruktur, die ab drei Monate nach Einbringung als langzeitstabiles Implantatlager genutzt werden kann.

Aus dieser Analyse schließen wir, dass das Material für eine offene Heilung einer Extraktions­alveole geeignet ist und ebenso zusammen mit einer zuckervernetzten Membran effizient für eine laterale Augmentation in einem defizienten posterioren Unterkiefer eingesetzt werden kann.

Danksagung

Die Autoren danken Frau van Dyck für die technische Assistenz bei der Aufbereitung der Proben.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Anton Friedmann, Dr. Vlasios Goulioumis, beide Witten, und Prof. Dr. Werner Götz, Bonn

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Implantologie 2/20 Implantologie

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