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MHH-Forscher weisen Autoimmunerkrankung als Ursache schwerer Lähmungen nach

Kribbeln an den Händen, Taubheitsgefühle in den Füßen, Schmerzen – diese Beschwerden treten auf, wenn die Nerven in Armen und Beinen geschädigt sind. Ursachen solcher Polyneuropathien sind meist Diabetes oder Alkoholismus. Sind Nerven betroffen, die Muskeln steuern, treten Lähmungen an Armen und Beinen auf, die Betroffene langfristig völlig bewegungsunfähig machen können. Prof. Dr. Thomas Skripuletz, Neuroimmunologe an der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), fand nun eine ganz andere Ursache heraus: Bei jedem vierten Patienten mit diesem in der Neurologie häufig auftretenden Krankheitsbild stellten die Ärzte das sogenannte Sjögren Syndrom als Auslöser fest. Die Ergebnisse der Kooperationsarbeit zwischen den MHH-Kliniken für Neurologie, Immunologie und Rheumatologie und der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO) sind in der Fachzeitschrift „Frontiers in Immunology“ veröffentlich und steht bei PubMed online zur Verfügung, so eine Meldung auf idw online.

Das verkannte Sjögren Syndrom

„Das Sjögren Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, die in erster Linie die Tränendrüsen in den Augen und die Speicheldrüsen im Mund angreift“, erklärt Prof. Dr. Torsten Witte, Rheumatologe an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie und ausgewiesener Experte auf dem Gebiet. Doch auch Lunge, Nieren und Nervensystem können betroffen sein. „Bislang war allerdings nicht bekannt, dass das Sjögren Syndrom schwere Polyneuropathien auslösen kann“, sagt der Rheumatologe. Das Problem: Patienten mit der üblichen Sjögren-Symptomatik – trockener Mund, trockene Augen und Durchblutungsstörungen – werden bislang vor allem von Rheumatologen behandelt, denen das Sjögren Syndrom vertraut ist.

In der Neurologie unbekannt

Patienten mit schweren Lähmungen werden dagegen in neurologische Kliniken eingewiesen, wo das Krankheitsbild Sjögren Syndrom weitgehend unbekannt ist. „Da vor allem ältere Menschen betroffen sind, sehen viele Ärzte die Erkrankung einfach als Alterserscheinung“, erläutert Dr. Tabea Seeliger, Assistenzärztin der MHH-Klinik für Neurologie und Mitautorin.

In der Klinik für Neurologie der MHH ist Prof. Skripuletz vor etwa vier Jahren auf einen möglichen Zusammenhang gestoßen. Seitdem ist der Test auf das Sjögren Syndrom bei Patienten mit einer Polyneuropathie Routine. Innerhalb von zweieinhalb Jahren erkannten die Neurologen bei 44 von 184 Patienten die Autoimmunerkrankung als Ursache für die Beschwerden. Für die Diagnose testen die Mediziner die Tränen- und Speichelproduktion des Patienten. Zusätzlich muss im Blut ein typischer Antikörper nachzuweisen sein. „Etwa die Hälfte unserer Patienten hat diesen klassischen Antikörper jedoch nicht“, stellt der Neuroimmunologe fest. Bei diesen Patienten klärt erst eine nachgewiesene Entzündung der Speicheldrüsen, ob tatsächlich ein Sjögren Syndrom vorliegt. Die dafür notwendige Gewebeprobe der Unterlippe entnehmen Ärzte der HNO-Klinik.

Fortschreiten der Krankheit verhindern

Die Diagnose Neuro-Sjögren bedeutet für Patienten mit schwerer Polyneuropathie mehr als eine bloße Ursachenforschung. Durch Behandlung des überreagierenden körpereigenen Abwehrsystems mit immununterdrückenden Medikamenten konnten die Neurologen bei vielen Patienten ein Fortschreiten der Erkrankung verhindern und sogar die schweren Behinderungen bessern. Jetzt arbeiten Skripuletz und sein Team daran, niedergelassene Ärzte und Kliniker für die verschiedenen Ausprägungen der Krankheit zu sensibilisieren.

Außerdem ist weitere Forschungsarbeit geplant. „Das Sjögren Syndrom  kann den Hörnerv schädigen, Konzentrationsstörungen hervorrufen und sogar Schlaganfälle verursachen“, sagt der Mediziner. Projekte in Kooperation mit der HNO-Klinik, dem Institut für Neuroradiologie, der Klinik für Augenheilkunde und der Neuropsychologie der MHH sollen diese Zusammenhänge aufklären. Gemeinsam mit der Klinik für Immunologie und Rheumatologie will Skripuletz nach Markern für weitere Antikörper suchen, die für das Sjögren Syndrom typisch sind.

Das Titelbild zeigt (von links) Prof.  Thomas Skripuletz, Dr. Tabea Seeliger und Prof. Torsten Witte mit dem „Schirmer Test“, der die Tränenproduktion misst. Bild: MHH/Karin Kaiser
Quelle: MHH Interdisziplinär Zahnmedizin

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