Der Jahresbestpreis der Deutschen Gesellschaft für Aligner Orthodontie (DGAO), der am ersten Märzwochenende auf dem DGAO-Kongress verliehen wurde, geht ins Rheinland. Preisträgerin ist Prof. Anna-Christin Konermann von der Poliklinik für Kieferorthopädie der Universität Bonn.
Gemeinsam mit ihren Co-Autoren Dr. Jörg Schwarze (Privatpraxis Dr. Schwarze, Köln) und Hannah Muders (Poliklinik für Kieferorthopädie) sowie Prof. Christoph Bourauel und Dr. Ludger Keilig von der Oralmedizinischen Technologie des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Bonn untersucht sie in der nun geförderten Studie, wie die 3-D-Planung der Alignertherapie mittels systemeigener Software, dem sogenannten ClinCheck, und deren klinische Umsetzung übereinstimmen. Weiterhin geht das Forschungsteam um Prof. Konermann der Frage hinsichtlich ungewollter, systemimmanenter Nebenwirkungen nach.
Die Studie hat den Titel „Effekte der beidseitigen Distalisation von Oberkiefermolaren mittels Alignern auf die Verankerungs- sowie die Bewegungseinheit bei unterschiedlichem Staging der Distalisierungsstrecke“. Dazu führ Prof. Konermann aus: „Bei Patienten mit Engstand, vor allem in der sichtbaren Oberkieferfront, können die Oberkiefermolaren mittels Alignern auf dem Zahnbogen distalisiert werden.“ An dieser Patientengruppe untersuchen die Forscher nun drei Aspekte :
1. ob die Molaren klinisch tatsächlich in dem Ausmaß distalisiert werden wie im ClinCheck geplant und simuliert,
2. ob auf diese Effizienz der Wechselrhythmus der Schienen einen Effekt hat und,
3. ob diese Krafteinwirkung auf die Seitenzähne auch ungeplante Nebeneffekte auf die Frontzähne hat, sprich, diese durch ungewollte Krafteinwirkung lockerer werden.
Vergleich von Planung und Ergebnis
„Diese Aspekte erforschen wir durch Scans der Kiefer und 3-D-Überlagerung mit dem ClinCheck mittels Spezialsoftware sowie durch Messungen an den Frontzähnen mit einem an der Universität Bonn entwickelten speziellen Messgerät, dem IOB (Intraoralen Belastungsgerät), mit dem ich schon mehrere Studien gemeinsam mit Prof. Bourauel und Dr. Keilig publiziert habe“, erklärt die Zahnmedizinerin. „Meine beiden Kollegen haben das IOB entwickelt, und sie sind seit Jahren zwei meiner engsten Forschungspartner, mit denen schon viele hervorragende Projekte entstanden sind. Wir sind ein sehr gutes Team.“
Qualität durch wissenschaftliche Fundierung
Die Aligner Therapie war bei ihrer Markteinführung 1999 in ihren Einsatzmöglichkeiten noch beschränkt auf sehr leichte Fehlstellungen, wie zum Beispiel einen Engstand in der Front. „Durch kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems – auch mithilfe wissenschaftlicher Studien wie unserer aktuellen – ist das Invisalign System als nahezu gleichwertig zur Standardbehandlung mit Multiband anzusehen. Nahezu deshalb, weil für sehr komplexe Fälle viel Erfahrung als Behandler notwendig ist, um diese Fälle genauso gut wie mit Multiband zu therapieren. Bei bestimmten Fällen bleibt jedoch weiterhin die Multibandapparatur das Therapiemittel der Wahl und kann nicht durch Aligner ersetzt werden.“
Vorteile der Schienentherapie sieht die Kieferorthopädin vor allem im Tragekomfort: Die Schienen sind nahezu unsichtbar, sie können vor dem Essen und Zähneputzen herausgenommen werden, reizen die Schleimhaut nicht, ermöglichen eine uneingeschränkte Zahnpflege und sind nickelfrei. Dennoch ist eine Patientencompliance unabdingbar, da die Schienen permanent getragen und regelmäßig gewechselt werden müssen. Bei korrektem Tragen lässt sich ein Zahn so um bis zu circa 0,2 mm pro Schiene bewegen. „Wir erforschen, ob kürzere Strecken bei schnellerem Wechsel der Schienen effektiver sein können, da hierbei die Kontrolle der Bewegung über die Schiene kleinschrittiger und deshalb genauer ist, so unsere Mutmaßung.“ Doch auch bei sanften Krafteinwirkungen gilt, wie bei jeder Bewegung: actio = reactio. Prof. Konermann erklärt das so: „Wird ein Zahn mittels Multibandapparatur in eine Richtung bewegt, erfolgt gleichzeitig eine Abstützung mit Druckausübung auf den Gegenzahn. Vorteil der Schienen ist, dass sich jede Bewegung durch die Blockbildung der Schiene am gesamten Zahnbogen abstützt, mit potenziell weniger Nebenwirkungen auf die Einzelzähne. Ob dem so ist, untersuchen wir ebenfalls.“
Prof. Konermann arbeitet in ihrer Aligner-Forschung eng mit dem Kölner Kieferorthopäden Dr. Jörg Schwarze zusammen. „Ich schätze meinen Kollegen Jörg Schwarze sowohl beruflich als auch persönlich sehr. Er ist in meinen Augen einer der Pioniere der Aligner Orthodontie in Deutschland und seit Markteinführung Anwender des Invisalign-Systems und an dessen Weiterentwicklung beteiligt. Die Zusammenarbeit mit ihm ist wirklich hervorragend.“
Prof. Anna Konermann ist die erste und bis dato einzige weibliche Professorin in der Geschichte des Zentrums für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Sie hat den Jahresbestpreis der DGAO, welcher alle zwei Jahre verliehen wird, am Samstag, 6. März 2021, auf dem DGAO-Kongress entgegengenommen. Die Kieferorthopädin betont, dass die Alignerorthodontie ein sehr komplexes Therapieverfahren ist und dessen Anwendung viel klinische Expertise sowie unabdingbar eine Fachzahnarztweiterbildung erfordert.