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DH Birgit Schlee zur Behandlung von Patienten mit Drogenproblemen und Depressionen in der Zahnarztpraxis

(c) Lightspring/Shutterstock.com

Die Identifizierung von Suchterkrankungen oder Depressionen bei Patientinnen und Patienten in der Zahnarztpraxis erfordert eine sorgfältige Beobachtung, Kommunikation und lückenlose Anamnese. Aber sie ist essenziell, um die Patienten risikogerecht behandeln zu können.

Als Risikopatienten werden oft nur Patientinnen und Patienten betrachtet, die harte Drogen oder Antidepressiva konsumieren. Jedoch kann man bei jeglichem Konsum von weichen und harten Drogen Zusammenhänge zu Erkrankungen im Mund feststellen. Entweder nehmen die Substanzen direkten Einfluss auf die Mundhöhle, oder es kommt zu systemischen Effekten, die sich wiederum negativ auf die Mundgesundheit auswirken.

Verbreitung von Sucht und Depression

Laut repräsentativen Umfragen wie dem Epidemiologischen Suchtsurvey 2021 rauchen in Deutschland rund 11,6 Millionen Menschen, 1,6 Millionen sind alkoholabhängig und gemäß Schätzungen sind bis zu 2,9 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Schlaf- und Beruhigungsmittel machen mit 70 Prozent den Großteil der Medikamentenabhängigkeiten aus. Aber auch Schmerzmittel weisen ein erhebliches Suchtpotenzial auf. Rund 1,3 Millionen Deutsche konsumieren Cannabis und illegalen Drogen in problematischen Mengen. Und noch einmal so viele gelten als spielsüchtig.

Der Konsum von Zigaretten, E-Zigaretten, Shisha, Energydrinks, Medikamenten und Alkohol gehören bei vielen Patienten zum täglichen Lifestyle. Und bereits junge Menschen missbrauchen Stimulanzien wie Ritalin und das Opioid Tilidin, die sie entweder im Zusammenhang mit Therapien verschrieben bekommen oder als Drogen konsumieren, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.

Depressionen wiederum (teilweise mit Medikation von Antidepressiva) gehören zu den weitverbreitetsten Erkrankungen in Deutschland. Im Laufe eines Jahres erkranken insgesamt 8,2 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 bis 79 Jahren an einer Depression (Jacobi et al., 2016).

Und all diese Patientinnen und Patienten bringen ein erhöhtes Komplikationsrisiko in die zahnärztliche Behandlung mit. Sie bedürfen daher einer besonderen Fürsorge.

Auswirkung von Tabak- und Rauchwaren auf die Mundgesundheit

Der Konsum von Tabakerzeugnissen führt zu einer schlechteren Durchblutung, erhöht die Entzündungsneigung und beeinträchtigt die Heilung von Wunden. Er verzögert die Pellikelbildung und führt zu einer Verschiebung der Bakterienflora. Die Speichelzusammensetzung und -qualität wird verändert, was das Risiko von Parodontitis, Karies, Mundgeruch und Mundtrockenheit sowie Pilzerkrankungen erhöht. Zusätzlich kann es zu starken Farbablagerungen und Verfärbungen der Zahnoberfläche und Pigmentierung der Mundschleimhaut kommen.

Auch Mundhöhlenkrebs weist eine direkte Verbindung zum Rauchen auf. Außerdem wird das Hungergefühl unterdrückt und es kann aufgrund von Störungen der Darmflora oder Darmerkrankungen zu Nährstoffmangel führen.

Alternative Tabak- und Rauchwaren wie Snus, E-Zigaretten oder Shishas manifestieren sich ebenfalls in Schleimhautveränderungen (zum Beispiel orale Leukoplakie), Karzinomen oder parodontalen Erkrankungen.

Anzeichen und Folgen von Alkohol

Im Falle von Alkoholismus ist es für uns meist schwer zu erkennen, ob bei unseren Patienten bereits eine manifestierte Erkrankung vorliegt. Denn körperliche Anzeichen und gesundheitliche Probleme treten erst nach einem langen Konsum auf, wie zum Beispiel:

  • Blutgerinnungsstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme, Lebererkrankungen, Pankreatitis, Fettleber, Neurologische Störungen, Mangelernährung, Nierenprobleme
  • Äußerlich kann es zu neurologischen Störungen, zum Beispiel Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination/Laufen) und Gedächtnisverlust, starkem Körpergeruch, Hautproblemen wie Gelbsucht, Rosazea oder Ekzeme kommen.

Oral äußert sich der Alkoholkonsum oft in Erosionen am Zahnschmelz (durch den Säuregehalt von Spirituosen und Magensäure) sowie Mundgeruch.

Auch „weiche“ Drogen hinterlassen ihre Spuren

Der Missbrauch von Drogen bringt vielfältige Risiken für die Mundgesundheit mit. Besonders kritisch ist der Konsum von Methamphetamin: die enthaltenen giftigen Substanzen wie Ammoniak, Phosphor, Batteriesäure, Abflussreiniger, Farbverdünner können den Zahnschmelz erheblich schädigen und die Zähne abfaulen lassen. Es kommt außerdem zu Mundtrockenheit, Karies und Zahnfleischerkrankungen.

Aber auch die sogenannten weichen Drogen hinterlassen ihre Spuren im Mund. Der regelmäßige Konsum von Cannabis schädigt vor allem das Zahnfleisch und begünstigt parodontale Erkrankungen. Hinzu kommen die Auswirkungen des Tabaks, mit dem das Cannabis meist gemischt wird. Außerdem fördert Marihuana die Lust auf Süßes. Häufige „Fressflashs“ und eine vernachlässigte Mundhygiene erhöhen das Kariesrisiko enorm.

Ernährungsprobleme

Essstörungen wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa beeinträchtigen ebenfalls die Mundgesundheit. Bei Bulimie verursacht die wiederholte Magensäureexposition Erosionen an den Innenseiten der Oberkieferzähne, was zu Zahnempfindlichkeit führt. Bulimische und anorektische Patienten leiden zudem oft an Mangelerscheinungen und Elektrolytstörungen, die die orale Gesundheit negativ beeinflussen können.

Depressionen – oft werden alltägliche Aufgaben vernachlässigt

Obwohl fast jeder fünfte Deutsche im Laufe seines Lebens davon betroffen ist, wird häufig noch über die Erkrankung geschwiegen. Sogar Patientinnen und Patienten, die von außen erfolgreich und glücklich erscheinen, können ernsthafte Depressionen haben und medikamentös behandelt werden. Aus Scham erwähnen nicht alle Patientinnen und Patienten bei der Anamnese diese Erkrankung.

Wer zu Depression neigt, vernachlässigt oft alltägliche Aufgaben, einschließlich der Mundhygiene. Hinzu kommen häufig ungesunde Ernährungsgewohnheiten, zum Beispiel der Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln sowie der übermäßige Verzehr von Stimulanzien wie Kaffee oder Energydrinks, die auf lange Sicht Karies, Erosionen und Zahnfleischerkrankungen fördern. Als Nebenwirkung von Antidepressiva kommt es häufig zu Mundtrockenheit.

Prophylaxe bei Sucht- und depressiven Patienten

Aufgrund der vielen Erkrankungsparameter wie erhöhter Entzündungsneigung, reduziertem Immunsystem und unzuverlässiger Mundhygienebereitschaft sollten Patientinnen und Patienten mit Suchtproblemen und Depressionen in der Prophylaxe sehr engmaschig geführt werden.

Der Beratung, Motivation und mehrfachen Instruktion über Putztechnik und Hilfsmittel kommt eine sehr große Bedeutung zu. Hier lautet die Devise „weniger ist mehr“: Die Patientin/der Patient braucht einfache Instruktionen mit fluoridhaltigen und basischen Zahnpasten und Spülungen. Zusätzliche kann der Einsatz von Pflegeprodukten und Ölen die Mundtrockenheit lindern. Probiotika unterstützen die Regeneration der Mikroflora.

Sinnvoll sind auch eine Überprüfung der Darmgesundheit und möglicher Nährstoffdefizite. Zusätzlich sind eine intensive parodontale Diagnostik mit klinischer Sichtkontrolle, Messung von PSI und Taschentiefen sowie regelmäßige Röntgenbilder wichtig, um ein schnelles therapeutisches Eingreifen zu gewährleisten.

Bei multiplen Medikationen und multiplen Allgemeinerkrankungen ist eine Zusammenarbeit mit der Hausarzt ratsam.

Über kleine Schritte zum langfristigen Erfolg

Bei der Behandlung dieser Risikopatientinnen/-patienten ist vor allem eines wichtig: Vertrauen. Sie brauchen eine besondere Fürsorge und Zeit bei der Motivation, Instruktion und Begleitung. In der Behandlung sollte daher mit kleinen Schritten behutsam vorgegangen und immer wieder kleine Erfolge sichtbar gemacht werden.

Beim ersten Termin in der Praxis sollte nur eine Beratung erfolgen, der Bestand aufgenommen, die Situation mit der Patientin/dem Patienten besprochen und ihr/ihm erklärt werden, wie die Behandlungsabfolge aussieht. Im nächsten Schritt könnte dann eine Zahnsteinentfernung oder Prophylaxesitzung zur Verbesserung der Kosmetik erfolgen – falls die/Patientin/der Patient keine akuten Schmerzen hat. So sieht und spürt sie/er bereits zu Beginn ein positives Ergebnis.

Um mögliche Schmerzen zu reduzieren oder auszuschalten, sollten Möglichkeiten der Schmerzausschaltung wie Anästhesie, Lachgas, Sedierung oder Hypnose besprochen werden.

Zur normalen Mundhygiene zurückführen

Ermutigung und Bestärkung können helfen, Patientinnen und Patienten zu einer normalen Mundhygiene zurückzuführen. Diese sollten von Anfang an gelobt werden, dass sie überhaupt den Schritt gewagt haben, in die Praxis zu kommen. Sie sollten das Gefühl bekommen, dass das Praxisteam für sie da ist und keiner über sie beziehungsweise ihren Mundzustand urteilt. Darum sollte möglichst kein Behandler- oder Mitarbeiterwechsel stattfinden.

Zur zusätzlichen Motivation kann es helfen, der Patientin/dem Patienten geeignete Mundhygieneartikel zu schenken. Bei einem guten Vertrauensverhältnis können diese Patientinnen/Patienten – step by step – auch zu größeren Behandlungen und einer entspannten, langfristigen und engmaschigen Betreuung geführt werden.

DH Birgit Schlee, Heilbronn

Birgit Schlee ist erfahrene Dentalhygienikerin, Referentin und Unternehmerin. Sie schult nicht nur Zahnarztpraxen in den Bereichen (Bio-)Prophylaxe und Nachhaltigkeit, sondern bietet auch spezielle Kurse zur Mundhygiene für Pflegefachkräfte gemäß Expertenstandard an.

Weitere Infos auch unter den Telefonnummern (0 71 31) 40 53 593 und  (01 72) 6 27 68 67 sowie per Mail an info@schlee-dentalhygiene.de

Quelle: Quintessence News Parodontologie Prävention und Prophylaxe Patientenkommunikation Team

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