Bei Patienten mit schweren parodontalen Erkrankungen sollte auch auf psychosoziale Faktoren wie Depressionen oder Stress geachtet werden. Je nach Situation kann eine psychologische Untersuchung und Unterstützung für Patienten mit aggressiver oder chronischer Parodontitis erforderlich sein. Das zeigt eine Studie aus Paris, die Ende Juni 2018 auf der EuroPerio9 in Amsterdam vorgestellt wurde (EuroPerio9 Abstract O024, Type A behaviour pattern, stress and emotional vulnerability are associated with more severe aggressive periodontal diseases).
Bislang kein klares Bild zu Zusammenhängen
Dr. Sébastian Jungo, Parodontologische Klinik des Descartes Universitätsklinikums in Paris, erläuterte, dass bisherige Studien kein klares Bild zur Frage möglicher Zusammenhänge oder Assoziationen zwischen Parodontitis und psychosozialer Faktoren gezeigt hätten. Ziel seiner Studiengruppe sei es gewesen, die Assoziation zwischen klinischen Variablen von Patienten mit aggressiver oder chronischer Parodontitis und einigen psychologischen Faktoren zu untersuchen. Als Faktoren wurden Depression, Stress, emotionale Verletzlichkeit (geringere emotionale Resilienz), eine sogenannte Typ-A-Persönlichkeit (wettbewerbs- und leistungsorientiert, hoch organisiert, straffes Zeitmanagement) und das eigene Kontrollgefühl (Locus of Control) herangezogen.
Klare Assoziationen sichtbar
In der Studie wurde 79 Patienten, davon 22 mit aggressiver und 55 mit chronischer Parodontitis (fast ausschließlich generalisiert), mithilfe von spezialisierten Fragebögen zu ihrer persönlichen und psychischen Verfassung befragt. Parallel dazu wurden sie parodontologisch untersucht, Taschentiefen und klinischer Attachmentverlust erfasst.
Jungo: „Unter Berücksichtigung der Faktoren Alter, Tabakkonsum und Form der Parodontitis – nach der neuen Klassifikation also nach Stadium und Grad – konnten wir feststellen, dass ein klinischer Attachmentverlust von mehr als fünf Millimetern bei allen Patienten mit einer emotionalen Verletzlichkeit assoziiert war. Bei Patienten mit einer aggressiven Parodontitis war er mit Stress und Typ-A-Persönlichkeit assoziiert“.
Erfahrungen des klinischen Alltags bestätigt
Dies sei zwar nur eine kleine Studie und hinsichtlich der möglichen Ursachen für die Verbindung zwischen schweren Parodonalerkrankungen und psychologischen Merkmalen seien noch weitere Forschungen nötig, so Jungo. Aber die Studie sei repräsentativ für das, was Parodontologen in ihrem klinischen Alltag immer wieder beobachteten. Es seien daher nicht nur größere Studien nötig, es sollten zusätzlich zu psychologischen Tests auch die Entzündungsmarker betrachtet und untersucht werden.
Psychologische Faktoren berücksichtigen und Hilfe empfehlen
„Aus unserer Sicht ist es wichtig, bei Patienten mit schnell fortschreitenden Parodontalerkrankungen auch die psychologischen Faktoren zu untersuchen. Patienten mit einer Typ-A-Persönlichkeit, Depressionen, anhaltendem negativen Stress oder emotionaler Verletzlichkeit sollte das zahnmedizinischen Team auch eine psychosoziale Unterstützung und Hilfe empfehlen“, so Jungos Fazit.
Referenzen
EuroPerio9 Abstract O024, Type A behaviour pattern, stress and emotional vulnerability are associated with more severe aggressive periodontal diseases. Vorgestellt in der Session zu Psychosozialen Faktoren am 21. Juni 2018
Perruzzo, Daiane et al. 2007, A Systematic Review of Stress and Psychological Factors as Possible Risk Factors for Periodontal Disease. Journal of periodontology. 78. 1491-504. 10.1902/jop.2007.060371.
McCracken, G. 2009. Positive relationship between stress and periodontal disease? Nature summary review
Araújo, Milena et al. Association between depression and periodontitis: a systematic review and meta‐analysis. First published: 6 January 2016. https://doi.org/10.1111/jcpe.12510