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Eine kritische Darstellung von Möglichkeiten und Alternativen

Im Anschluss erfolgte die Fixierung mit einer adhäsiv verankerten Schiene in der neuen koronaleren Position für ca. 8 Wochen.

Zahntraumata sind häufige Unfallfolgen im Gesichtsbereich. Durch die Zunahme von risikointensiven Sportarten wurde ein Anstieg der Zahntraumata über die vergangenen Jahre beschrieben. Fast 50 Prozent aller Kinder und Jugendlichen erleiden vor dem 17. Lebensjahr ein Zahntrauma1. Es ist beschrieben, dass es Häufigkeitsmaxima gibt, wie zum Beispiel zwischen dem 3. und 4. Lebensjahr. Hierbei handelt es sich um traumatische Verletzungen von Milchzähnen, bei denen die Therapie in der Regel minimal ausfällt, um die Anlagen der bleibenden Zähne zu schützen. Zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr zeigt sich ebenfalls ein Maximum. Auch im typischen Pubertätsalter von 16 Jahren1 ist eine erhöhte Inzidenz an Zahntraumata beschrieben. Meistens sind die mittleren Schneidezähne im Oberkiefer betroffen, deutlich weniger schon die lateralen Inzisivi oder Schneidezähne im Unterkiefer. Mehrwurzelige Zähne sind in der Regel nicht betroffen2−3. Es sind Risikofaktoren beschrieben, wie starker Overjet, männliches Geschlecht oder das Ausüben von Risikosportarten4. Die Autoren Prof. Dr. Stefan Fickl, Dr. Eva Wirschung und Dr. Ralf Krug beschreiben und diskutieren in ihrem Beitrag für die Parodontologie 3/2020 die Indikationen resektiver parodontaler Therapien nach Kronen-Wurzel-Frakturen.

Prinzipiell kann man zwei Arten von Zahnverletzungen unterscheiden, die natürlich auch kombiniert vorkommen können5−6. So können als eine große Gruppe Frakturen der Zahnhartsubstanz auftreten (Schmelz, Dentin, Wurzelzement). Als zweite große Gruppe werden Dislokationen beschrieben, welche bis zur kompletten Avulsion des Zahns reichen. Meistens bedingen Dislokationsverletzungen eine Schienung zur Ruhigstellung des Zahns und in vielen Fällen eine endodontische Therapie. Bei Zahnfrakturen sollte man prinzipiell zwischen einer Zahnkronenfraktur und einer Wurzelfraktur unterscheiden. Die Zahnkronenfraktur kann meist alleinig restaurativ behandelt werden, während die Wurzelfraktur je nach Lokalisation meist eine chirurgische Intervention nötig macht. Die in diesem Artikel spezifisch behandelten kombinierten Kronen-Wurzel-Frakturen kommen jedoch eher seltener vor. Daten zeigen, dass ca. 12 Prozent aller Frakturen des bleibenden Gebisses Kronen-Wurzel-Frakturen sind7. Allerdings sind diese Kronen-Wurzel-Frakturen in der Regel am kompliziertesten zu behandeln, da endodontische, parodontale und restaurative Fragestellungen berücksichtigt werden müssen. Aus Sicht der Parodontologie sind die subgingivalen oder sogar subkrestalen Frakturen am kritischsten zu bewerten, da eine invasive resektive Chirurgie mit Entfernung von gesundem Hart- und Weichgewebe zur Restauration abgewogen werden muss.

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Notwendigkeit resektiver parodontaler Therapie bei Kronen-Wurzel-Frakturen

Die resektive parodontale Therapie bezeichnet sowohl die Exzision von Weichgewebe als auch die Entfernung von zahntragendem Knochen zur Verbesserung des Zugangs zum Defekt und zur besseren Retention einer Restauration. Diese Therapieform ist wissenschaftlich sehr gut dokumentiert und findet im Seitenzahnbereich zur Verbesserung der Retention der Restauration häufig Anwendung8. Bei einer Kronen-Wurzel-Fraktur liegt die Frakturlinie meist subgingival und in manchen Fällen auch subkrestal. Dies impliziert eine resektive chirurgische Therapie zur Wiederherstellung von physiologischen parodontalen Verhältnissen. Allerdings kommen Kronen-Wurzel-Frakturen in der Regel im Frontzahngebiet vor und die Prognose des zu restaurierenden Zahns ist ebenfalls eingeschränkt. Daher sollte die invasive resektive Therapie nur nach genauer Abwägung in diesen Fällen erfolgen.

Prinzipiell sind zwei Indikationen zur resektiven Therapie bei Kronen-Wurzel-Frakturen denkbar: erstens die Einhaltung der biologischen Breite bei der Fixation eines Fragments (ausreichender Abstand eines Restaurationsrands vom Limbus alveolaris) und zweitens ein ausreichender Ferrule-Effekt zur langfristigen Stabilisierung des Aufbaus. Diese beiden restaurativen Ansätze müssen – gerade im ästhetisch kritischen Frontzahngebiet – der resektiven parodontalen Therapie gegenübergestellt werden, denn bei diesem Eingriff werden gesunde Hart- und Weichgewebestrukturen entfernt. Die Einhaltung der biologischen Breite geht zurück auf wissenschaftliche Untersuchungen von Gargiulo et al. aus dem Jahr 19619. Die biologische Breite wurde erst einige Jahre später als ein histologischer Begriff definiert, nämlich als Zone des epithelialen und des bindegewebigen Attachments10. Hier wurde das Konzept aufgestellt, dass dem bindegewebigen Attachment als Abschluss vor dem Knochen größte Bedeutung für die Gewebeintegrität zukommt10. Die neue parodontale Klassifikation des Jahres 2018 benennt die „biologische Breite“ in den klinisch besser geeigneten Begriff „suprakrestales befestigtes Gewebe“ um11.

Einige Arbeiten beschreiben das Verletzen des suprakrestalen befestigten Gewebes, zum Beispiel durch einen zu tiefen Präparationsrand oder eine tiefe Füllung, als nachteilig für die parodontale Gesundheit, einhergehend mit einem Entzündungsgeschehen, wie Blutung und Schwellung an den parodontalen Stützgeweben, sowie Attachmentverlust12−15. Auch beschreiben einige Autoren eine Abhängigkeit der parodontalen Reaktion vom Ausmaß der Verletzung der biologischen Breite in Bezug auf die Tiefe und Suffizienz des Restaurationsrands16−17. Aus der Sicht der Literatur sollte im Fall der Kronen-Wurzel-Fraktur der Bruchspalt also mindestens 2−3 mm koronal zum Limbus alveolaris zu liegen kommen, um das suprakrestale befestigte Gewebe nicht zu verletzen, aber auch gleichzeitig, um ein suffizientes Trockenlegen zu ermöglichen18.
Ein zweiter entscheidender Punkt in der Restauration einer Kronen-Wurzel-Fraktur ist der Ferrule-Effekt zur Fixation einer Restauration oder eines Bruchfragments. Der Ferrule-Effekt bezeichnet das Minimum an koronaler Zahnhartsubstanz zur Restaurationsfähigkeit eines Zahns. Diese Forderung entstand aus der postend­odontischen Prothetik, sodass der Rand einer Restauration mindestens durch eine 2 mm lange Dentinzone gefasst wird, um die Friktion der Krone sicherzustellen19. In zahlreichen Studien wurden allerdings häufig substanzopfernde Aufbaumaterialien, wie metallische Stiftaufbauten oder Metallstifte, verwendet20−21.

Resektiv versus konservativ

In der Zeit der adhäsiven Verankerung muss jedoch die Forderung nach einer grundsätzlichen Fassung von ca. 2 mm an Dentin durch einen Restaurationsrand infrage gestellt werden. Insbesondere bei tief zerstörten Zähnen ist ein Ferrule-Design oft nur durch eine Kronenverlängerung, eine Extrusion oder beides in Kombination erzielbar. Nachteilige Effekte wie Attachmentverlust, Schwächung der Restzahnhart­substanz und ein ungünstigeres Kronen-Wurzel- Verhältnis sind häufig die Folge. Wenn man die Forderungen eines ausreichenden Ferrule-Effekts und einer suffizienten biologischen Breite auf den Bereich der Kronen-Wurzel-Fraktur übertragen würde, dann sollten vom Bruchspalt zirkulär mindestens 2−3 mm Abstand zum knöchernen Limbus vorhanden sein. Dies würde jedoch häufig eine zirkuläre chirurgische Kronenverlängerung mit Entfernung von zahntragendem Knochen und Weichgewebe bedingen. Aus Sicht der Autoren ist diese Therapie im Frontzahngebiet nach Kronen-Wurzel-Trauma jedoch kritisch zu bewerten. Denn erstens führt die Entfernung von zahntragendem Knochen zu einer Einschränkung in den später möglichen Therapien und zweitens kann die Ästhetik durch die Exzision von Gingiva nachhaltig negativ beeinflusst werden. Auch unter Beachtung der wissenschaftlichen Datenlage, dass die Restaurationen nach komplizierten Kronen-Wurzel-Frakturen häufige Komplikationen und prothetisches Versagen zeigen, scheint eine invasive resektive Therapie in dieser Indikation nur in Ausnahmefällen indiziert zu sein22. Aus diesem Grund bieten sich konservative restaurative Techniken (wie zum Beispiel das Ankleben des Fragments unter reiner Lappenelevation) oder Extrusionskonzepte (chirurgische Extrusion und Neuversorgung) an. Sind diese Behandlungen, die sicherlich prognostisch im Bereich der langzeitprovisorischen Versorgung zu sehen sind, nicht erfolgreich, kann über die Extraktion des Zahns und die prothetische Versorgung nachgedacht werden. Im Folgenden sollen Beispiele für die genannten Techniken gezeigt werden.

Adhäsive Fragmentfixation mit und ohne resektive Therapie

Bei einer adhäsiven Fragmentfixation sollten einige Aspekte vor der Therapie beachtet werden. In der Regel beginnt die Hauptfrakturlinie im bukkalen Bereich oberhalb der Gingiva und erstreckt sich dann nach palatinal in einer äqui- oder subgingivalen Position (Abb. 1). Die Frakturverläufe folgen oft typischen Spannungslinien, die zwischen der Region der Krafteinleitung und der Abstützung in der knöchernen Alveole entstehen23. Gerade in diesem palatinalen Bereich entstehen häufig weitere Frakturen, die sich weiter nach apikal erstrecken können24. Sind in diesem Bereich noch Überhänge oder Restfragmente zu entdecken, sollten die Fragmentbefestigung kritisch hinterfragt und gegebenenfalls alternative Methoden evaluiert werden. Denn eine Frakturlinie in diesem Bereich ist häufig ein Indikator für weitere Frakturen und stellt dann die Erhaltungswürdigkeit des Zahns infrage.

Aus parodontaler Sicht muss der Zugang zur Bruchstelle mindestens durch eine Lappenele­vation erfolgen. In einigen Fällen ist auch eine resektive Behandlung von Knochen sinnvoll. Die Einhaltung von klassischen Prinzipien, etwa hinsichtlich des Ferrule-Effekts und des suprakrestalen befestigten Gewebes, bedingt in den meisten Fällen eine resektive Entfernung von zahntragendem Knochen. Hierbei sollte der Kronenrand ca. 2−3 mm vom Limbus alveolaris entfernt sein. Für Kronen-Wurzel-Frakturen, bei denen der subgingivale Bruchspalt palatinal zu liegen kommt, ist eine lokalisierte chirurgische Kronenverlängerung indiziert. Hauptziel der Behandlung ist einerseits die Schaffung eines ausreichenden suprakrestalen befestigten Gewebes und auf der anderen Seite die Möglichkeit der Trockenlegung der Bruchstelle für die adhäsive Befestigung. Hier sollte eine Abwägung zwischen „Opferung“ von gesundem Gewebe und Einhaltung von biologischen Prinzipien wie Ferrule-Effekt und suprakrestalem befestigtem Gewebe durchgeführt werden, denn es muss davon ausgegangen werden, dass die Fragmentbefestigung eine langzeitprovisorische Versorgung darstellt. So berichten eine klinische Studie sowie eine klinische Langzeitunter­suchung zu diesem Thema von einer hohen Komplikationsanfälligkeit dieser Therapie und zeigen eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 66,7 Prozent nach 9,8 Jahren22,25. Die Hauptkomplikationen waren demnach restaurativer Art, endodontischer Art und auch weitere Wurzelfrakturen traten auf.
Aus diesen Gründen sollte die adhäsive Fragmentbefestigung die Therapie der Wahl bei Kronen-Wurzel-Frakturen von jungen Erwachsenen sein. Eine zirkuläre invasive Kronenverlängerung aus knöcherner und weichgeweblicher Sicht sollte jedoch ausbleiben, um Gewebeverlust für eine spätere Therapie zu vermeiden. Die Trocknung des Defekts für die adhäsive Befestigung sowie ein adäquates suprakrestales befestigtes Gewebe sollten im Vordergrund stehen.

Der vorliegende Fall zeigt eine Kronen-Wurzel-Fraktur nach Sportunfall bei einem 18-jährigen Patienten. Der Zahn wurde notfallmäßig provisorisch an die Nachbarzähne geschient und eine endodontische Therapie der Restwurzel abgeschlossen. Aufgrund der ungewöhnlichen Frakturlinie nach bukkal war eine resektive Therapie zur koronalen Freilegung des Fragments indiziert (Abb. 2 und 3). Die Aufklappung erfolgte durch einen Papillenerhaltungsschnitt ohne zusätzliche vertikale Entlastungsinzision (Abb. 4). Bei der chirurgischen Darstellung imponierte eine zweite Frakturlinie im bukkalen Bereich, was auf ein mögliches tiefes Frakturgeschehen hindeutet. Jedoch wurde aufgrund des jungen Alters des Patienten und der Schwierigkeit der Implantation in diesem Alter eine adhäsive Fragmentbefestigung angestrebt. Nach der Entfernung von Restgewebe auf dem Knochen war sichtbar, dass die Frakturstelle ca. 2 mm suprakrestal zu liegen kam und keine knöcherne Resektion notwendig wurde. Nach relativer Trockenlegung mit Fäden und blutstillenden Pellets wurde mit Säure-Ätz-Technik und Dentinbonding das Fragment wieder fixiert (Abb. 5 und 6). Der Lappen wurde reponiert und interproximal mit doppelten Einzelknopfnähten verschlossen (Abb. 7). Zusätzlich wurde zur Koronalfixation der Mukosa eine Aufhängungsnaht durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Nahtentfernung zeigten sich komplikationslose Verhältnisse (Abb. 8). Drei Jahre nach Fragementbefestigung stellte sich der Patient dann erneut mit einer Dezementierung des Fragments vor (Abb. 9) und es wurde eine alternative prothetische Therapie angestrebt. Im vorliegenden Fall fiel die Entscheidung auf den Zahnersatz durch ein Zahnimplantat.

Chirurgische Extrusion der Wurzel

Die chirurgische Extrusion stellt eine weitere Option dar, um bei Zähnen mit Kronen-Wurzel-Fraktur mit einer „Koronalverlagerung“ der Zahnwurzel eine restaurative Versorgung zu ermöglichen. Diese Technik ist besonders bei Zähnen mit weitgehend abgeschlossenem Wurzelwachstum sowie in Fällen, in denen eine Vitalerhaltung des Zahns nicht möglich ist, angezeigt. Bei der auch als intraalveoläre Transposition bekannten Methode wird die Wurzel extrahiert, replantiert und in einer weiter koronal gelegenen Position geschient. Aufgrund des Niveauunterschieds zwischen palatinalem und bukkalem Verlauf von Gingiva und Alveolarknochen kann in manchen Fällen eine Drehung der zu replantierenden Wurzel um 180° vorteilhaft sein. Dadurch muss der Zahn nicht so weit extrudiert werden, bis die Defektgrenzen supragingivale Bereiche erreichen. Bei einer schonenden Extraktion muss nur von einem Reißen der parodontalen Fasern ausgegangen werden und daher darf mit einer parodontalen Heilung ohne Zeichen einer Ankylose gerechnet werden. Allerdings beträgt die Schienungszeit aufgrund der Inkongruenz zwischen Alveole und Wurzelverlauf des koronal replantierten Zahns etwa 6 bis 8 Wochen und dauert damit deutlich länger als bei einer Avulsion unter Idealbedingungen. Aufgrund des Abtrennens des Gefäß-Nerven-Bündels am Apex muss bei der chirurgischen Extrusion zeitnah eine Wurzelkanalbehandlung erfolgen, um das Auftreten von infektionsbedingten Resorptionen auszuschließen. In klinischen Studien konnte die gute Prognose dieser Technik aufgezeigt werden26−29. Die restaurativen Möglichkeiten nach Extrusion der Zahn­wurzel reichen vom direkten Kompositaufbau bis hin zur Überkronung. Sowohl die kiefer­orthopä­dische als auch die chirurgische Extrusion ermöglichen eine „Koronalverlagerung“ der verbliebenen Zahnwurzel. Der Extrusionsbetrag sollte in Abhängigkeit von der Defekttiefe entschieden werden. Dabei sollte bedacht werden, dass einerseits bei Überkronung der Ferrule-Effekt vorhersagbar hergestellt werden kann und andererseits ein Kronen-Wurzel-Verhältnis von mindestens 1:1 wünschenswert wäre. Zähne mit geringem Restattachment zeigen in der parodontalen Literatur bei Entzündungs­freiheit hohe Erfolgsquoten30. Daher ist eine ex­trusionsbedingte reduzierte Wurzellänge kein die Langzeitprognose einschränkender Faktor.

Der vorliegende Fall zeigt eine traumatische Kronen-Wurzel-Fraktur eines 20-jährigen Patienten. Nach Fixation des Fragments im Rahmen einer Notfallbehandlung (Abb. 10 und 11) wurde durch eine chirurgische Extraktion der Zahn in einer ca. 3 mm weiter koronal gelegenen Position mit einer Schienung stabilisiert (Abb. 12 bis 15). Nach Stabilisierung für ca. 8 Wochen in dieser Position, suffizienter endodontischer Therapie und restaurativer Versorgung mit einem direkten Kompositaufbau zeigen sich 3 Jahre postoperativ entzündungsfreie Verhältnisse (Abb. 16). Auch die radiologische Kontrolle 3 Jahre postoperativ zeigt keine Anzeichen einer knöchernen Ankylose oder Resorption (Abb. 17).

Extraktion und prothetische Versorgung

Eine Kronen-Wurzel-Fraktur bedingt eine komple­xe Behandlung, bestehend aus endodontischer, restau­rativer und oft parodontaler Therapie. Insbesondere die parodontale Therapie – hierbei invasive chirurgische Kronenverlängerungen – sollte mit Bedacht durchgeführt werden, da hier immer gesunde Hart- und Weichgewebe entfernt werden müssen. Gegenüberzustellen sind die Daten zur ad­hä­siven Befestigung von Fragmenten nach Kronen-Wurzel-Frakturen, die zeigen, dass nur 22 Prozent aller Fälle über 9,5 Jahre ohne Komplika­tionen sind22. Bei der oben beschriebenen chirurgischen Extrusion existieren wenige Langzeitdaten und man muss annehmen, dass bei dieser techniksensitiven Behandlung viele Komplikationsmöglichkeiten bestehen. Daher sollten bei komplizierten Kronen-Wurzel-Frakturen die Extraktion und prothetische Versorgung immer mit in Betracht gezogen werden. Insbesondere, wenn es sich um eine Fraktur des seitlichen Schneidezahns handelt, sollte die Versorgung mit einer Klebebrücke erwogen werden. Die aktuelle Datenlage zeigt klar, dass eine ein­flügelige Klebebrücke einer klassischen prothetischen Versorgung oder sogar einer implantatprothetischen Versorgung nicht unterlegen ist31

Bei der Versorgung eines zentralen Schneidezahns bei kariesfreien gesunden Nachbarzähnen kommt ein Zahnimplantat in die klinische Ab­wägung. Hierbei ist als Nachteil anzuführen, dass nach Zahnextraktion die Hart- und Weichgewebe atrophieren und die korrekte Positionierung des Implantats erschweren32. Auf der anderen Seite existieren mittlerweile gut dokumentierte Verfahren wie Sofortimplantate33 oder Ridge-Preservation-Techniken34, die bei richtiger Indikation eine erfolgreiche implantatprothetische Versorgung zulassen. Insbesondere bei intakten Alveolen – wie es nach Kronen-Wurzel-Frakturen häufig der Fall ist – scheint die Prognose dieser beiden Therapien sehr gut zu sein. Hinsichtlich der Abwägung zwischen Zahnerhalt und Implantat spielt auch die Art der Fraktur eine große Rolle. So liegen die meisten Kronen-Wurzel-Frakturen im palatinalen Bereich, sodass am bukkalen Knochen kaum Schaden entstanden ist. Dies ist prognostisch sehr positiv für eine Implantatversorgung. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die implantatprothetische Versorgung eines Frontzahns hohe Anforderungen an die Ästhetik und Funktion stellt. 

Der vorliegende Fall zeigt einen 25-jährigen Patienten, der nach einem Sturz eine tiefe Kronen- Wurzel-Fraktur des Zahns 21 erlitt (Abb. 18 bis 20). Die Fraktur war im palatinalen Bereich ca. 3 mm apikal des Limbus alveolaris und eine kleine Aussprengung in der Tiefe legte den Schluss nahe, dass in der Tiefe weitere Frakturen existieren. In der Abwägung einer resektiven parodon­talen Chirurgie, die mindestens 4 mm an zahn­tragendem Knochen entfernen würde, und einer völlig intakten knöchernen Alveole bei einem eher dicken parodontalen Biotyp wurde sich für die Implan­tation entschieden. Durch eine Sofortimplantation und gleichzeitige Augmentation konnten das Hart- und Weichgewebeniveau erhalten (Abb. 21 bis 23) und nach der Einheilungsphase eine prothetische Versorgung durchgeführt werden (Abb. 24 bis 26).

Schlussfolgerungen

Bei komplizierten Kronen-Wurzel-Frakturen gestaltet sich die Abwägung der Therapie schwierig. Da diese Frakturen meist subgingival zu liegen kommen und sich häufig auch subkrestal befinden können, muss vor einer restaurativen Therapie eine resektive parodontale Therapie abgewogen werden. Da diese unfallbedingten Frakturen jedoch meistens im anterioren Oberkiefer liegen, sind resektive Maßnahmen mit Bedacht anzuwenden. Eine klassische chirurgische Kronenverlängerung wie im Seitenzahnbereich verbietet sich aus ästhetischen Gründen. Lokalisierte resektive Verfahren, zum Beispiel bei der Fragmentbefestigung, sind möglich, jedoch sind die klassischen Forderungen der Einhaltung des suprakrestalen befestigten Gewebes und eines ausreichenden Ferrule-Effekts hierbei immer kritisch zu hinterfragen. Bedacht werden sollte auch, dass die meisten restaurativen Therapien eingeschränkte Langzeitprognosen haben. Somit wiegt die Resektion von gesundem Knochen und Weichgewebe umso schwerer, da dies die spätere implantatprothetische Versorgung erschweren kann. 
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die klassische chirurgische Kronenverlängerung mit Etablierung von mindestens 1,5−2 mm Zahnhartsubstanz im koronalen Bereich nach komplizierten Kronen-Wurzel-Frakturen nicht indiziert ist. Wenn möglich sollten beim Fixieren des Fragments ein chirurgischer Zugang gewählt und das suprakrestale befestigte Gewebe zum Bruchspalt eingehalten werden. Als Alternativbehandlung kann eine chirurgische Zahnextrusion abgewogen werden. Bei einer infausten Prognose der Zahnwurzel, zum Beispiel bei sehr tiefen oder versprengten multiplen Frakturlinien, sind die Extraktion und prothetische Versorgung mit Adhäsivbrücken oder Zahnimplantaten in Betracht zu ziehen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Stefan Fickl, Dr. Eva Wirschung und Dr. Ralf Krug, alle Würzburg

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Parodontologie 3/20 Parodontologie

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