Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat am 13. Februar 2023 der Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sogenannter „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (LG München, Az.: 4 HKO 14545/21). Die Wettbewerbszentrale beanstandete, dass die Beklagte (der Burda-Verlag, -Red.) gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ beziehungsweise „Focus Empfehlung“ auszeichnen.
In der Klage gegen den Verlag ging es um das einmal jährlich veröffentlichte Magazin „Focus Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. „Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 Euro netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik ‚Focus Empfehlung‘, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun“, heißt es in der Pressemeldung des Landgerichts.
„Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot. Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als ‚TOP-Mediziner‘ bezeichnet beziehungsweise als ‚Focus-Empfehlung‘ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen“, so die Meldung des Gerichts weiter.
„Die vom Verlag gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sogenannten Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet“, heißt es.
Hinweis auf Prüfzeichen für Verbraucherentscheidung wichtig
Hierzu habe die Kammer Folgendes ausgeführt: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.
Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.
Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie zum Beispiel die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.
Nicht von der Pressefreiheit umfasst
Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2003, 277, Juve-Handbuch) zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.
Unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung
Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend: Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.
Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. „Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert“, heißt es in der Pressemeldung des Gerichts.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Laut Medienberichten hat der Burda-Verlag angekündigt, Berufung einzulegen.