Wie kann die (zahn-)medizinische Betreuung von Menschen in den Pflegeeinrichtungen verbessert werden? Um darauf Antworten zu finden, hatten die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZVWL) und Zahnärztekammer Westfalen-Lippe (ZÄKWL) zum Thementag „Gemeinsam Brücken bauen – Potenziale für die Pflege“ nach Münster eingeladen.
Ziel der Veranstaltung Ende Februar war es, Betroffene und Entscheider ins Gespräch zu bringen und über die Möglichkeiten zu diskutieren. Dabei stand vor allem eine offene Kommunikation zwischen Pflegekräften, Zahnärzten, Ärzten und Patienten und deren Angehörigen im Fokus. Mit dabei waren der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, und Claudia Middendorf, Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung, dazu Vertreter der Zahnärzte, Ärzte, Krankenkassen und Pflege.
Im Mittelpunkt: „Der Mensch, der uns als Patient begegnet“
„Wir engagieren uns als zahnärztliche Körperschaften, weil im Mittelpunkt für uns doch der Mensch stehen sollte, der uns Medizinern als Patient begegnet“, so leitete der Vorstandsvorsitzender der KZVWL, Dr. Holger Seib, die Veranstaltung ein. Es gebe immer wieder Patienten, die über Jahrzehnte regelmäßig zur Kontrolle und Behandlung in die Praxis kommen und gut funktionierenden Zahnersatz tragen. Wenn man diese Patienten dann nach einem halben Jahr wegen akuter Zahnschmerzen in einer Pflegeeinrichtung wiedersehe und feststelle, dass der herausnehmbare Zahnersatz seit Monaten nicht herausgenommen und gereinigt wurde, weil dieser Ersatz offensichtlich nicht als herausnehmbar erkennbar war und es auch niemanden gab, der das dem Pflegepersonal demonstriert und erklärt hätte, sei klar, dass sich hier etwas verändern müsse.
Auch Kammerpräsident Jost Rieckesmann bestätigte diese Fälle und betonte, wie wichtig es sei, dass hier alle Beteiligten sektorenübergreifend zusammenarbeiten. Die sogenannte sektorenübergreifende Zusammenarbeit wurde an diesem Tag von allen Beteiligten immer wieder als erforderlich und absolut gewünscht hervorgehoben.
Fachkräftemangel und Strukturen als Hindernis
Staatssekretär Westerfellhaus begrüßte ausdrücklich die Initiative der Zahnärzte, hier etwas ändern zu wollen. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass es wegen des Fachkräftemangels grundsätzlich schwierig sei, überhaupt die Pflege sicherzustellen. Das ziehe sich durch alle Bereiche. Zusätzlich müssten dafür Qualifikationen innerhalb der Pflege verbessert werden, sodass auch Delegation und Substitution möglich werden.
Westerfellhaus plädierte dafür, „mutige und entscheidende Schritte für die Zukunft zu gehen“. Dafür werde man sicher andere Strukturen benötigen. Man solle aber in keinem Fall gute Ideen nicht umsetzen, weil die Strukturen das nicht zulassen, sondern dann eher die Strukturen ändern, sodass diese Ideen umgesetzt werden können.
Auch Claudia Middendorf begrüßte die Intention der engen Zusammenarbeit von Ärzten, Zahnärzten und Pflege. Sie betonte, dass es aber auch notwendig sei, die Eigenmotivation zur Zahnpflege bei Menschen im Pflegeheim zu erhöhen, sofern diese dazu noch in der Lage seien. Langfristig müsste man Kooperationen eingehen und das Thema immer wieder sichtbar machen.
Zahnärzte in der Schulung des Personals aktiv
„Die flächendeckende zahnmedizinische Wissensvermittlung in der Aus- und Weiterbildung in Kooperation mit Ihren Gesundheitszielen als Netzwerkpartner ist unser Ziel“, so Dr. Sabine Wagner, Vorstandsbeauftragte der KZVWL für Prävention. Ein Kooperationszahnarzt werde im Pflegeheim das Personal an die Hand nehmen und bezüglich des etwaigen Zahnersatzes des Patienten schulen. „Und damit Sie nicht bei der Vielzahl an Situationen überfordert werden, geben wir Ihnen einen Mundgesundheitsplan mit Pflegeanleitungen für jeden Patienten an die Hand. Dieser Plan wird am besten an den Badezimmerspiegel gut sichtbar angebracht. So werden Unsicherheiten vermieden.“, sagte Wagner weiter.
Ohne Enthusiasmus nur schwer zu realisieren
Der erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe Dr. Dirk Spelmeyer gab zu Bedenken, dass neue Strukturen nur etabliert werden können, wenn es Menschen gibt, die diese mit Enthusiasmus vorantreiben. Für ihn seien der Mensch, Enthusiasmus, Delegation und die sektorenübergreifende Versorgung die Schlüssel zum Erfolg.
Der Vorstandsvorsitzende der AOK NordWest, Tom Ackermann, meinte, dass es noch zu viele Brüche innerhalb der Pflegeleistungen gebe. Für ihn sei auch Prävention im Pflegeumfeld maximal wichtig. Ebenso wie alle Beteiligten sprach er sich für gemeinsame Koordination, Vernetzung und Kooperation aus.
Demenz als Herausforderung
„Wir erleben es regelmäßig, dass es zu einem Abbau der Gesundheit kommt, wenn bei Pflegebedürftigen Probleme mit den Zähnen bestehen. Sie essen schlechter und nehmen am gesellschaftlichen Leben weniger Teil“, berichtete Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann. Speziell demenziell erkrankte Menschen könnten Schmerzen und Mundtrockenheit nicht mehr unbedingt selber äußern, die Diagnose für das schlechte Empfinden dementsprechend oftmals schwierig. Demenziell erkrankte Patienten und Menschen mit geistigen Behinderungen seien für alle Beteiligten oft eine große Herausforderung, da sie Beschwerden teilweise nicht richtig äußern können oder sich auch Behandlungen und Untersuchungen versperren. Eine gute zahnmedizinische Versorgung sei demnach ein äußerst wichtiger Beitrag für die allgemeine Lebensqualität der Bewohner.
Plastische Beispiele im Rollenspiel
PD Dr. Anna Greta Barbe von der Uniklinik Köln simulierte mithilfe einer Laienschauspielerin, die eine demente Patientin darstellte, und einer freiwilligen Zahnärztin aus dem Publikum, wie sich eine typische Behandlung im Pflegeheim abspielen kann. Das Rollenspiel zeigte, dass bei einem ersten Besuch eine Behandlung durch einen „fremden“ Arzt oftmals gar nicht oder nur sehr erschwert stattfinden kann. Deutlich wurde, dass es oftmals helfen kann, wenn vertraute Personen oder Familienangehörige bei solchen Terminen dabei sind, um Vertrauen zu schaffen. Dies sei aber nicht der Regelfall.
Podiumsdiskussion von Praktikern
Zahnarzt Dr. Ulrich Schaake, Dr. Thomas Huth, Facharzt für Allgemeinmedizin, Katrin Markus, Vorstandsmitglied der BAGSO, Pflegedienstleitung Petra Wohlgemuth und Thomas Drerup vom Regionalbüro Alter, Pflege und Demenz diskutierten unter Leitung von Dr. Sabine Wagner und Thomas Hamacher, Leiter der KZV Vertragsabteilung, über die positiven und negativen Erlebnisse im Alltag in den Pflegeeinrichtungen. Fazit: In Westfalen-Lippe läuft vieles stellenweise schon sehr gut, unterscheidet sich jedoch regional teilweise sehr. Auch hier war man sich einig, dass zwar jede Berufsgruppe versucht, das Beste aus jeder Situation herauszuholen, dass aber noch zu wenig unter den Fachgruppen interagiert wird. Veranstaltungen wie diese seien darum extrem wichtig, um das zu verbessern.
Ann-Kathrin Kiesel, MSc, KZVWL, Münster