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Weitere Themen sollen im parlamentarischen Prozess folgen – Bundeskabinett beschließt Versorgungsstärkungsgesetz

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach: Viele Themen sollen im „parlamentarischen Verfahren“ noch ins Gesetz kommen.

(c) BMG/Jan Pauls

Das Bundeskabinett hat am 22. Mai 2024 den Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) beschlossen. Damit soll parallel zur Krankenhausreform auch die ambulante Versorgung verbessert werden.

Ziel ist, so Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD), dass Patientinnen und Patienten leichter Zugang zur Behandlung bekommen. Durch den Wegfall der Budgets solle es für Hausärzte attraktiver werden, wieder mehr Patienten anzunehmen. Unnötige Quartalsuntersuchungen sollen entfallen und überfüllte Wartezimmer vermieden werden. Auch der Zugang zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung soll mit dem Gesetz verbessert werden.
Außerdem sind weitere Regelungen für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen vorgesehen So sollen Pflege- und Patientenvertreter mehr Beteiligungsrechte im G-BA bei Leistungsentscheidungen in der gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Außerdem soll der G-BA weitere Berichtspflichten erfüllen und der Bundesrechnungshof nicht mehr nur die gesetzlichen Krankenkassen prüfen, sondern auch Prüfungsrechte für den G-BA und die Selbstverwaltungsgremien der Kassenärzte und Kassenzahnärzte bekommen.

Lauterbach bezeichnete das Gesetz in seinem Auftritt vor der Bundespressekonferenz am 22. Mai 2024 als Investition in den Erhalt der Hausarztpraxis. Das werde die Versichertengemeinde etwas kosten und sei ein mutiger Schritt. Aber den müsse man jetzt gehen, sonst werden die Menschen keinen Hausarzt mehr finden. Das Gesetz sei ein großer Wurf und eine echte Honorarreform.

Digitalisierung für den Hausarzt im Homeoffice

Er pries in der Frage der Niederlassung auch die Digitalisierung, mit deren Hilfe zum Beispiel Hausärztinnen auch aus dem Homeoffice bestimmte Leistungen via Telemedizin oder Telematik, wie E-Rezept und elektronische Krankschreibung, erbringen könnten. Das sei attraktiv für junge Ärztinnen und Ärzten. Für die Fachärzteproblematik brachte er die geplanten Level-1i-Kliniken mit sektorenübergreifender ambulanter Versorgung aus der parallel laufenden Krankenhausreform ins Spiel.

„Unser Gesundheitssystem braucht eine Generalüberholung, um stark zu bleiben. Parallel zur Krankenhausreform ist die Reform der ambulanten Versorgung deswegen zwingend notwendig. Dafür machen wir zunächst die Arbeit der Hausärztinnen und Hausärzte attraktiver, streichen Budgetvorgaben und schaffen die bürokratischen Quartalspauschalen ab. Arzttermine zu bekommen, wird für Patientinnen und Patienten dadurch einfacher, unnötige Arztbesuche fallen weg und lange Wartezeiten in den Praxen werden vermieden. Wir verbessern außerdem das Angebot an Psychotherapie, insbesondere für Kinder und Jugendliche und für besonders schwer erkrankte Patienten“, erklärte Lauterbach.

Regelungen zu iMVZ sollen im Parlament kommen

Auf die Frage einer Journalistin nach den angekündigten, aber fehlenden Regelungen für die investorengeführten Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) sagte Lauterbach in der auf Phoenix übertragenen Bundespressekonferenz: „Bei den iMVZ werden wir uns im parlamentarischen Verfahren einigen, die werden also zum Schluss verboten werden. Wir wollen dort also die derzeit ausufernde Kommerzialisierung der Praxen unterbinden. Aber das ist im parlamentarischen Verfahren noch zu beraten und beschlossen werden, wie ebenfalls die Gesundheitskioske“. Diese seien wichtig, weil man „medizinische Banlieues“ vermeiden.

„Wesentliche Anteile“ sollen im Parlament noch folgen

Auf die Frage, ob das noch eine Chance habe, antwortete er, „wir haben in den Gesetzen der letzten Monate immer wesentliche gesetzliche Anteile im parlamentarischen Verfahren eingebracht, somit wäre das, wenn es jetzt nicht klappen würde, wäre das die Ausnahme und die Überraschung.“

Man werde im parlamentarischen Verfahren noch zusätzliche Punkte einbringen, das sei auch in den Vorbesprechungen so vereinbart gewesen, so Lauterbach. Dies gelte auch für die Homöopathie, erklärte er auf Nachfrage. Dazu werde man noch viel zu diskutieren haben, vielleicht lasse sich dies über Zusatzversicherungen abbilden, meinte er.

Lauterbach will das als „eilbedürftig“ vom Kabinett eingestufte Gesetz nun schnell umsetzen. Die erste Lesung soll noch vor der Sommerpause des Bundestags ab 6. Juli 2024 stattfinden, erklärte er.

Ärzteschaft vorsichtig optimistisch

Vonseiten der Ärzteschaft gab es vorsichtigen Optimismus. Die Fachärzte forderten eine Entbudgetierung auch für ihren Bereich, und vonseiten der Hausarztverbände ist man mit den bisherigen Vorschlägen noch nicht zufrieden. Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erklärte: „Längst keine Entwarnung, aber immerhin einen in Teilen etwas positiveren Ausblick können wir vor dem Hintergrund des aktuellen Kabinettsentwurfs geben. Unsere Vorschläge und Hinweise sind teilweise aufgegriffen worden. Es fehlt aber immer noch die grundsätzliche und entscheidende Aussage, dass eine Entbudgetierung – wie sie für die hausärztliche Versorgung richtigerweise vorgesehen ist – logischerweise mit einer besseren finanziellen Ausstattung verbunden sein muss. Jetzt soll es laut Entwurf zu ,keinen Mehr- oder Minderausgaben in der GKV‘ kommen. Das passt nicht zusammen! Immerhin positiv zu bewerten ist, dass die neu vorgesehenen Chroniker- und Vorhaltepauschalen nun teilweise von bürokratischem Ballast und verpflichtenden Voraussetzungen befreit wurden, etwa verpflichtenden Sprechstunden an Samstagen.“

GKV-Spitzenverband sieht keinen Effekt auf Niederlassung auf dem Land

Kritik am Gesetzentwurf kam von den Krankenkassen. „Wenig Mehrwert für viel Beitragsgeld“, hieß es beim GKV-Spitzenverband. kritisiert wird vor allem der Wegfall der Steuerungswirkung der Budgets: Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbands, erklärt dazu: „Die Gesundheitsversorgung für GKV-Versicherte weiter zu stärken, ist ein richtiger und notwendiger Schritt. Dieses Ziel wird mit dem GVSG jedoch vereitelt, da durch die vorgesehene Entbudgetierung künftig weniger Anreize bestehen werden, ärztliche Praxen in ländlichen Räumen zu führen. Die Budgetierung hat sich als Steuerungsinstrument gerade im Bereich der hausärztlichen Versorgung bewährt, um bedarfsnotwendige Praxen besser zu honorieren.“ Kritisiert wird auch, dass mit der neuen Versorgungspauschale nicht direkt eine Qualitätssicherung verbunden wird.

Ebenso kritisch bewertet werden die Änderungen beim G-BA. Diese würden zum einen die Beratungen komplizierter machen, auf der anderen Seite aber die dafür zur Verfügung stehende Zeit verknappen. Begrüßt wird, dass versicherungsfremde Leistungen wie das Vorhaben, 5.000 neue Medizinstudienplätze aus der GKV zu finanzieren, oder die Gesundheitskioske, nicht mehr im Entwurf enthalten sind. Die Gesundheitskioske hofft Lauterbach aber über das Parlament noch in das Gesetz drücken zu können.

Auch der AOK-Bundesverband übt Kritik und hofft auf Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren: Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands, erklärte, „bisher ist das GVSG ein Gesetz der verpassten Chancen. Daran hat sich auch mit der heute beschlossenen Kabinettsfassung nichts geändert. Es bleibt in erster Linie ein Vergütungs-Steigerungsgesetz für Hausärztinnen und Hausärzte. Wir hoffen, dass es im weiteren parlamentarischen Verfahren noch mehr Substanz bekommt, indem innovative Ansätze zur Stärkung der regionalen Gesundheitsversorgung wieder an Bedeutung gewinnen“. Es brauche dringend „neue Möglichkeiten zum Abschluss von innovativen Versorgungsverträgen“.

Union: Kein Konzept für die Finanzierung

Aus den Parteien kamen ebenfalls verhaltene und kritische Reaktionen. Für die Opposition erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, das Gesetz werde seinem Namen kaum noch gerecht. Ein Grund dafür sei auch, dass die Regierung „kein Konzept für eine zukunftsfähige Finanzierung des GKV-Systems hat.“ Insgesamt sei das Gesetz eine vertane Chance, die Gesundheitsversorgung in Deutschland auf Vordermann zu bringen. (Eine kompakte Zusammenfassung der Reaktionen aus Gesundheitswesen und Politik hat das Deutsche Ärzteblatt zusammengestellt.)

Dr. Marion Marschall, Berlin

Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz im Überblick

Durch das GVSG soll der Hausarztberuf deutlich attraktiver, die ambulante regionale Versorgung gestärkt, die hausärztliche und die ambulante psychotherapeutische Versorgung weiterentwickelt, der Leistungszugang verbessert und die Transparenz erhöht werden. Insbesondere ist vorgesehen:

  • Der Hausarztberuf soll deutlich attraktiver werden:
    - Alle Hausarztleistungen einschließlich Hausbesuche werden künftig ohne Kürzungen vergütet (Budgetvorgaben fallen)
    - Patientinnen und Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen ohne hohen Betreuungsbedarf müssen nicht mehr jedes Quartal einbestellt werden (neue Versorgungspauschalen ersetzen die Quartalslogik).
    - Hausärzte und Fachärzte müssen künftig weniger Arzneimittelregresse fürchten, weil die Bagatellgrenze deutlich angehoben wird.
    - Hausärztinnen und Hausärzte, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie zum Beispiel bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten und viele Haus- und Heimbesuche, werden besonders honoriert (Einführung von Vorhaltepauschalen).
  • Gemeinden und Städten wird es erleichtert, kommunale MVZ zu gründen, damit sie die Versorgung vor Ort noch besser mitgestalten können.
  • Die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung wird verbessert und die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen wird vereinfacht. Es werden insbesondere zusätzliche psychotherapeutische und psychiatrische Versorgungsaufträge für vulnerable Patientengruppen geschaffen, um ihnen den Zugang zur Versorgung zu erleichtern.
  • Es wird eine separate Bedarfsplanung für Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten etabliert, die Kinder- und Jugendliche psychotherapeutisch behandeln.
  • Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die unter schweren Krankheiten leiden oder von Behinderungen betroffen sind, erhalten einen besseren Zugang zu medizinisch notwendigen Hilfsmitteln. Hierfür sollen die entsprechenden Bewilligungsverfahren für Hilfsmittelversorgungen beschleunigt werden.
  • Die Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird gestärkt. Dafür sollen die Beteiligungsrechte erweitert und die Entscheidungen des G-BA beschleunigt werden. Die Zusammenarbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wird gesetzlich festgeschrieben.
  • Service- und Leistungsqualität der Krankenkassen sind für Versicherte künftig jährlich verpflichtend transparent zu veröffentlichen.

Quelle: BMG

 

Reference: Politik Nachrichten

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