Die zahnärztlichen Spitzenvertretungen und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte fordern einen finanziellen Schutzschirm für Zahnarztpraxen gegen die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen durch die Corona-Krise. Nur so könnten die Strukturen für die zahnärztliche Versorgung gesichert werden.
Im „COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz“, das am Montag (23. März 2020) vom Bundeskabinett beschlossen und am Mittwoch und Freitag dieser Woche durch den Bundestag und den Bundesrat beschlossen werden soll, werden die wirtschaftlichen Folgen der Krise für Krankenhäuser und Vertragsärzte aufgefangen. Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten können mit Ausgleichszahlungen für Umsatzeinbußen infolge der Coronavirus-Krise rechnen.
Vertragszahnärzte im Krankenhausentlastungsgesetz nicht berücksichtigt
Die Vertragszahnärzte sind im Gesetz bislang nicht berücksichtig. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hatten bereits seit Beginn der Corona-Krise gegenüber Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gefordert, dass die Politik der sich massiv verschlechternden wirtschaftlichen Situation der Zahnarztpraxen in Deutschland Rechnung trägt und die Praxen unter einen finanziellen Schutzschirm stellt. Diese Forderung war in der vergangenen Woche auch öffentlich gestellt worden.
„Werden die Zahnärzte mit den finanziellen Auswirkungen der zunehmenden Ausbreitung von SARS-CoV2/Covid-19 allein gelassen, steht die zahnärztliche Versorgung in der Fläche auf dem Spiel“, hieß es. KZBV und BZÄK hatten sich dafür ausgesprochen, dass ein geplanter finanzieller Schutzschirm für Krankenhäuser in Deutschland auch uneingeschränkt für Zahnarztpraxen gelten müsse. Spahn habe dies auch zugesagt, hieß es vergangene Woche aus KZBV und BZÄK.
Einnahmebasis droht fast vollständig wegzubrechen
Anlässlich des nun ohne Berücksichtigung der Zahnärzteschaft eingebrachten Gesetzentwurfs erneuerte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) am 24. März 2020 ihre Forderung, dass Zahnarztpraxen bei geplanten finanziellen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung unbedingt zu berücksichtigen seien. Dr. Wolfgang Eßer, Vorstandsvorsitzender des der KZBV, erklärte in einer Pressemeldung: „Die Zahnärzteschaft leistet auch und gerade in dieser bedrohlichen Krise hervorragendes und mobilisiert alle Kräfte und Reserven, um auch in Zeiten zunehmender Ausbreitung von SARS-CoV-2/COVID-19 die Menschen in unserem Land im erforderlichen Umfang zahnärztlich zu versorgen. Zunehmend vielen Praxen würde aber über kurz oder lang die Luft ausgehen, da ihre Einnahmebasis fast vollständig weggebrochen ist. Um unserem Sicherstellungsauftrag weiter nachkommen zu können, müssen die Praxen zumindest soweit abgesichert sein, dass sie ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können.“
Praxen könnten „dauerhaft aus der Versorgung verschwinden“
Zahnärztinnen, Zahnärzte und das Praxispersonal seien stark verunsichert und besorgt, den Praxisbetrieb nicht mehr lange wirtschaftlich aufrechterhalten zu können. „Diese Sorgen sind absolut nachvollziehbar und berechtigt. Vielfach droht Kurzarbeit und zunehmend viele Praxen sind schon in wenigen Wochen von der Insolvenz bedroht und werden – ohne Unterstützung – dauerhaft aus der Versorgung verschwinden“, warnte Eßer.
Sowohl die flächendeckende Versorgung als auch die gute zahnärztliche Infrastruktur stünden dann auf dem Spiel, die das Gesundheitswesen jedoch beide in der Zeit nach der Krise dringend braucht. Die KZBV drängt deshalb auf schnelle, unbürokratische Hilfe. „Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Ich appelliere noch einmal eindringlich an Bundesminister Spahn, die zahnärztliche Versorgung möglichst bald ebenfalls unter einen finanziellen Schutzschirm zu stellen. Um unsere Versorgung für die Patienten unter schwierigsten Bedingungen weiter leisten zu können, sind wir auf die Ausweitung des finanziellen Schutzschirms für Zahnarztpraxen zwingend angewiesen“, betonte Eßer.
Einnahmeausfälle bei privaten und Kassenleistungen müssen kompensiert werden
Auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) forderte die Bundesregierung am 24. März erneut auf, die Zahnärzte bei finanziellen Hilfen im Gesundheitsbereich gleichermaßen zu bedenken. Sie unterstütze daher die dahingehende Forderung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ausdrücklich. Diese Hilfen könnten nicht nur Aufgabe der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Versicherten sein. „So wie die medizinische Versorgung allen offen steht, müssen auch finanzielle Hilfen durch alle getragen werden – dies gilt besonders im Falle der Zahnärzteschaft, deren Einnahmen wesentlich auf privaten Leistungen beruhen. Private und gesetzliche Einnahmen fallen in der Corona-Krise in dramatischem Ausmaß weg. Das stellt viele Praxen vor existenzielle Probleme“, heißt es in der Meldung der BZÄK.
Verlust von Arbeitsplätzen in Praxen, Laboren und Industrie
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel führt dazu aus: „Durch die Corona-Krise geraten viele Praxen in einen wirtschaftlich gravierenden Engpass. Steuert hier die Bundesregierung nicht gegen, droht vielen Praxen die Insolvenz beziehungsweise frühzeitige Aufgabe. Alleine schon mit der großen Unsicherheit über die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit stehen heute neben den Arbeitsplätzen in den betroffenen Praxen auch unzählige Arbeitsplätze im Zahntechnikerhandwerk und in Dentalhandel und Industrie auf dem Spiel.“
Engel verwies darauf, dass das Gesundheitssystem in Deutschland lvon der Solidarität und dem Zusammenspiel aller darin Tätigen lebe. Die mehr als 70.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte leisteten gemeinsam mit ihren mehr als 220.000 Zahnmedizinischen Fachangestellten einen wichtigen Beitrag in diesem System. „Wird hier nicht genügend geholfen, besteht die Gefahr, dass ein irreparabler Schaden für die Versorgung der Bevölkerung entsteht“, so Engel.
„Ich zolle allen Kolleginnen und Kollegen sowie ihren Praxisteams größten Respekt, unter den derzeitigen erschwerten Arbeitsbedingungen ihre Patienten weiter zu versorgen und danke ihnen allen für ihren unermüdlichen Einsatz in der derzeitigen Ausnahmesituation!“, erklärte der BZÄK-Präsident.
Schnelle und unbürokratische Hilfe nötig
Schon in der vergangenen Woche hatten die KZBV und die BZÄKauf die Folgen der aktuellen Entwicklungen für die Zahnarztpraxen hingewiesen. Ebenso wie für Wirtschaft und Krankenhäuser müsse die Bundesregierung daher auch die Zahnarztpraxen unter einen finanziellen Schutzschirm nehmen und schnell und unbürokratisch dafür Sorge tragen, dass die schon jetzt entstandenen gravierenden wirtschaftlichen Einbußen in den Praxen nicht zunehmend zu Entlassungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder sogar zu Insolvenzen führen, erklärte Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV. „Daher haben sich die zahnärztlichen Spitzenorganisationen - ebenso wie der Bundesverband der Freien Berufe - intensiv dafür eingesetzt, dass unter den von der Bundesregierung versprochenen milliardenschweren Schutzschirm auch die Zahnärzte fallen“, ergänzt Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK.
„Warten händeringend auf Schutzausrüstung“
Eßer würdigte ausdrücklich die intensiven Bemühungen von Bundesminister Spahn, Krankenhäuser, Ärzte und Zahnärzte mit dringend benötigter Schutzkleidung zu versorgen. „Wir und auch unser Praxispersonal arbeiten im Mund-/Rachenraum, wo sich das Virus einnistet und vermehrt. Wir sind bei unserer Tätigkeit und durch den engen Kontakt mit Patientinnen und Patienten einem besonders hohen Infektionsrisiko ausgesetzt und warten händeringend auf die ersten Lieferungen mit Schutzausrüstung.“
FVDZ schließt sich Forderung nach Schutzschirm an
Die aktuelle Situation habe für die Zahnarztpraxen in ganz Deutschland auch erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen, so der Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), Harald Schrader. „Wir schließen uns als Freier Verband deshalb der Forderung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Bundeszahnärztekammer an, die Praxen unter einen finanziellen Schutzschirm der Bundesregierung zu stellen, wie dies auch für Krankenhäuser und Wirtschaftsunternehmen der Fall ist.“
Zahnärzte fühlten sich alleingelassen mit der Situation
In der derzeitigen Situation einer zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus‘ und eines exponentiellen Anstiegs an Erkrankten, fühlten sich die Zahnärzte mit ihren Praxen und ihrer Verantwortung für Mitarbeiter und Patienten alleingelassen, so der FVDZ: Zum einen müssten die Zahnarztpraxen geöffnet bleiben, um die Versorgung zu sichern, zum anderen müssten die Behandlungen auf ein dem Notfall entsprechendes Maß zurückgefahren werden. Allein dies sei eine Gratwanderung, die nur schwer zu bewältigen sei, betont Schrader. Finanzielle Entschädigungen über den Bund oder die Länder seien für diesen Fall jedoch nicht vorgesehen. Dies sei bisher nur möglich, wenn Schließungen oder der Notfallbetrieb behördlich angeordnet würden.
Praxen können Einbußen nicht abfedern
Der finanzielle Schaden für die Praxen sei jedoch folgenreich, wenn es keinen garantierten staatlichen Schutzschirm gebe: „Hier steht die flächendeckende Versorgung auf dem Spiel“, sagt Schrader. Die bereits jetzt entstehenden gravierenden Einbußen könnten viele Praxen nicht aus eigenen Mitteln abfedern. „Wenn die Politik in dieser Krise nicht reagiert, wird es unausweichlich zu Insolvenzen und Entlassungen kommen – mit allen Konsequenzen für die Patientenversorgung“, machte der FVDZ-Bundesvorsitzende deutlich.
Für ausreichende Schutzkleidung sorgen
„Wir kommen auch weiterhin unserem Auftrag und unserer Verantwortung nach, unsere Patienten zu behandeln – allerdings mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Fremd- und Eigenschutzes“, sagt Schrader. Dreh- und Angelpunkt dafür sei allerdings die entsprechende Schutzkleidung. Dies beginne bei der normalen, vom RKI als hinreichend erachteten Ausstattung mit Mundschutzen, Handschuhen und Desinfektionsmitteln in den Praxen zur Behandlung nicht erkrankter Patienten. Bereits jetzt werde diese mancherorts knapp. Zahnärzte und ihre Mitarbeiter seien durch den engen Kontakt zu ihren Patienten einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Der FVDZ-Chef appellierte erneut an das Bundesgesundheitsministerium, für ausreichende spezielle Schutzausrüstung, insbesondere auch FFP2-Masken, zu sorgen, weil es sonst schwierig werden könnte, die Praxen offenzuhalten: „Der Schutz und die Gesundheit unserer Patienten und unserer Mitarbeiter gehen da immer vor.“
Ausdrücklich begrüßt wurde von Schrader das Konzept von KZBV und BZÄK, für mit dem Coronavirus infizierte und erkrankte Patienten besonders ausgerüstete Zentren einzurichten, um die zahnärztliche Behandlung zu gewährleisten. Dies diene auch dazu, den Praxisbetrieb für die nicht erkrankten Patienten aufrechtzuerhalten.
Quellen: Pressemitteilungen von KZBV/BZÄK und FVDZ
Aktualisiert am 24. März 2020 um 13 Uhr und 14.50 Uhr um die aktuellsten Stellungnahmen der KZBV und BZÄK. -Red.
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