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Die Gesundheitspolitik ist das Problem, nicht die Lösung – Dr. Uwe Axel Richter rechnet im Haushalt nach und sieht die Chance für die „Leistungserbringer“

(c) Master1305/Shutterstock.com

Der Bundeshaushalt für 2024 und die Finanzplanung bis 2027 stehen. „Nach Krisenjahren mit höchsten Ausgaben und Schulden setzen wir die Normalisierung fort: mit Schuldenbremse und Investitionen auf Rekordhöhe, aber ohne Steuererhöhungen“, betont Finanzminister Lindner. Das Zitat findet sich auf der offiziellen Webseite der Bundesregierung – allerdings stammt es aus dem Sommer 2022.

Wie bekannt kam es anders, für den Bundeshaushalt 2024 sogar gewaltig anders. Bei der Annäherung an die wirtschaftlichen und finanziellen Realitäten mussten alle Ministerien bis auf die Ressorts Arbeit und Soziales, Verteidigung sowie Digitales und Verkehr Kürzungen ihrer Etats hinnehmen. Für das BMG sieht ein um 33,7 Prozent gekürzter Etat erstmal dramatisch aus, ist aber noch nicht einmal die halbe Wahrheit.

Geld wäre genügend da – es ist nur woanders

Frei nach Christian Lindner habe man für den Haushalt 2024 nicht nur gespart, nein, es sei gestaltet worden. Leider kann man das nicht für den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums behaupten. Hier profitierte der Finanzminister ganz kreativlos vom Ende der Coronapandemie. Zieht man von den 16,2 Milliarden Euro Budget den Bundeszuschuss zur GKV in Höhe von 14,5 Milliarden Euro ab, bleibt positiv formuliert – ein, nun ja, gewisser Gestaltungsraum. Mit 1,7 Milliarden Euro Etat bewegt sich Gesundheit statt auf dem 5. Platz des Ministeriumsrankings nun an vorletzter Stelle, knapp vor dem Justizministerium mit einer Milliarde Euro Budget.

Der feuchte Traum der Fiskalpolitiker

Apropos Bundeszuschuss: 14,5 Milliarden Euro klingen gewaltig. Sind aber letztlich nichts anders als ein jahrzehntealtes Hütchenspiel: Der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wie auch der Rentenversicherung werden politische Wohltaten, versicherungsfremde Leistungen und Versicherte ohne Beitragsleistungen aufgebürdet. Dafür bekommen sie einen Bundeszuschuss aus Steuergeldern. Der Trick: Der Bund zahlt deutlich weniger zurück, als er den Versicherungs„systemen“ entzieht. Und das seit Jahrzehnten.

Rund 15 Milliarden Euro fehlen für den GKV-Versicherungszweck

Auch im Jahr 2024 werden den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung – Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Selbständige – über das Vehikel der versicherungsfremden Leistungen erhebliche Mittel für die Versorgung entzogen. Für dieses Jahr zahlt der Bund an die GKV einen Bundeszuschuss von lediglich 14,5 Milliarden Euro, um runde 30 Milliarden für politisch gewollte (und vielfach sinnvolle) familien- und sozialpolitische Leistungen aus der GKV zu ziehen. Dank unklarer Definitionen weiß man das nicht so sicher, was ja auch ganz praktisch ist. Im Übrigen agiert der Bund auch bei der Rentenkasse nach diesem Modell. Dort werden jährlich runde 41 Milliarden Euro für politisch veranlasste versicherungsfremde Leistungen abgezogen.

Babyboomer sind Teil des Problems

Soweit, so fragwürdig. In der Haushaltsdebatte im Bundestag erlebte man hingegen einen aufgeräumten, milden Karl Lauterbach – fern aller das Gesundheitswesen drängenden Probleme. Hier ein neues Institut, dort die nur dank ihm vorankommende Digitalisierung (Wie viel Geld ging dafür aufgrund fragwürdiger politischer Vorstellungen eigentlich den Bach runter?) und natürlich Reformankündigungen. Bei letzteren fällt auf, dass der Gesundheitsminister das Wort „Reformen“ seit einigen Wochen mit Aussagen zur Generation der Babyboomer, denen man auch eine sichere Versorgung bieten wolle, verknüpft. Von den drängenden Problemen in der ambulanten wie auch stationären Versorgung – unter anderem aufgrund des zunehmenden Personalmangels, die Babyboomer lassen grüßen – und wie man diese fürderhin finanzieren kann, hörte man von ihm nichts!

Und so bleibt die Frage erneut unbeantwortet, wie denn die Versorgung der Zukunft real aussehen soll. Nur nach mehr Geld zu rufen und ausgebildete(!) Fachkräfte im Ausland abwerben zu wollen, hat sich nach all den bereits gemachten Erfahrungen als Lösung bereits erledigt. Leider, bevor die Zukunft überhaupt begonnen hat.

Die Anzahl der Reformen sagt nichts über die Qualität der Lösung

Die Frage nach der Versorgung der Zukunft würde Lauterbach unter Verweis auf seine mehr oder minder geschmiert laufende Gesetzesmaschinerie vehement zurückweisen. Jedoch harren 17 Gesetzesvorhaben immer noch ihrer Erledigung. Entscheidend ist jedoch, dass im Ergebnis alle Reformen ein großes Ganzes ergeben, die einzelnen Versorgungsbereiche wie die Rädchen im Getriebe ineinandergreifen.

Ohne die Krankenhausreform wird auch das andere nichts

Nicht umsonst gilt die Krankenhausreform als das Herzstück der Lauterbachschen Reformen. Um die Krankenhausstruktur „herum“ will der Gesundheitsminister die einzelnen Versorgungsbereiche – oder besser gesagt Versorgungsebenen – gruppieren, die von Gesundheitskiosken bis zu den Maximalversorgern reichen sollen. Doch hier wird die Zeit besonders knapp. Bis zum 24. April 2024 muss der Gesundheitsminister den Gesetzesentwurf in das Bundeskabinett einbringen, um eine Verabschiedung in dieser Legislatur noch realisieren zu können. Reißt Lauterbach diesen Termin, war‘s das mit der groß angekündigten Reform des Gesundheitswesens. Ohne Krankenhausreform kein Umbau des ambulanten und stationären Systems, kein handlungsfähiges Notdienstkonzept, keine freiwerdenden Finanzmittel etc. Warum wohl wurde die Entbudgetierung der Hausärzte bereits im Koalitionsvertrag vereinbart? Solitär macht diese doch in dem jetzigen System überhaupt keinen Sinn, im Zusammenhang mit der Krankenhausreform sehr.

Zeit für das falsche Leuchtturmprojekt verplempert

Es rächt sich, dass mit dem politischen Leuchtturmprojekt der Cannabis-Legalisierung der Fokus verloren ging und eine Menge Zeit verplempert wurde. Kommt die Krankenhausreform in dieser Legislatur nicht, ist nicht nur Lauterbach als Gesundheitsminister gescheitert, sondern auch der politische Versuch, mit einem allwissenden, sogenannten Gesundheitsexperten und langjährigen Politiker das vielschichtige deutsche Gesundheitssystem „top down“ zu reformieren – ohne diejenigen mitzunehmen, die das Gesundheitswesen leisten. Was danach kommen wird weiß der Hugo. Wahrscheinlich noch mehr Bürokratie. Und dann doch noch „Trecker“.

Jetzt von unten Druck machen

Umso wichtiger ist es jetzt – heute und nicht morgen –, dass die sogenannten Stakeholder einen „Bottom up“-Prozess einleiten. Zahnärzte- und Ärzteschaft wie auch Apotheker und die zunehmend wichtiger werdenden Assistenzberufe müssen sich nicht nur für die Zukunft positionieren, sondern Konzepte für eine funktionsfähige, am Gemeinwohl orientierte Versorgung entwickeln. Denn der Eindruck, dass die Gesundheitspolitiker und der erratisch agierende, eben nicht allwissende Bundesgesundheitsminister den gordischen Knoten „Gesundheitsreform“ nicht mal ansatzweise durchschlagen werden, verfestigt sich immer mehr angesichts der Vorschläge, die von dort kommen.

Der Vorteil der „Basis“: Vieles ist bereits vorhanden. Dazu gehört aber auch, sich zusammenzusetzen, nach gemeinsamen Zielen zu suchen, Schnittstellen zu entwickeln und in enger Abstimmung mit den Kassen (hier ist der Konzentrationsprozess auf Kassenseite ein Vorteil) Vorschläge zu entwickeln für die Politik – im Interesse der Patienten und der Praxis.

Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

 

Reference: Politik Nachrichten Studium & Praxisstart

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