Die Zahl der angestellt tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte steigt. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW) hat eine Umfrage durch das Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa in Auftrag gegeben, um mehr über die Beweggründe, Wünsche und Vorstellungen der Kolleginnen und Kollegen zu erfahren. Vorgestellt wurden die Ergebnisse auf der Vertreterversammlung Anfang Juli – und bieten viel Gesprächsstoff.
Befragt wurden im Frühjahr dieses Jahres 400 angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte. Die ganz überwiegende Zahl ist mit ihrer Tätigkeit zufrieden oder sehr zufrieden, nur beim Gehalt gibt es deutlichere Abstriche in der Zufriedenheit. Gefragt wurde, warum sie sich für eine Anstellung entschieden haben – eine überwiegende Mehrheit von 62 Prozent der befragten Zahnärzte nennt die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ebenfalls einer Mehrheit der Befragten gefällt an ihrer Tätigkeit in Anstellung das Arbeiten im Team (57 Prozent) und dass sie mehr Zeit für persönliche Interessen haben (51 Prozent).
46 Prozent haben sich wegen der günstigen Arbeitszeitgestaltung für eine Anstellung entschieden. 42 Prozent geben als Grund an, dass dadurch eine ausschließliche Konzentration auf die behandelnde Tätigkeit möglich ist, 40 Prozent begründen dies mit der Vermeidung eines wirtschaftlichen Risikos. Dass sie über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen, ist für 22 Prozent der Zahnärzte ein Grund für eine Tätigkeit in Anstellung.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Angestellte mit Kindern wichtiger
Frauen geben häufiger als Männer an, dass die verschiedenen Gründe für sie ausschlaggebend waren, sich für eine Tätigkeit in Anstellung zu entscheiden. Im besonderen Maße gilt dies für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist erwartungsgemäß ganz besonders für Befragte mit Kindern bis 14 Jahren ein Grund für eine Tätigkeit in Anstellung.
Längere Angestelltenzeit, Mehrheit arbeitet in kleinen Praxen
Die Tätigkeit als angestellter Zahnarzt ist nicht, wie oft bewertet, nur ein Vorlauf zur Selbstständigkeit: Ein Viertel der Befragten ist schon zehn Jahre und länger angestellt tätig. 22 Prozent sind seit drei bis vier Jahren, jeweils 18 Prozent seit fünf bis sechs beziehungsweise seit sieben bis neun Jahren angestellte Zahnärzte. Sie sind im Schnitt in bis zu drei Praxen tätig gewesen.
Dabei sind sie in der Regel in kleineren Praxen mit bis zu zwei Zahnärzten (33 Prozent) oder bis zu drei Zahnärzten (31 Prozent) beschäftigt, nur 17 Prozent arbeiten in Praxen mit fünf und mehr Behandlern. 41 Prozent gaben daher auch an, der einzige angestellte Zahnarzt in ihrer Praxis zu sein.
Blick auf den strukturellen Wandel im Berufsstand
Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW, erläutert den Hintergrund der Studie. „Die Studie haben wir im Rahmen der Erstellung unseres Versorgungsberichts in Auftrag gegeben. Die KZV BW gibt einmal im Jahr einen Versorgungsbericht heraus. Anspruch und Ziel dieser Publikation ist es, für die Zahnärzteschaft wie auch für Politik und Öffentlichkeit Transparenz über die zahnmedizinische Versorgung in den einzelnen Landkreisen zu schaffen. Neben den regionalen Versorgungszahlen liegt der Fokus auf dem vielfältigen strukturellen Wandel, dem der Berufsstand in Baden-Württemberg unterworfen ist. In diesem Jahr wurde auf das Thema angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte ganz bewusst ein Schwerpunkt gelegt. Der spürbare Anstieg bei den Angestelltenverhältnissen beeinflusst die Versorgung. Dabei ist diese Entwicklung nicht primär positiv oder negativ zu beurteilen, sondern vor allem als Gestaltungsaufgabe zu sehen“, so Maier.
„Klar ist: Die angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte leisten längst einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherstellung der zahnärztlichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Als Standesvertretung ist es die Aufgabe der KZV Baden-Württemberg, gute Rahmenbedingungen für die Berufsausübung zu schaffen und diejenigen, die mit ihrem täglichen Einsatz die Versorgung sicherstellen, bestmöglich zu unterstützen. Um die richtigen Weichenstellungen vornehmen und das zahnärztliche Berufsfeld in Baden-Württemberg auf Dauer attraktiv halten zu können, ist es dem KZV-Vorstand ein Anliegen, die besonderen Ziele, Wünsche und Ideen zu erfahren, die die Gruppe der angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte für die eigene Berufsausübung hat.“
Die Mehrheit möchte sich niederlassen
Ein vielleicht überraschendes Ergebnis: Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, ist eine Praxis auf dem Land für viele eine Option: 44 Prozent der Befragten hatten spontan keine Gegenargumente gegen eine Niederlassung im ländlichen Raum. Die Städter waren allerdings etwas skeptischer als jene, die bereits auf dem Land arbeiten – von diesen hatten 55 Prozent keine spontanen Argumente, sich nicht auch dort niederzulassen.
Und die Niederlassung in eigener Praxis ist für 54 Prozent der angestellt Tätigen ihr Plan für die Zukunft. Gut zwei Drittel der Niederlassungswilligen präferieren dafür Berufsausübungsgemeinschaften, 31 Prozent streben eher eine Einzelpraxis an.
39 Prozent gaben an, dass sie für ihr ganzes Berufsleben angestellt arbeiten wollten. Das ist auch eine Altersfrage – bei den unter 45-jährigen ist die dauerhafte Anstellung nur für eine Minderheit eine Option.
Treiber und Hemmnisse für die Selbstständigkeit
Haupttreiber für den Wunsch nach Selbstständigkeit sind für 79 Prozent der eigene Handlungsspielraum, für 50 Prozent die höheren Verdienstmöglichkeiten. Zu den Haupthindernissen nennt der Bericht folgende Punkte: „Für knapp jeden Zweiten (49 Prozent) zählt der finanzielle Aufwand beziehungsweise das wirtschaftliche Risiko zu den größten Hürden für eine Niederlassung in Selbstständigkeit. 38 Prozent sehen die Bürokratie beziehungsweise Auflagen als Problem.
22 Prozent halten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 17 Prozent die hohe Verantwortung und 15 Prozent den hohen Arbeitsaufwand für große Hürden mit Blick auf eine Niederlassung in Selbstständigkeit. Etwa jeder Zehnte meint, dass dies durch die Suche nach passendem Personal (12 Prozent) oder einem passenden Standort beziehungsweise einer passenden Praxis (11 Prozent) erschwert wird.
Hinsichtlich einer Niederlassung als selbständiger Zahnarzt halten Männer und die jüngeren, unter 35-jährigen Befragten den finanziellen Aufwand häufiger als Frauen und ältere Befragte für eine große Hürde. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist hingegen für Frauen und die unter 55-Jährigen deutlich häufiger als für Männer und die über 55-Jährigen ein Problem.“
Berufspolitisches Engagement für 48 Prozent vorstellbar
Immerhin 48 Prozent der Befragten können es sich vorstellen, selbst berufspolitisch aktiv zu werden, 50 Prozent sehen darin für sich keine Perspektive. Für 49 Prozent der Frauen und 55 Prozent der unter 35-Jährigen ist ein Engagement in der Berufspolitik eine Option. Vor allem ältere Angestellte schließen dagegen ein ehrenamtliches Engagement für den Berufsstand für sich aus.
Perspektiven auf dem Land werden gesehen
Was die Konsequenzen aus den nun vorliegenden Zahlen angeht, sieht sich die KZV BW auf der einen Seite gut aufgestellt. Maier: „Die KZV BW hat bereits vor zwei Jahren Zukunftsreferenten benannt, eine junge Zahnärztin und einen jungen Zahnarzt, die sich beide standespolitisch engagieren, um ein Zukunftsbild Zahnärzteschaft Baden-Württemberg 2030 zu entwickeln und um auf die Veränderungen und den Strukturwandel innerhalb der Zahnärzteschaft frühzeitig zu reagieren. Dabei spielt natürlich auch eine große Rolle, was die junge Generation möchte. Und manchmal ist das ja etwas anderes, als unterstellt wird. Das Ergebnis unserer Befragung besagt, dass der ländliche Raum sehr wohl attraktiv für Zahnärztinnen und Zahnärzte ist, die sich niederlassen wollen. Die Niederlassung auf dem Land wird kein Auslaufmodell sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. 44 Prozent sehen keinerlei Hindernisse gegen eine Praxis auf dem Land. Das ist ein sehr guter Wert, besser als von manchen erwartet“, so Maier.
Attraktivität des ländlichen Raums ist ein gesellschaftliches Problem
Was die Argumente gegen eine Niederlassung auf dem Land angeht, so müsse man diese ernst nehmen. „Die wichtigsten Gründe dafür sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fehlende berufliche Perspektiven für den Partner, ungünstige Verkehrsanbindung, fehlende kulturelle Angebote und Freizeitmöglichkeiten sowie ein vermeintlicher Patientenmangel“, so Maier. Es sei aber auffällig, dass fast durchweg Faktoren genannt werden, die maßgeblich die Attraktivität des ländlichen Raumes generell betreffen und nicht spezifisch die Bedingungen für Zahnärztinnen und Zahnärzte. „Hierbei handelt es sich offensichtlich auch um ein gesellschaftliches Problem“, so die KZV-Vorsitzende. (MM)