Mit zwei Resolutionen und diversen Beschlüssen vor allem zur Gebührenordnung für Zahnärzte und anderen gesundheitspolitischen Themen haben die Delegierten der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) am 15. und 16. November 2024 in Hamburg für den jetzt anstehenden Bundestagswahlkampf Position bezogen. Wichtigster interner Beschluss neben der neuen Weiterbildungsordnung und dem Haushalt war die dauerhafte Verkleinerung der BV auf maximal 139 Mitglieder. Es sei ein wichtiges Signal, dass die Bundesversammlung diese Aufgabe aus sich heraus erfüllt habe, so Dr. Thomas Breyer, Kammerpräsident in Sachsen und Berichterstatter für die Anträge zu den Satzungsänderungen.
Zum Auftakt gab es keinen Auftakt: Das von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bereits Anfang des Jahres zugesagte Grußwort entfiel, nachdem er nicht nur den Auftritt in Präsenz, sondern auch ein Videostatement abgesagt hatte. Auch die hamburgische Gesundheitssenatorin war aus aktuellen Gründen verhindert. So startete die Bundesversammlung recht prosaisch mit der Verleihung der Goldenen Ehrennadel an den früheren österreichischen Zahnärztekammerpräsidenten Hofrat Jörg Krainhöfner für seine Verdienste um die Zahnärzteschaft auf europäischer Ebene.
FDI-Präsident zu Gast
Höhepunkt der Grußworte war die kurze Rede des Präsidenten des Weltzahnärzteverband, des Amerikaners Greg Chadwick. Er machte in seiner Rede deutlich, wie es der FDI auch dank großer Unterstützung aus Deutschland gelungen sei, Themen der Mundgesundheit für die Gesundheit der Bevölkerung weltweit in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit zu rücken – bis hin zur Weltgesundheitsorganisation.
GOZ-Diskussion nimmt wieder breiten Raum ein
Wie schon seit Jahren, nahmen auch in diesem Jahr die Diskussionen und die Anträge zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) einen großen Raum in der BV ein. Durch den vorliegenden Entwurf einer von Bundesärztekammer und PKV-Verband abgestimmten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) kamen noch einmal neue Aspekte zur Diskussion hinzu, einige Anträge wurden auch zurückgezogen, abgelehnt oder umformuliert. Ein klarer, zukunftsorientierten Forderungskatalog als Arbeitsgrundlage für den Vorstand statt vieler Einzelanträge mit Einzelpunkten, wie ihn unter anderem Martin Hendges und andere in der BV gefordert hatten, kam nicht wirklich zustande.
Bürokratiebelastung wichtigesThema
Zweiter Schwerpunkt war die weiter zunehmende Bürokratie mit immer neuen Auflagen, Dokumentationspflichten und vielfach unsinnigen Anforderungen, Stichwort Validierung der Wischdesinfektion. Diese Themen wurden bereits in der Aussprache zu den Berichten der Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler und des Vizepräsidenten Konstantin von Laffert intensiv diskutiert.
Resolution: Zahnarztpraxen haben Belastungsgrenze erreicht – so geht es nicht weiter!
Die Zahnarztpraxen in Deutschland laufen Gefahr eine geregelte Patientenversorgung nicht mehr gewährleisten zu können. Politik und Gesellschaft müssen sich entscheiden, ob sie die gute zahnmedizinische Versorgung unserer Patienten eintauschen möchten gegen Misstrauenskultur, ausufernde Dokumentationsauflagen und behördlicher Überwachungsexzesse.
Diese überhöhten Anforderungen können die Praxen nicht mehr standhalten. Unsere Teams befinden sich im Bürokratieburnout! Dazu belasten Inflation, Fachkräftemangel und steigende Lohnkosten ohne angemessenen Honorarausgleich in der GOZ.
Die Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer fordert die künftige Bundesregierung dazu auf, die Gesundheitspolitik als zentrale Aufgabe zu behandeln und damit die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitswesens sicherzustellen.Zu den Kernthemen gehören:
- Stärkung der Freiberuflichkeit und Selbstverwaltung und Abkehr von einem staatlichen Gesundheitssystem
- Stärkung des ambulanten Sektors und der bewährten wohnortnahen Versorgung
- Investoren-MVZ zum Patientenschutz regulieren
- Bürokratieburnout beenden
- Lösungen zum Fachkräftemangel erarbeiten
- Bekenntnis und Stärkung des dualen Systems in der Krankenversicherung, verbunden auch die angemessene Honorierung in der GOZ
- Präventive, gesundheitsförderliche Maßnahmen erfolgreich weiterentwickeln
- Praxistaugliche Digitalisierung
BZÄK-Präsident fordert „disruptive Veränderungen“
BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz umriss in seinem Vortrag die aktuellen Problemstellungen im Gesundheitswesen. Die seit den 2000er-Jahren vorherrschende Fokussierung auf rein ökonomische Aspekte der Versorgung müsse angesichts der Herausforderungen der demografischen Entwicklung mit immer mehr alten Menschen überdacht werden. Die Demographie und die daraus resultierende drastisch steigende Zahl Pflegebedürftiger sei die große Herausforderung für das Gesundheitswesen. Der Fokus müsse daher viel stärker auf die Prävention von Erkrankungen und auf die Eigenverantwortung der Patienten wechseln. Zugleich müssten die Heilberufler von der übermäßigen Bürokratie entlastet werde.
Es müsse unter einer neuen Bundesregierung disruptive Veränderungen geben, um diese Probleme erfolgreich angehen zu können, konstatierte er. Der Berufsstand müsse gerade jetzt eine Zeitenwende fordern, seine eigene Zukunft und die Freude am Beruf wieder fördern.
Benz fokussiert zudem auf zwei weitere Kernpunkte der Arbeit der BZÄK: Das Vernetzen und Netzwerken mit möglichst vielen Playern im Gesundheitswesen und die Ausbildung der Zahnärztinnen und Zahnärzte auch in berufspolitischen und wirtschaftlichen Fragestellungen in der AS Akademie.
Neue Belastungen durch unsinnige bürokratische Vorgaben
Von Laffert machte den Delegierten an Beispielen drastisch deutlich, wie die Belastung durch Vorgaben und Dokumentationspflichten für die Praxen immer weiter steige. Das führe auch dazu, dass immer mehr ausgebildetes Fachpersonal sich außerhalb der Zahnarztpraxen neue berufliche Perspektiven suche, weil die eigentliche Arbeit am Patienten angesichts der ständig neu hinzukommenden Verwaltungsaufgaben etc. immer mehr in den Hintergrund rücke.
Problem sei, dass die zuständigen Behörden und Institute wie das Robert-Koch-Institut und andere alles am Krankenhausstandard messe. Die Besonderheiten und Belange der ambulanten Versorgung spielten da keine Rolle, es würde ohne Augenmaß und Blick auf die reale Situation zum Beispiel beim Infektionsrisiko in Praxen einfach entschieden. Schlagendstes Beispiel sei der Versuch, eine validierte Wischdesinfektion durchzudrücken.
Mehr Azubis, noch kein Erfolg bei iMVZ
Allerdings könne die Zahnärzteschaft auch auf einige Erfolge stolz sei. So sei es gelungen, die Zahl der Auszubildenden zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) um 12,9 Prozent zu erhöhen. Die Praxen müssten aber nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für das Halten der Fachkräfte und für ausländisches Fachpersonal als Arbeitgeber attraktiv sein.
Frustriert berichtet er von den Bemühungen, strengere Regelungen für investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) in der Politik zu erreichen. Vor allem die FDP und die Union verweigerten sich der Regulierung, und auch die SPD bleibe untätig.
Zukunft selbst in die Hand nehmen
Dr. Romy Ermler appellierte an die Delegierten und die Kammern, jetzt aktiv zu werden. Der von Lauterbach angekündigte „Herbst der Reformen“ falle aus – jetzt gelte es, nachzujustieren und bei den aufgeschobenen notwendigen Problemlösungen Druck im Interesse der Zahnärzteschaft und der Patienten zu machen. „Wenn wir unsere Zukunft ernst nehmen, sollten wir sie selbst in die Hand nehmen.“
Auswahlverfahren für das Studium ändern
Sie adressierte in diesem Zusammenhang unter anderem das Auswahlverfahren für das Zahnmedizinstudium, das dringend überarbeitet werden müsse. In den Kammern gebe es viele Impulse und Ideen, um dem Berufsnachwuchs den Einstieg zu erleichtern Zugleich appellierte sie an die Kolleginnen und Kollegen, mehr positive Botschaften aus dem Berufsstand zu senden. Aufgabe der BV und der BZÄK sei es, alle Kolleginnen und Kollegen zu vertreten und deren Interessen zu berücksichtigen, auch die der Angestellten und der Frauen.
Klares Votum für reformiertes duales System
Ermler formulierte dazu auch klare Forderungen an die Politik zum Erhalt des dualen Gesundheitssystems. „Wir brauchen reformiertes duales Krankenversicherungssystem mit mehr Eigenverantwortung der Patienten“, so Ermler unter Bezug auf das Papier reformierte Dualität von 2013. Man erwarte von neuer Regierung klares Bekenntnis zum dualen System, keine Staatsmedizin und keine Bürgerversicherung, erklärte sie unter Beifall. Sie appellierte zudem an die Zusammenarbeit aller: „Wenn wir Situation verbessern wollen, müssen wir gemeinsam agieren.“
Arbeitsfeld GOZ: Neue Informationsangebote
Zu Ermlers Arbeitsfeld gehört auch die GOZ. Sie betonte, dass der vorliegende Entwurf zu einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) definitiv keine Blaupause für eine GOZ-Novellierung sein dürfe. Hierüber habe man auch Einigkeit mit dem PKV-Verband erzielt. Man beobachte die Entwicklung mit Skepsis.
Zur GOZ haben die zuständigen Gremien und der Vorstand viele der Aufträge der Delegierten umgesetzt, wie später auch Jost Rieckesmann, Vorsitzender des GOZ-Strategieausschusses und Kammerpräsident Westfalen-Lippe, erläuterte. So gibt es eine neue Website zur GOZ mit dem digitalen, immer aktuellen GOZ-Kommentar und allen Beschlüssen des Beratungsgremiums mit PKV und Beihilfe zum Beispiel zu Analogberechungen.
Neue App zur GOZ-Anwendung
Umgesetzt wurde auch die Information und Aufklärung zur intensiveren Nutzung der Möglichkeiten zur freien Vereinbarung und Analogberechnung in den Paragrafen 2 und 6 der GOZ. Dazu gibt es in Kürze eine eigene App, die alle Informationen dazu enthält und Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um freie Vereinbarung und Analogberechnung bietet.
Neue Musterweiterbildungsordnung
Zum Thema Neubeschreibung der Musterweiterbildungsordnung für den Fachzahnarzt für Kieferorthopädie und den Fachzahnarzt für Oralchirurgie bat die hessische Kammerpräsidentin Dr. Doris Seiz die Delegierten um ein starkes Votum. Man werde den Kammern zeitnah auch entsprechende Informationen und Hilfen für die Umsetzung zur Verfügung stellen. Wichtig sei, dass nicht nur formale Anforderungen wie Zeiten eingehalten würden, sondern auch die Qualität der Weiterbildung hochgehalten werde. Die Delegierten folgten dem Antrag des Vorstands und beschlossen die neue Ordnung mit einer Enthaltung.
Dass die Umsetzung in der Praxis nicht einfach werde, betonte der Kieferorthopäde Dr. Karl Reck aus Nordrhein. Nicht zuletzt, weil die regionalen Bedingungen sehr unterschiedlich seien und gerade bei der Oralchirurgie anders als in der KfO. So gebe es kaum noch oralchirurgische Lehrstühle. Er forderte daher die Anstrengung aller, um die neue Ordnung gut umzusetzen.
Drei Satzungsänderungen inklusive Verkleinerung der BV beschlossen
Insgesamt standen drei Satzungsänderungen und eine Anpassung der Geschäftsordnung auf der Tagesordnung. Neu formuliert wurde die Regelung für den Austritt aus der Bundeszahnärztekammer, die nun mit einer finale Austrittfrist von zwei Jahren geregelt ist. Beschlossen wurde, dass Sitzungen der BV auch komplett virtuell abgehalten werden können, wenn besondere Bedingungen dies erfordern. In diesem Zusammenhang wurde auch die Möglichkeit der digitalen Stimmabgabe neu in die Satzung aufgenommen.
Ein Problem: Mehr Kammermitglieder, mehr Delegierte
„Knackpunkt“ war dann der Antrag zur Begrenzung der Delegiertenzahl für die Bundesversammlung und eine damit verbunden Neuberechnung der Delegierten je Kammer. Hintergrund des Auftrags an den BZÄK-Vorstand war die seit Jahren steigende Zahl der Delegierten, die in Zukunft noch weiter steigen würde. Grund dafür sind die nun verstärkt in den Ruhestand gehenden Kammermitglieder aus den Babyboomer-Jahrgängen, die zudem eine deutlich höhere Lebenserwartung haben. Damit steigt die Zahl der Kammermitglieder insgesamt und so die Zahl der zu stellenden Delegierten. Waren es 2005 noch 135 Delegierte, kamen 2024 bereits 169 Zahnärztinnen und Zahnärzte als Vertreter ihrer Kammern nach Hamburg.
Breyer appellierte an die Delegierten: Man kritisiere immer wieder, dass Verwaltungen, Krankenkassen, Bundestag etc. zu groß seien. „Jetzt ist es an uns, es besser zu machen“, sagte er. „Diese Versammlung sollte die Größe haben, sich zu verkleinern“, so Breyer, und erhielt dafür viel Beifall.
Begrenzung der BV auf 139 Mitglieder
Nun ist mit 143 Ja-Stimmen – gegen die Stimmen von Delegierten vorwiegend aus Bayern und einigen Enthaltung – eine Verkleinerung der BV auf 139 Mitglieder beschlossen worden. Der Beschluss wurde mit großem Beifall bedacht. Der Verteilungsschlüssel nach dem Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë führt dazu, dass vor allem große Kammern in Zukunft weniger Delegierte (einen bis sechs weniger) stellen. Danach vertritt jetzt ein Delegierter 524 Zahnärztinnen und Zahnärzte (vorher 426).
Studierende zu Gast
Auch diesmal war eine Delegation des Bundesverbands der Zahnmedizinstudierenden in Hamburg zu Gast, die parallel tagte. Neben dem Austausch beim Get together am Freitag gab es am Samstag ein Foto mit dem Vorstand, nachdem vom bdzm-Vorsitzenden Dr. Anton Hager sowohl BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz als auch der früherer Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, ZA Harald Schrader, mit einer vergoldeten Zahnbürste symbolisch für ihr Engagement für die Studierenden geehrt wurden. Unter anderem ist es der BZÄK gelungen, die in der neuen Approbationsordnung praktisch nicht durchführbaren Prüfungen in eine praktikable Ordnung zu bringen.
Der von mehreren Delegierten geforderte stärkere politische Spirit und die Fokussierung auf wenige, klare politische Forderungen, die der Vorstand im anstehenden Wahlkampf und in der Regierungsbildungsphase an die Politik bringen könne, blieb bis auf die beiden Resolutionen aus. Die politischen Beschlüsse sollen ab 20. November 2024 auf der Website der BZÄK eingestellt werden.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: „Die Anliegen der aktiven Zahnärzteschaft vertreten“.