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Bundessozialgericht: GKV-Wahltarife sind rechtswidrig – PKV sieht sich bestätigt

Gesetzliche Krankenkassen dürfen nicht unbegrenzt Wahltarife für ihre Versicherten zum Beispiel zur Zahngesundheit, häuslicher Krankenpflege oder besonderem Auslandskrankenschutz bewerben und anbieten. Das Bundessozialgericht in Kassel hat dazu in einem Revisionsverfahren entschieden und dem klagenden privaten Versicherungsunternehmen (Continentale) Recht gegeben.

Unternehmen der privaten Krankenversicherung haben Anspruch darauf, dass gesetzliche Krankenkassen das Bewerben und Anbieten von in ihrer Satzung geregelten Wahltarifen für Gestaltungsleistungen wie besonderen Auslandskrankenschutz unterlassen, soweit sie dadurch ohne gesetzliche Ermächtigung ihren Tätigkeitskreis erweitern, so der 1. Senat des Bundessozialgerichts (Az.: B 1 KR 34/18 R).

Der Senat hat die Revision der beklagten Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg zurückgewiesen und auf die Anschlussrevision des klagenden privaten Krankenversicherungsunternehmens der Kasse das Bewerben und Anbieten aller angegriffenen Wahltarife untersagt. Hierfür kann sich die Klägerin auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch berufen, heißt es in der Pressemeldung des Kasseler Gerichts.

Schutz der Privaten Krankenversicherung

Die Regelungen über Gestaltungsleistungen für Krankenkassen kraft Satzung in Form von Wahltarifen (Paragraf 53 Absatz 4 SGB V) und Leistungserweiterungen (Paragraf 11 Absatz 6 SGB V) sind für die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung „drittschützend“. Indem der Gesetzgeber selektiv und abschließend den Krankenkassen ermöglicht, zusätzliche freiwillige Leistungen in ihren Satzungen vorzusehen, schützt er zugleich die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung vor anderen, nicht von ihm autorisierten Marktzutritten.

Kassen dürfen Leistungskatalog nicht frei ausdehnen

Die genannten Satzungsermächtigungen ziehen hierbei generelle Grenzen. „Die gesetzliche Ermächtigung zum Wahltarif Kostenerstattung ermächtigt nicht zu einer Ausdehnung des Leistungskatalogs zum Beispiel um zusätzliche Auslandsleistungen, sondern lediglich zu einem Wahltarif mit einer höheren Kostenerstattung als nach dem gesetzlichen Grundmodell gewillkürter Kostenerstattung“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Soweit die Beklagte Wahltarife für Zahngesundheit und häusliche Krankenpflege vorsieht, missachtet sie, dass leistungserweiternde Gestaltungen nur als Leistungen für alle Versicherten einer Krankenkasse möglich sind, die mit dem allgemeinen Beitrag abgegolten werden.

Übergriff in den privatwirtschaftlichen Zusatzversicherungsmarkt

Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) begrüßte die Entscheidung, dass sämtliche von der AOK Rheinland/Hamburg als Wahltarife angebotene Zusatzversicherungen unzulässig sind. Verbandsdirektor Florian Reuther erklärte: „Wir freuen uns, dass nach mehr als zehn Jahren Rechtsstreit nun das Bundessozialgericht die Rechtsauffassung des PKV-Verbandes bestätigt, dass derartige Wahltarife in gesetzlichen Krankenkassen rechtswidrig sind. Sie überschreiten den gesetzlichen Rahmen für Leistungen der GKV und führen zu unzulässigen Wettbewerbsverzerrungen. Solche Wahltarife sind systemfremd in der GKV und ein Übergriff in den funktionierenden privatwirtschaftlichen Zusatzversicherungsmarkt.“

Das Gericht unterstreiche damit die Bedeutung der privaten Zusatzversicherung als sachgerechte Form der Absicherung von Leistungen, die über das Pflichtprogramm der GKV hinausgehen.

Schutz für die Versicherten

Aus Sicht des PKV-Verbands seien solche Wahltarife in der GKV ordnungspolitisch verfehlt. Außerdem bleibe der Verbraucherschutz auf der Strecke: „Da Krankenkassen einen Wahltarif jederzeit schließen können, entfällt für die GKV-Versicherten der entsprechende Versicherungsschutz ersatzlos. Dies ist bei einer PKV-Zusatzversicherung aufgrund des lebenslangen Leistungsversprechens nicht möglich“, so Reuther.

Auch das Bundesversicherungsamt (BVA) habe laut Reuther bemängelt, dass Wahltarife in der GKV „zu häufig nicht zu der vom Gesetzgeber gewollten tatsächlichen Verbesserung der Versorgung“ führten. Sie würden „von Krankenkassen stattdessen immer wieder vor allem dazu genutzt, neue Mitglieder zu gewinnen oder aktuelle Mitglieder zu halten, ohne für sie einen echten Mehrwert zu schaffen“, so das BVA.

AOK zweifach unterlegen

Die AOK Rheinland/Hamburg kündigte an, für die rund 500.000 Versicherten, die diese Tarife in Anspruch genommen hätten, schnell eine Alternativlösung anzubieten, berichtet die Rheinische Post. Sie war vor dem BSG auch in einem zweiten Punkt noch unterlegen – die Kasseler Richter untersagten ihr, mit Vorteilsangeboten von Partnern um neue Versicherte zu werben.

Titelbild: Das Bundessozialgericht im Kassel. (Foto: Bundessozialgericht/Dirk Felmeden)
Reference: Quintessence News Wirtschaft Nachrichten Politik

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