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Umfrage belegt kritische Personalsituation in Zahnarztpraxen – Zi-Congress „Versorgungsforschung“ diskutiert Situation und Konzepte in der ärztlichen Versorgung

„Unsere Mitarbeitenden sind das Herz unserer Praxen“, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges.

(c) Zulya Galbatsova/Shutterstock.com

Auch Zahnarztpraxen in Deutschland leiden wie andere Branchen unter dem Fachkräftemangel. Die bereits schwierige Lage der Praxen infolge der aktuellen politischen Rahmenbedingungen wird sich ohne geeignete Maßnahmen in Zukunft noch verschärfen.

Dies sind zentrale Ergebnisse einer repräsentativen bundesweiten Umfrage zur Personalsituation in den Zahnarztpraxen, die vom Zentralinstitut für Kassenärztliche Versorgung (Zi) im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) durchgeführt wurde.

Nur gut ein Drittel mit guter Personalsituation

Lediglich rund ein Drittel der Praxen, die an der Befragung teilgenommen haben, bewertet die eigene Personalsituation aktuell noch als gut oder sehr gut. Dagegen beurteilen 40 Prozent ihre Personalsituation als schlecht oder sehr schlecht. Fehlendes Fachpersonal führt schon jetzt zu konkreten Einschränkungen im Praxisalltag: Rund 43 Prozent der teilgenommenen Praxen mussten bereits das Behandlungsangebot reduzieren, was fatale Folgen für die Patientenversorgung hat.

„Herz unserer Praxen“

Hierzu erklärt Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV: „Unsere Mitarbeitenden sind das Herz unserer Praxen. Ihre Arbeit ist eine entscheidende Grundlage für die Funktionsfähigkeit der Praxen und damit für eine flächendeckende, qualitativ hochwertige zahnärztliche Versorgung.“

Gute und verlässliche Rahmenbedingungen gefordert

Laut Umfrage erwarten fast alle Praxen künftig eine Beeinträchtigung ihres Praxiserfolgs aufgrund des Fachkräftemangels. „Das ist ein deutliches Alarmsignal an die gesundheitspolitisch Verantwortlichen in unserem Land endlich zu erkennen, dass bewährte Versorgungsstrukturen auf dem Spiel stehen“, mahnt Hendges und fordert von der Politik gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten Praxen.

Großer Mangel an ZFA, ZMF und ZMV

Händeringend gesucht sind nach Aussagen der Praxen vor allem Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA), Zahnmedizinische Fachassistenz (ZMF) und Zahnmedizinische Verwaltungsassistenz (ZMV). Aber auch bei Zahntechnikerinnen/Zahntechnikern und sonstigem Personal wird die Personalsuche als schwierig eingeschätzt. Auf eine offene Stelle gibt es im Durchschnitt lediglich 3,5 Bewerbungen, von denen der Großteil (knapp 2,6) nicht dem Anforderungsprofil entspricht.

Im Schnitt sechs Monate Suche für eine Stelle

Gründe dafür sind vor allem mangelnde theoretische wie praktische Fachkenntnisse, teilweise aber auch fehlende Sprachkenntnisse und andere nicht-fachliche Aspekte. Dies führt dazu, dass die Personalsuche unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt – durchschnittlich etwa sechs Monate, bis die Stelle besetzt werden konnte. Jedoch konnten 54 Prozent der Praxen, die in den vergangenen zwei Jahren nicht-zahnärztliches Personal gesucht haben, nicht einmal jede Stelle besetzen. Mittlerweile geht sogar nur noch rund ein Viertel der Praxen davon aus, in den kommenden zwei Jahren keine Schwierigkeiten zu haben, geeignetes nicht-zahnärztliches Personal zu finden.

Überbordende Bürokratie verschärft Fachkräftemangel zusätzlich

Durch eine erhebliche Zunahme regulatorischer Vorgaben wird der Alltag in den Zahnarztpraxen in großem Maße von Bürokratielasten und Verwaltungsaufgaben beeinträchtigt. Nicht nur die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte sind hiervon betroffen: Auch ihre Praxisteams fühlen sich erheblich belastet, weil der bürokratische Aufwand für sie immer größer wird. Große Teile wertvoller Zeit, die eigentlich der Versorgung der Patientinnen und Patienten zugutekommen sollte, werden durch diese Aufgaben gebunden.

Mehr Zeit für die Patienten

„Es muss dringend verhindert werden, dass unsere Fachkräfte aufgrund hoher Arbeitsbelastungen infolge einer überbordenden Bürokratie die Freude an ihrem Beruf verlieren und in andere Berufe abwandern. Hier ist die Politik in der Pflicht, jetzt geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Bürokratie auf das Nötigste zu reduzieren. Den Praxen muss wieder mehr Zeit für ihre Arbeit mit den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen anstatt Bürokratie und Verwaltungsarbeit bewältigen zu müssen“, betont Hendges und appelliert an Bundesgesundheitsminister Lauterbach, endlich wieder die Versorgungsrealität in den Blick zu nehmen anstatt bewährte Strukturen zu zerstören.

Hintergrund zur Umfrage
Aufgrund der Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit, die den Beruf der ZFA bereits im Mai 2023 als Beruf mit erkennbarem Personalmangel auswies, wurde in der Erhebung 2023 zum Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) der Fachkräftemangel in Zahnarztpraxen mit einem Sonderfragebogen abgefragt – mit hoher Resonanz: 1.900 Zahnärztinnen und Zahnärzte haben die zusätzlichen Fragen zur Personalsituation beantwortet.

Das ZäPP wird vom Zi im Auftrag der KZBV durchgeführt. Ziel ist, eine wissenschaftlich fundierte und repräsentative Datengrundlage zu schaffen, welche die Versorgungs-, Einnahmen- und Kostenstrukturen der Vertragszahnarztpraxen in Deutschland darstellt. Die Erhebung erfolgt in Form eines Panels, bei dem möglichst gleichbleibende Teilnehmende über mehrere Jahre hinweg Auskunft geben.

Zi diskutiert Szenarien und Folgen für die ambulante ärztliche Versorgung

Das Zi hat eine solche Erhebung auch für den vertragsärztlichen Bereich durchgeführt, die Ergebnisse wurden am 18. und 19. September 2024 auf dem „Zi-Congress: Versorgungsforschung“ diskutiert und Forderungen formuliert. Themen waren unter anderem das Ausweiten der ärztlichen Delegation und neuer Versorgungsmodelle und die Frage, wie schwindende ärztliche Ressourcen effizienter eingesetzt werden können. „Vertragsärztliche Versorgung braucht einen Paradigmenwechsel: Mehr Förderung, weniger Kontrolle“, so der Tenor.

MFA wechseln in den besser bezahlten stationären Bereich

Obwohl in Praxen flächendeckend medizinische Fachangestellte (MFA) ausbildet werden, wird dort händeringend nach qualifiziertem nicht-ärztlichem Personal gesucht – immer häufiger ohne Erfolg. Schlimmer noch: Von den aktuell 330.000 bei Niedergelassenen angestellten MFA wechseln immer mehr in den stationären Versorgungsbereich. Der Grund: Eine oftmals bessere Vergütung, die die Kliniken ihren Mitarbeitenden aufgrund günstigerer Finanzierungsgrundlagen anbieten können sowie weniger Bürokratie und IT-Dysfunktionalität.

Rare Ressource Praxisinhaber

Aber nicht nur bei den MFA, auch bei den Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern wird es knapp, sie werden immer mehr zu einer raren Ressource auf dem hart umkämpften Markt der ärztlichen Gesundheitsversorgung, hieß es. „Insbesondere zwei Gründe sind hierfür maßgeblich: Der allmähliche Renteneintritt der geburtenstarken „Baby-Boomer“-Jahrgänge 1955-1969 sowie der ungebrochene Trend zur Teilzeitarbeit. Dieser führt zu einem stetigen Rückgang der verfügbaren Arbeitszeit. Hohe Renteneintrittszahlen, sinkende Versorgungsleistungen je Ärztin/Arzt und die weiter dynamisch steigende Inanspruchnahme einer immer älter werdenden Bevölkerung – diese drei Faktoren führen zu großen Herausforderungen, die medizinische Versorgung in Zukunft abzusichern. Fazit: Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass im deutschen Gesundheitswesen bis 2035 knapp 1,8 Millionen offene Stellen nicht mehr besetzt werden können, weil qualifizierte Arbeitskräfte fehlen“, heißt es in der Analyse des Zi zur Veranstaltung.

Zeitenwende in der ambulanten Versorgung

„Wir stehen in der ambulanten ärztlichen Versorgung vor einer Zeitenwende. Aus dem vermeintlichen personellen Überangebot ist eine drohende medizinische Unterversorgung geworden. Tatsache ist: Die tragende Säule der medizinischen Versorgung in Deutschland wird personell deutlich dünner werden. Kostensprünge und Bürokratielast zehren die Praxen zusätzlich aus. Handfeste wirtschaftliche Nachteile gegenüber den Kliniken demotivieren die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber zunehmend, eine dysfunktionale IT-Infrastruktur tut ihr Übriges. Was die vertragsärztliche Versorgung jetzt braucht, ist kein Weiter so, sondern einen Paradigmenwechsel: Mehr Förderung, weniger Kontrolle.“ Dies sagte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried, zur Eröffnung des zweitägigen Zi-Congresses „Versorgungsforschung 2024“ in Berlin.

Delegation und Kooperation als Mittel für mehr Effizienz

Über Delegation und Kooperation könnten Praxen die rare Ressource Arztzeit noch effizienter für die Behandlung der Patientinnen und Patienten einsetzen und damit dem steigenden Versorgungsbedarf gerecht werden, so Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Das Modell der Zukunft sei das der Teampraxis, in der sich unterschiedliche Gesundheitsberufe entsprechend ihrer Kompetenzen und Erfahrungen optimal ergänzen. Dies könne allerdings nur dann effizient gelingen, wenn neue Berufsbilder an die Praxen angebunden würden, anstatt als eigenständige Leistungserbringer mit neuen Schnittstellen zu bestehenden Versorgungsstrukturen eingeführt zu werden.

Neue Berufsgruppe „Physician Assistent“

Eine zentrale Stellung nehme hierbei die neue Berufsgruppe des Physician Assistent ein, zu dem sich immer mehr MFA in praxisnahen Studiengängen für einen deutlich erweiterten Delegationsrahmen qualifizierten. Diese Perspektiven leisteten einen Beitrag dazu, nichtärztliche Fachkräfte im Beruf und in ihren jeweiligen Regionen zu halten. Deshalb sei die Zusatzqualifikation nichtärztlicher Praxismitarbeitender ein hochrelevantes Thema für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, machte Schrage deutlich.
Für den zahnärztlichen Bereich sind solche Modelle wegen der spezifischen Anforderungen der zahnärztlichen Versorgung und des engeren Delegationsrahmens sicher nur begrenzt umsetzbar.

Digitalisierung ein Schlüssel – wenn sie integriert wird

In einer Diskussionsrunde zu den Perspektiven der Gesundheitsversorgung bekräftigten die Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, Dr. Annette Rommel, und die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Prof. Dr. Henriette Neumeyer, die überragende Bedeutung der Digitalisierung für die medizinische Versorgung von morgen. Digitalisierung könne einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Fachkräftemangel zu entschärfen.

Gesundheitswesen digital konkurrenzfähig machen

Es sei jedoch wichtig, dass die Digitalisierung in die Arbeitsprozesse integriert und nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen werde. Tatsächliche Entlastung durch Digitalisierung werde erlebbar, wenn diese Arbeitsprozesse erleichtert und mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten schafft. Mit der digitalen Abbildung der bisherigen Überbürokratie sei allerdings nichts gewonnen. Das Gesundheitswesen müsse daher vor allem digital konkurrenzfähig gemacht werden, um im „war of talents“ mit anderen Branchen bestehen zu können, so ein Fazit des Versorgungsforschungskongresses. Die Dokumente und Präsentationen des Kongresses können online abgerufen werden.

 

Reference: Praxis Studium & Praxisstart Team Politik

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