Bei Problemen im Mund und an den Zähnen erstmal die App fragen? Das Angebot gibt es jetzt für die Versicherten der Barmer und wird von der Kasse auch auf Social Media beworben. Die aktuell mit mehr als 8,5 Millionen Versicherten zweitgrößte deutsche gesetzliche Krankenkasse stellt diesen in Kooperation mit der Dentinostic GmbH Neuss die gleichnamige App kostenfrei zur Verfügung. Benutzerkonto bei der Barmer reicht.
Die von der Zahnärztin und Fachzahnärztin für Oralchirurgie Dr. med. dent. Tina Mandel und Dirk Mandel unter der Firmierung Healthyverse GmbH in Neuss entwickelte und vermarktete „dentinostic“-App ist seit gut einem Jahr in den einschlägigen App-Stores verfügbar. Im App-Store von Apple gibt es 23 Bewertungen, die letzten von Anfang dieses Jahres.
Zunächst prominente Namen unter den App-Zahnärzten
Die Nutzer müssen sich registrieren, einen Fragebogen zu ihren Beschwerden ausfüllen und einen Film ihrer Mundsituation mit dem Smartphone aufnehmen. Auf dieser Grundlage wird von den für die App tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzten – hier waren bis zum 12. August 2024 neben Mandel unter anderen auch ZA Christian Berger, Präsident des BDIZ EDI und früherer Zahnärztekammerpräsident und KZV-Chef in Bayern, und der frühere nordrheinische Zahnärztekammerpräsident Dr. Johannes Szafraniak aufgeführt – ein persönlicher Arztbericht mit Befund/Diagnose und Therapieempfehlungen erstellt. In der Regel soll der in nicht mehr als vier Stunden (bei der Barmer 24 Stunden) nach Video-Upload vorliegen. Auch Verordnungen für Medikamente können laut Info über die App ausgestellt werden.
Abrechnung nach GOZ, für Barmer-Versicherte kostenlos
Für Nutzer, die nicht Barmer-Versicherte sind, wird dafür eine Gebühr nach der Gebührenordnung für Zahnärzte in Höhe von mindestens 32,50 Euro fällig. Es wird darauf hingewiesen, dass alle für die Begutachtung tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte, derzeit sind es sechs, eine deutsche Zulassung haben.
Gründerin auch mit einem Blog unterwegs
Dr. Tina Mandel, lange Jahre Oberärztin an der Klinik für Mund-, Kiefer- Gesichtschirurgie der Universität Köln, betreibt unter „dr-dentina“ auch einen Info-Blog rund um Zahnthemen mit einem Newsletter, der nach Angaben auf der Blogseite mehr als 15.000 Abonnenten hat.
(Auch an die Dentinostic-Macher hat Quintessence News Anfang August Fragen gestellt. Die Antworten liegen inzwischen vor und sind in einem eigenen Beitrag aufbereitet: „App steht in allen Zahnärzten zur Verfügung“, -MM)
Barmer sieht neue Potenziale für die Versorgung
Vonseiten der Barmer gab es auf die Fragen von Quintessence News zum Einsatz der App, zur Sicherheit der Diagnostik und Therapie und dem erwarteten Nutzen folgendes Statement: „Die Barmer bietet ihren Versicherten zahlreiche digitale Angebote zum Beispiel in der Allgemeinmedizin, der Inneren Medizin, der Orthopädie und der Frauenheilkunde an. Dahinter steckt die Auffassung, dass die Digitalisierung neue Potenziale bei der Versorgung der Versicherten bietet. Mit telemedizinischen Angeboten können reguläre Öffnungszeiten erweitert und auch am Wochenende oder an Feiertagen angeboten werden. Kombiniert mit elektronischen Rezepten und Verordnungen können so Versorgungspfade volldigitalisiert werden“.
Niedrigschwelligen Zugang anbieten
Zudem sei der Zugang zu telemedizinischen Angeboten sehr niedrigschwellig, so die Barmer. Durch die Kooperation mit Dentinostic will die Barmer ihren Versicherten auch im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung diesen niedrigschwelligen Zugang ermöglichen. Insbesondere bei Zahnarztangst, bei zeitlichen Einschränkungen oder eingeschränkter Mobilität kann eine digitale Ersteinschätzung dabei helfen, Zahnprobleme frühzeitig zu erkennen und das passende Versorgungsangebot zu finden. Vor diesem Hintergrund mag das Angebot unter anderem für pflegebedürftige Personen besonders attraktiv sein, die in ihrer Mobilität in der Regel eingeschränkt sind. Grundsätzlich richtet sich das Angebot aber an alle Versicherten.“
Im Vorfeld Untersuchung zur Qualität in Auftrag gegeben
Zur Frage der Sicherheit und Qualität der Befunde heißt es vonseiten der Barmer: „Dentinostic betreibt keine eigene Zahnarztpraxis, sondern stellt eine Plattform zur Verfügung. Über diese können approbierte und niedergelassene Zahnärzte mit Kassensitz ihre Leistungen erbringen. Bezüglich der Qualität hat die Barmer im Vorfeld der Kooperation eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Sie befasst sich mit der Frage, inwiefern Diagnosen über Dentinostic sich mit Diagnosen in Zahnarztpraxen decken. Dabei zeigt die Studie eine hohe Übereinstimmung“.
Barmer sieht keine Konkurrenz zur Praxis
Die Kasse sieht in der App keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung: „Wichtig ist aus Sicht der Barmer, dass dentinostic keine Konkurrenz zu Zahnarztpraxen darstellen, sondern das bestehende Versorgungsangebot ergänzen soll. Manches wie Mundgeruch oder Aphten im Mund lässt sich mitunter bereits mit einer digitalen Einschätzung und einem Behandlungsplan selbst behandeln“, so das Statement der Barmer. Allerdings kann eine digitale Lösung keine physische Behandlung ersetzen, sondern nur unterstützen. In den Fällen, in denen nicht sichtbare Zahnprobleme nur unzureichend erkannt werden, empfiehlt dentinostic einen Zahnarztbesuch. Ein Arztbrief, der im Rahmen der Ersteinschätzung zur Verfügung gestellt wird, unterstützt die Zahnärzte vor Ort bei der weiteren Behandlung. Auf Basis der Ersteinschätzung können zudem gezieltere Termine vergeben werden.“
Auch Nicht-Zahnarzt-Geher erreichen
Unter dem Strich verspreche man sich von dem Angebot eine noch einfachere und umfassendere zahnmedizinische Versorgung, da es nun einen weiteren Zugangsweg gibt. „Im Optimalfall lassen sich so auch Versicherte erreichen, die gar nicht oder erst sehr spät zum Zahnarzt gehen würden“, so die Krankenkasse.
Streit mit Hautärzten um digitalen Hautcheck
Die Barmer treibt digitale Anwendungen für ihre Versicherten auch in anderen Bereichen voran. Seit einiger Zeit gibt es in der „Barmer Teledoktor-App“ einen „digitalen Hautcheck“, wo die Versicherten Fotos betroffener Hautstellen oder Leberflecke hochladen können und innerhalb von 48 Stunden eine hautärztliche Einschätzung und gegebenenfalls ein Rezept erhalten (montags bis freitags). Auch eine „dermatologische Videosprechstunde“ wird angeboten.
Telemedizinische Beratung nur bei auch möglicher Präsenzvorstellung
Vonseiten des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen (BVDD) kommt harsche Kritik an diesem Angebot, wie das „Deutsche Ärzteblatt“ berichtet. Die Dermatologen kritisieren, dass ein einzelnes Foto zur Begutachtung kritischer Muttermale nicht ausreiche. Auch sei nicht ersichtlich, welche Fachärzte mit welcher Qualifikation die Begutachtung der hochgeladenen Bilder vornähmen. Das Angebot stehe zudem im Widerspruch zu einem Beschluss des Deutschen Ärztetags, nach dem telemedizinische Beratungen nur von Ärzten angeboten werden sollten, die auch eine Präsenzvorstellung bei unklaren Fällen anbieten könnten.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Korrektur vom 13. August, 2024, 11.20 Uhr: In der ersten Fassung des Beitrags vom 12. August 2024, 16 Uhr, hieß es, dass auch die früheren Kammerpräsidenten Christian Berger und Dr. Johannes Szafraniak unter den Beratungszahnärzten seien. Die beiden genannten wurden inzwischen von der Dentinostic-Homepage entfernt. Die Passage wurde daher korrigiert. -Red.
Korrektur vom 22. August 2024: Die Antworten von Dentinostic liegen inzwischen vor und sind in einem eigenen Beitrag aufbereitet, der entsprehcende Link wurde eingepflegt. -Red.