Die Zahnärztekammer Nordrhein warnt vor Behandlungen mit transparenten Schienen bei gewerblichen Aligner-Start-ups. Viele Kunden von gewerblichen Aligner-Start-ups beschwerten sich über Komplikationen nach der Behandlung mit unsichtbaren Zahnschienen. Grund dafür sei die meist unzureichende zahnärztliche Betreuung – die zu teuren Nachbehandlungen oder gar Zahnverlust führen könne, so die Kammer.
Gerade Zähne für wenig Geld – mit diesem Versprechen werben Aligner-Start-ups in Castingshows oder Social Media um Kundschaft. Durch eine Fern-Behandlung mit Alignern (auch bekannt als unsichtbare Zahnschienen) könne jede Fehlstellung leicht korrigiert werden, so die Botschaft der Anbieter. Doch oft gehe dieses Versprechen nicht auf. Im Gegenteil. Kunden berichteten von Wunden im Zahnfleisch, starken Schmerzen im Kiefer und neuen Zahnlücken, so die Kammer weiter.
Kritische Berichte in den Medien
Denn der günstige Preis habe einen Haken: die Qualität. Eine zahnärztliche Betreuung findet in den meisten Fällen nicht statt. Nach der Anfertigung eines Gebiss-Scans in einer Partnerpraxis des Unternehmens werde der Behandlungsverlauf als Simulation am Computer errechnet. Etwaige Fortschritte werden nicht durch einen approbierten Zahnarzt kontrolliert, sondern vom Patienten mit der Selfie-Kamera seines Smartphones dokumentiert. „Was diese Unternehmen machen, hat nichts mit Zahnmedizin zu tun“, sagt Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kam kürzlich ein Bericht des NDR-Formats „Markt“, in dem eine Kieferorthopädin die Behandlungspläne von Aligner-Start-ups analysierte – und dabei ein vernichtendes Urteil fällte: „Ich bin geschockt […], wie mit diesem sensiblen Kausystem und der Gesundheit von Menschen umgegangen wird.“
Aligner-Behandlungen sind keine Kosmetik
Denn bei den Zahnschienen handelt es sich nicht um Kosmetik, so die Kammer weiter. Bei Aligner-Behandlungen wirken enorme Kräfte auf den Kiefer, weshalb eine zahnärztliche Betreuung unerlässlich ist. „Folglich führt die Fernbehandlung der Aligner-Start-ups häufig zu Komplikationen: Zahnlücken tun sich auf, im schlimmsten Fall droht der Verlust einzelner Zähne. Um Schäden zu korrigieren, sind oft Nachbehandlungen bei Kieferorthopäden notwendig – mit Folgekosten von bis zu 10.000 Euro“, heißt es in der Presseinformation.
Kunden suchen Hilfe bei der Kammer
Viele der Kunden wenden sich dann an die Zahnärztekammer Nordrhein, die die Betroffenen bei der Überprüfung von vermuteten Behandlungsfehlern unterstützt. Gleichzeitig werden im Rahmen der Berufsaufsicht rechtliche Handlungsmöglichkeiten gegen die gewerblichen Aligner-Start-ups geprüft. Denn nach Auffassung der Zahnärztekammer Nordrhein darf das Angebot von zahnärztlichen Leistungen in dieser Form überhaupt nicht existieren.
Klare gesetzliche Vorgaben gefordert
„Wir benötigen klare gesetzliche Vorgaben auf Bundesebene, damit nicht berufsfremde Dritte Zahnheilkunde anbieten“, fordert Kammerpräsident Hausweiler, „denn Zahnheilkunde gehört nicht in einen Kiosk.“ Patienten sollten daher unter keinen Umständen ihre Zähne außerhalb der Verantwortung eines Zahnarztes oder Kieferorthopäden korrigieren lassen, so der Appell der Zahnärztekammer Nordrhein.
Im Juli 2021 hatte die Kammer auch ein Positionspapier zur Zulässigkeit der Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und gewerblichen Aligner-Anbietern veröffentlicht.