Seit einiger Zeit werden von Vermittlern Zahnzusatzversicherungen angeboten, die potenzielle Kundinnen und Kunden mit einer sogenannten PZR-Flatrate locken. Auch den Zahnarztpraxen werden diese Versicherungen angepriesen. Aber gibt es dafür wirklich so viele PZR, wie man will? Wo gibt es Haken und was sollten Zahnärztinnen/Zahnärzte und Praxisteams dazu wissen? Quintessence News hat zwei Experten zum Thema Zahnzusatzversicherungen befragt. Gabriele Bengel und Alexander Mint sind schon sehr lange in diesem Feld unterwegs und bringen viel Erfahrung aus dem Versicherungsgeschäft mit.
Was steckt denn nun hinter der PZR-Flatrate?
Gabriele Bengel: Das ist im Moment nur ein Marketing-Gag. Als Flatrate vermarkten einige Vermittler Zahnbehandlungs-Tarife, die unter anderem Kosten für Zahnreinigung und Prophylaxe erstatten – und zwar ohne Höchstbetrag. Und das auch mehrmals im Jahr. Allerdings müssen die Behandlungen natürlich medizinisch notwendig sein, weshalb der Begriff „Flatrate“ irreführend sein kann. Außerdem muss man die Patientinnen und Patienten auch deutlich darauf hinweisen, dass sie in diesen Zahntarifen keinen Versicherungsschutz für Zahnersatzmaßnahmen haben. Nicht einmal für Einlagefüllungen, da diese bei den Versicherern unter Zahnersatz fallen.
Alexander Mint: Für die Zahnarztpraxis klingt die PZR-Flatrate zunächst auch vorteilhaft. In Zeiten von steigenden Kosten, Stichwort Inflation, kann durch diese Form der Absicherung wohl die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass Patientinnen und Patienten regelmäßig und eventuell auch einmal häufiger den wichtigen Besuch zur PZR wahrnehmen, wenn doch die Rechnung „schon bezahlt ist“.
Das „Prophylaxe-Zimmer“ ist nach unserer Kenntnis ein fester Bestandteil im Geschäftsmodell der modernen Zahnarztpraxis. Und die Relevanz für Patientinnen und Patienten sowie für die wirtschaftliche Entwicklung der Zahnarztpraxis wird wohl auch in Zukunft nicht abnehmen. Dies bestätigt die starke Nachfrage für die Tarife, die aktuell am Markt als „Flatrate“ bezeichnet werden. Wir sind hier allerdings skeptisch. Sollte das Bedürfnis nach einer langfristig hochwertigen und individuellen Absicherung der Zähne als Ergänzung zur gesetzlichen Krankenkasse für Praxen und Patienten nicht im Vordergrund stehen?
Einige Vermittler scheinen auch darauf zu setzen, dass diese Versicherungen in Zahnarztpraxen angeboten und den Patienten vorgestellt werden. Das erscheint berufsrechtlich grenzwertig. Zahnärztinnen und Zahnärzte haben ihr Handeln allein aus zahnärztlichen Gesichtspunkten mit Hinblick auf das Patienteninteresse zu bestimmen und dürfen sich dabei nicht von Drittinteressen leiten lassen, heißt es.
Bengel: Rechtlich ist das natürlich brisant. Uns wurde schon über eine Praxis berichtet, die angeblich im Wartezimmer ein Notebook installiert hat, damit die Patienten einen dieser Tarife noch schnell online abschließen können, bevor sie das Behandlungszimmer betreten.
Versicherer sehen Vermittler-Angebote eher kritisch
Sie sagten eingangs, dass Vermittler den Flatrate-Begriff nutzen. Wie sehen es die Versicherer?
Bengel: Nach unseren Informationen sehen die Versicherer das kritisch. Versicherung bedeutet immer noch, sich für künftige Leistungsfälle abzusichern. Versicherung ist kein Geldwechsel-Geschäft.
Mint: Wir beobachten auch, dass die Preise für PZR in den vergangenen Monaten ordentlich gestiegen sind. Klar – auch Zahnarztpraxen haben höhere Fixkosten, die erwirtschaftet werden müssen. Aber schalten wir mal den gesunden Menschenverstand ein: Einer der als Flatrate beworbenen Zahntarife kostet aktuell neun Euro pro Monat beziehungsweise 108 Euro pro Jahr. Geht der Patient nun zwei Mal pro Jahr zur PZR, kostet das – je nach Region – 200 bis 300 Euro. Das heißt, der Versicherer legt ordentlich drauf. Auch bei einem anderen Zahnbehandlungstarif, der 15,80 Euro pro Monat kostet, ist das ein Minus-Geschäft für den Versicherer.
Beiträge werden steigen
Da drängen sich zwei Fragen auf: Warum bieten Versicherer solche Tarife an? Und wie wird das enden?
Bengel: Der ursprüngliche Gedanke war sicherlich, Kunden – vor allem junge Kunden – zu gewinnen. Diese denken noch nicht an Zahnersatz und schließen gerne zunächst günstige Zahntarife ab, die sich auf die Erstattung von zahnerhaltenden Maßnahmen beschränken. Und die Antwort zur zweiten Frage lautet: Kein Versicherer lässt es längere Zeit zu, dass er in einem Zahntarif rote Zahlen schreibt. Der Versicherer hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um zu reagieren. Erstens: Er kann den Tarif vom Markt nehmen. Das heißt, es können keine neuen Abschlüsse mehr getätigt werden, die bestehenden Verträge laufen weiter. Zweitens – und das wird auf jeden Fall passieren: Er erhöht den Beitrag.
Im Versicherungsaufsichtsgesetz und in den einzelnen Versicherungsbedingungen ist geregelt, dass jeder Versicherer einmal pro Jahr prüft, ob seine tatsächlichen Leistungsausgaben noch so hoch sind, wie sie einkalkuliert wurden. Gibt es bei diesem Vergleich eine Abweichung, so wird der Beitrag angepasst – sprich erhöht. Die Kunden haben in diesem Fall ein außerordentliches Kündigungsrecht. Erfahrungsgemäß kündigen dann gerade die Versicherten, die den Jahresbeitrag in etwa zurückgeholt haben.
Diejenigen, die ein Mehrfaches des Jahresbeitrags erstattet bekamen, behalten den Vertrag. Er „lohnt“ sich dann ja immer noch für sie. Das treibt natürlich die Beiträge weiter nach oben. Es ist für die Versicherer sehr schwer, aus dieser Preisspirale wieder herauszukommen.
Besonders nachhaltig scheint das nicht zu sein.
Mint: Nein. Das sehen wir auch so. Wie Frau Bengel eingangs schon sagte, es ist ein vorübergehender Marketing-Gag, ein Hype, der früher oder später enden wird. Für Patienten und Zahnarztpraxen ist es ja auch viel zielführender, wenn eine langfristige, hochwertige Absicherung der Kosten für Zahnersatz, Zahnbehandlung und Prophylaxe angestrebt wird. Und unter solchen Zahntarifen gibt es im Übrigen auch welche, die PZR- und Prophylaxekosten zu 100 Prozent – ohne Höchstbetrag – erstatten.
Gabriele Bengel war viele Jahre bei einer privaten Krankenversicherung für Vertrags- und Leistungsfallmanagement verantwortlich und hat in der Tarifentwicklung mitgewirkt. Außerdem war sie Mitglied im Verwaltungsrat einer gesetzlichen Krankenkasse. Sie hat detaillierte Kenntnisse über das Gesundheitssystem und ist anerkannte Spezialistin auf dem Gebiet der Zahnzusatzversicherungen.
Alexander Mint hat die Materie der privaten Krankenversicherung ebenfalls von der Pike auf gelernt. Durch sein Studium der Wirtschaftspsychologie & Beratung hat er fundiertes Fachwissen in der Analyse von Kundenbedarf und dazu passendem Versicherungsschutz.
Gemeinsam leiten sie die to:dent.ta GmbH, die im Internet ein Vergleichsportal betreibt, das nur leistungsstarke Zahnzusatzversicherungen anzeigt, die strenge Qualitätskriterien erfüllen (Top-Dental-Tarife https://www.todentta.de). Außerdem bietet das Unternehmen Patienten und Zahnarztpraxen an, gezielt die Zahnzusatzversicherung zu vermitteln, die optimal zum Zahnzustand und dem individuellen Zahn-Risiko passt.
Kontakt unter E-Mail gabriele.bengel@todentta.de und alexander.mint@todentta.de.