Zahnärzte müssen sich bei Betriebsprüfungen seit 2017 auf gravierende Änderungen einstellen, denn die Finanzverwaltung hat die Zahnarztpraxis als Ziel für intensive Prüfungen „entdeckt“.
Bislang standen die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für Fortbildungen und damit zusammenhängende Reisekosten, der Umfang der privaten Nutzung des Firmenwagens sowie Bewirtungsaufwendungen im Fokus. Die daraus resultierenden Steuernachzahlungen hielten sich in aller Regel in überschaubarem Rahmen. Das ist jetzt anders. „Umsatzsteuer“, „Gewerbesteuer“ und „Vollständigkeit der Erlöse“ kommen als neue Prüfungsschwerpunkte hinzu. Sie werden im vorliegenden und in den beiden nachfolgenden Teilen dieser Artikelreihe beleuchtet, die zuerst in der Zeitschrift „Die Quintessenz“ erschienen ist.
Umsatzsteuerpflichtige Leistung – ja oder nein?
Zahnärzte sind Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne und als solche grundsätzlich verpflichtet, jährlich eine Umsatzsteuererklärung abzugeben. Erbringen Zahnärzte ausschließlich umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, verzichtet die Finanzverwaltung auf die Abgabe der Erklärung. Heilbehandlungen liegen nur vor, wenn für die erbrachte Leistung des Zahnarztes eine medizinische Indikation besteht (Prävention, Diagnose, Behandlung).
Erbringt der Zahnarzt auch Leistungen, die keine Heilbehandlungen, sondern kosmetisch-ästhetische Leistungen sind, unterliegen diese der Umsatzsteuerpflicht. Beispiele für umsatzsteuerpflichtige zahnärztliche Leistungen sind Dentalschmuck, die Herstellung von Zahnersatz mit dem Cerec-System, das Bleaching aus rein ästhetischen Gründen sowie Gutachten im sportmedizinischen Bereich oder zu kosmetisch-ästhetischen Leistungen.
Prüfer recherchieren im Internet
Wie überprüft der Betriebsprüfer eigentlich, ob ein Zahnarzt umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt? Der Bayerische Oberste Rechnungshof empfiehlt den Prüfern, als Ausgangspunkt Internetrecherchen zu nutzen. So schaut sich der Betriebsprüfer beispielsweise die auf der Homepage des Zahnarztes angebotenen Leistungen an und sichtet diese auf mögliche umsatzsteuerpflichtige Umsätze. Er verwendet Suchmaschinen, um die weiteren Aktivitäten des Zahnarztes (Vorträge, Artikel in Fachzeitschriften etc.) zu ermitteln. Er begutachtet das Werbematerial der Praxis (zum Beispiel Aushänge, Flyer) und recherchiert Patientenberichte auf Bewertungsportalen.
Gegencheck in der Abrechnungssoftware
Ein anderer Ausgangspunkt ist die systematische Analyse des elektronischen Terminkalenders der Praxis nach „Sondersprechstunden“ (etwa zur ästhetischen Zahnmedizin) beziehungsweise von Terminen des Praxisinhabers, die auf zusätzliche und möglicherweise umsatzsteuerpflichtige Einnahmequellen schließen lassen (zum Beispiel Vorträge, Tätigkeit als Gutachter). Ergeben sich hieraus Anhaltspunkte, wird der Prüfer intensiver nachforschen und sich eingehender mit den Daten aus der Praxisabrechnungssoftware beschäftigen. Hinterfragt wird beispielsweise die dokumentierte medizinische Indikation bei der Verwendung bestimmter Gebührenziffern. Ist keine Abrechnungsnummer aus der GOÄ/GOZ hinterlegt, vermutet der Prüfer ebenso eine umsatzsteuerpflichtige Leistung wie bei der Vereinbarung von „Pauschalpreisen“. Die Anzahl der mit dem Cerec-System hergestellten Kronen wird mit dem Wareneinsatz auf Plausibilität abgeglichen.
Ist die Gerätenutzung durch den Kollegen umsatzsteuerpflichtig?
Weitere umsatzsteuerliche Fallstricke ergeben sich bei Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und Praxisgemeinschaften. Überlässt ein beteiligter Zahnarzt ein Wirtschaftsgut, das nur ihm gehört, der BAG, und erhält er dafür keinen Vorabgewinn, sondern ein Nutzungsentgelt, liegt eine umsatzsteuerpflichtige Nutzungsüberlassung vor. Hierzu wird sich der Prüfer die schriftlichen Vereinbarungen zwischen dem Zahnarzt und der BAG ansehen. Zahnärzten sollten bestehende Verträge von ihrem Steuerberater überprüfen lassen, damit es bei der nächsten Betriebsprüfung kein böses Erwachen gibt. Ist vertraglich bislang ein Nutzungsentgelt vereinbart worden, kommt eine schriftlich fixierte Änderung des Vertrages in Betracht, um Belastungen durch Umsatzsteuer zu vermeiden. Wichtig ist, die Vertragsänderung von einem Rechtsanwalt erstellen zu lassen, der sich auch mit dem Steuerrecht auskennt, oder den Steuerberater zumindest in die Vertragsanpassung einzubinden.
Vorsteuerabzug muss genau dokumentiert sein
Der Betriebsprüfer sieht sich nun auch den Vorsteuerabzug näher an. Kauft ein Zahnarzt Eigenlabormaterial ein, so kann er die in der Rechnung des Labors ausgewiesene Vorsteuer abziehen, da er mit seinem Labor umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt. Bei sogenannten allgemeinen Aufwendungen (Strom, Einkauf von Büromaterial etc.) steht dem Zahnarzt nur ein anteiliger Vorsteuerabzug zu (zum Beispiel in Höhe von 10 Prozent, wenn 10 Prozent seiner Einnahmen umsatzsteuerpflichtig sind). Die Ermittlung der (anteilig) abzugsfähigen Vorsteuerbeträge muss nachvollziehbar dokumentiert werden. Der Betriebsprüfer wird sich die entsprechenden Berechnungsgrundlagen vorlegen lassen.
Hat der Zahnarzt ein Cerec-Gerät gekauft und den vollen Vorsteuerbetrag vom Finanzamt erstattet bekommen, wird der Prüfer untersuchen, ob die Aufnahmeeinheit auch zur Diagnose von umsatzsteuerfreien zahnärztlichen Leistungen verwendet wird und damit ein Teil der Vorsteuer zu Unrecht an den Zahnarzt ausgezahlt wurde.
Beweislast liegt beim Zahnarzt
Die Beweislast dafür, dass ein Erlös umsatzsteuerfrei ist, liegt beim Zahnarzt. Deshalb sollten Zahnärzte sich hierauf einstellen und die Umsatzsteuerfreiheit ihrer zahnärztlichen Leistungen sorgfältig dokumentieren. Die medizinische Indikation der Behandlung muss nachvollziehbar sein. So kann beispielsweise Bleaching umsatzsteuerfrei sein, wenn es der Beseitigung einer behandlungsbedingten Zahnverdunkelung dient. Daher sollte der Zahnarzt unterschiedliche Abrechnungskennziffern für umsatzsteuerfreies und umsatzsteuerpflichtiges Bleaching in der Praxissoftware verwenden. (Mehr Informationen zum Thema „Umsatzsteuer bei Bleaching“ gibt es in den Merkblättern.)
Bei der Vorsteuer muss zwischen voll- und teilabzugsfähigen Vorsteuerbeträgen unterschieden werden. Die entsprechenden Ermittlungsgrundlagen sind sorgfältig zu dokumentieren, wofür der Steuerberater bei der Erstellung der Umsatzsteuererklärung zu sorgen hat.
Steuerberater sollte mit dem Blick des Betriebsprüfers auf die Praxis schauen
Zahnärzte sollten ihre Tätigkeit einmal von ihrem Steuerberater aus Sicht eines Betriebsprüfers auf umsatzsteuerliche Fallstricke überprüfen lassen, um Handlungsbedarf zu erkennen. Neben der Verwendung trennscharfer Abrechnungskennziffern zur Unterscheidung zwischen steuerfreien Heilbehandlungen und umsatzsteuerpflichtigen Leistungen sowie der Optimierung von bestehenden Verträgen aus steuerlicher Sicht sind in Abhängigkeit von der konkreten Situation der Zahnarztpraxis weitere vorbeugende Maßnahmen sinnvoll, um sich gut gewappnet der nächsten Betriebsprüfung stellen zu können.
Finanzämter intensivieren Betriebsprüfungen in Zahnarztpraxen
Der Bundesrechnungshof hat die Länder 2013 dazu aufgefordert, speziell ausgebildete Fachprüfer für Heilberufe bei Betriebsprüfungen einzusetzen. Die Finanzverwaltung Niedersachsen ist dem bereits nachgekommen und hat flächendeckend Fachprüfer geschult sowie Arbeitshilfen für die Prüfung von (Zahn-)Ärzten erstellt. Seit ca. 2016 werden Zahnärzte schon in Niedersachsen und Berlin intensiver geprüft.
Prof. Dr. Johannes G. Bischoff, Steuerberater, vereidigter Buchprüfer, Köln
Prof. Dr. Johannes G. Bischoff, Steuerberater und vereidigter Buchprüfer, ist seit 1985 geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Unternehmensgruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin. Mit rund 100 Mitarbeitern berät das Unternehmen bundesweit mehr als 1.000 niedergelassene Zahnärzte und mittelständische Unternehmen in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen. Kontakt zum Autor unter info@bischoffundpartner.de. Zum Thema Betriebsprüfungen werden auch Fortbildungen angeboten, mehr Informationen auf der Internetseite des Unternehmens.