Die Nachricht, dass die seit 2017 zertifizierten und in den Praxen installierten Konnektoren für die Telematikinfrastruktur (TI) wegen ablaufender Zertifikate doch noch ausgetauscht werden müssen, weil es keine Übergangslösung bis zum Umstieg auf einen softwarebasierten Zugang zur TI geben wird, sorgt für Unmut in der Ärzteschaft.
Die TI-kritsche Freie Ärzteschaft (FÄ) konstatierte, die Pleiten-Serie in der TI reiße nicht ab. „Einst als Datenautobahn für das Gesundheitswesen gepriesen, steht ein Projekt nach dem anderen im Stau. Nach dem jüngsten Kommunikationschaos zwischen Gesundheitsminister Lauterbach und der mit der Umsetzung der Digitalisierung beauftragten Gematik-GmbH zur Zukunft von elektronischem Rezept und elektronischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung folgt nun die nächste Hiobsbotschaft: Ab Sommer 2022 müssen in Arzt- und Psychotherapiepraxen, Apotheken und Kliniken alle Konnektoren ausgetauscht werden, deren Sicherheitszertifikate nach fünf Jahren abgelaufen sind. Die Sicherheitszertifikate sind in den SMC-Karten in den Konnektoren meist so verbaut, dass nur der ganze Konnektor ausgetauscht werden kann“, heißt es in der Pressemeldung der FÄ.
Millionenkosten erwartet
„Mit Millionenkosten im dreistelligen Bereich wird gerechnet“, sagte Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ) und Allgemeinärztin in Hamburg, am Freitag, und fragt sich, „wer diesen neuerlichen Skandal bezahlt“. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte bereits sofort gefordert, dass die Arztpraxen die Kosten für den Austausch vollständig erstattet bekommen.
KZBV erwartet vollständige Erstattung
Auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fordert eine komplette Erstattung. Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertetender Vorstandsvorsitzender der KZBV und im Vorstand für die TI zuständig, erklärte: „Ich gehe davon aus, dass die Kosten des Austauschs, der in Einzelfällen womöglich schon im Sommer 2022 ansteht, seitens der Krankenkassen vollumfänglich erstattet werden. Die Aktion muss auf Kassenseite gänzlich durchfinanziert sein und kann unter gar keinen Umständen zu Lasten der Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Praxen gehen. Insbesondere bei diesem Punkt ist die KZBV nicht zu Kompromissen bereit.“
Ursprünglich hatte die für die TI zuständige Gematik geplant, bis zum Übergang auf die sogenannten TI 2.0 und damit einen softwarebasierten sicheren Zugang zur TI die Konnektoren mit Übergangszertifikaten auszustatten. Da dies offensichtlich mit Problemen behaftet war, hatte die Gematik ihren Gesellschaftern, zu denen auch die KZBV und die KBV gehören, den Austausch der Konnektoren, deren Zertifikate nach fünf Jahre auslaufen, als beste Lösung vorgeschlagen.
Sorge vor Chip-Mangel und Engpässen bei Dienstleistern
Aus Sicht der FA gebe es weitere Fragen: „Wird es genug Chips geben, wenn auf dem Weltmarkt Chipmangel herrscht? Was passiert mit dem Berg an Elektroschrott, der kostenpflichtig entsorgt werden muss? Stehen genügend Dienstleister vor Ort zur Verfügung, die den Austausch vornehmen? Und wer bezahlt das?“ Dies sei vielfach noch unklar.
Lüder monierte, dass damit die ungeheure Verschwendung von Versicherten- und Praxisgeldern weitergehe. „Nach ständigen Computerabstürzen in unseren Praxen durch fehlerhafte neue Krankenkassenkarten mit NFC-Chips, ständigen Ausfällen der Infrastruktur und dem andauernden Chaos um eRezept und eAU, ist das eine erneute Zumutung für Ärzte, Psychotherapeuten, Kliniken und Apotheken“, so Lüder.
FÄ fordert Lauterbach zu Moratorium auf
Laut FÄ-Vorsitzendem Wieland Dietrich zeige sich einmal mehr, dass das Gesamtkonzept von Anfang an fehlerhaft und unausgereift war. „Wir fragen uns, wann endlich ein Schlussstrich unter dieses Pleitenprojekt gezogen wird. Notwendig wäre ein sofortiges Moratorium, um eine weitere Belastung des Medizinbetriebes während der Coronakrise und der nun beginnenden Flüchtlingsversorgung zu vermeiden“, so Dietrich. „Wir fordern Gesundheitsminister Lauterbach auf, sich hier verantwortlich zu zeigen und das Projekt so lange auf Eis zu legen, bis alle Probleme sinnvoll beseitigt sind.“
Wer betroffen ist
Die Zertifikate für die Konnektoren sind für fünf Jahre gültig. Praxen, die 2017/2018 ihre Zugangstechnik für die TI installiert haben und Konnektoren aus dieser Zeit nutzen, müssten diese danach 2022/23 austauschen. Die KBV wies in der Berichterstattung darauf hin, dass auch später installierte Konnektoren früher getauscht werden müssten, wenn sie beim Anbieter oder Dienstleister vor Auslieferung zum Beispiel länger gelagert worden waren. Die ersten Konnektoren würden sich laut KBV bereits im Herbst 2022 abschalten. Praxen, die davon betroffen sein könnten, sollten sich bei Unsicherheit an ihren Dienstleister wenden, der das im Konnektor hinterlegte Ablaufdatum auslesen könne.