Das ehemals exotische Krankheitsbild MIH (Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation) greift weltweit weiter um sich. Global wird die Prävalenz inzwischen auf 13 Prozent (ca. 900 Millionen Betroffene) geschätzt, jährlich kommen fünf Millionen Betroffene neu hinzu. Die EAPD (European Academy of Paediatric Dentistry) hat aktuell Behandlungsempfehlungen herausgegeben, die – auf Basis internationaler Erkenntnisse – neben der Therapie auch die Versorgungslage und die Ursachen in den Fokus rücken.
Dennoch besteht speziell im Bereich der Ätiologie weiter großer Forschungsbedarf und die Notwendigkeit des Austausches unter den Experten. Als solcher darf Prof. Dr. Norbert Krämer (Uni Gießen) gelten, der in der Kinderzahnheilkunde verschiedene Führungsämter bekleidet hat und sich für einen internationalen Vorstoß stark macht: Krämer ist Mitorganisator einer Weltpremiere, die vom 30. November bis 3. Dezember 2022 in München stattfinden wird – denn hier findet die „Alliance of Molar Incisor Hypomineralization Investigation and Treatment“ (AMIT) zusammen zu einem ersten MIH-Weltkongress. „Wir müssen dringend die gesammelten Erkenntnisse untereinander austauschen und neue Strategien zu Ursachen und Therapien entwickeln“, schaut Krämer nach vorn.
Die ganze Welt diskutiert vier Tage MIH
Vor allem am 2. und 3. Dezember wird es für Praktizierende interessant. Denn dann stehen unter anderem Vorträge auf dem Programm, die sich mit Themen wie „Charakteristika der durch MIH geschädigten Zahnsubstanz“ oder „Remineralisation und Versiegelung“ beschäftigen, sich mit der Langzeit-Auseinandersetzung mit MIH auseinandersetzen und Versorgungschritte vorstellen. Das gesamte Programm ist gespickt mit weiteren informativen Referaten, und wer auf die Internationalität der Sprecher für diesen Kongress schaut, sieht, dass wirklich die ganze Welt vertreten ist. Aus Deutschland sitzen neben Prof. Roland Frankenberger als Chairman dabei fünf weitere deutsche Professorinnen und Professoren im lokalen wissenschaftlichen Board zu AMIT: Prof. Reinhard Hickel, Prof. Gottfried Schmalz, Prof. Falk Schwendicke, Prof. Annette Wiegand und Prof. Diana Wolff, aus Österreich stoßen Dr. Bettina Bauer und Dr. Nicola Meissner hinzu. Die Kongressleitung liegt bei Prof. Monty Duggal (Singapore & Qatar) und Prof. Norbert Krämer. Weitere Informationen sowie die Möglichkeit sich zu registrieren finden sich auf der Homepage des Kongresses www.amit-mih.org.
Entstehung und Behandlung der MIH
Aktuelle Erkenntnisse aus europäischer Sicht haben Prof. Krämer und Prof. Frankenberger gemeinsam mit Dr. Stefanie Amend für das Bayrische Zahnärzteblatt (Oktober 22) unter der Headline „Ein Update zur Ätiologie und Behandlung der Molaren-Inzisiven- Hypomineralisation“ zusammengestellt. Dabei geht es neben der Epidemiologie, der Definition der Erkrankung sowie dem klinischen Bild von MIH auch um die Entstehung der Krankheit und deren Behandlungsoptionen. Die Ursachen sind nach Auffassung der Forscher multifaktoriell, da Ameloblasten durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden können. Es wird vermutet, dass in einigen Fällen das Ergebnis der Erkrankung in Wechselwirkung zwischen Umweltfaktoren und der jeweiligen genetischen Disposition gesehen werden müsse. Demnach überwiegen Ursachen, die perinatal oder postnatal aufträten. Um den Mechanismus der Krankheit besser zu verstehen, müsse die Rolle der genetischen Veranlagung und epigenetischer Einflüsse als Schlüsselinformation angesehen werden (Lygidakis et al., 2022).
„Alliance of Molar Incisor Hypomineralization Investigation and Treatment“ (AMIT)
30. November – 3. Dezember 2022, München
Informationen und Anmeldung: www.amit-mih.org
Bei den Behandlungsoptionen der EAPD spielen drei Faktoren eine Rolle: die patientenbezogenen, die oralen und die zahnbezogenen. Die Autoren weisen darauf hin, dass es vor diesem Hintergrund keine einheitlichen Versorgungsempfehlungen geben könne, sondern individuelle Entscheidungen getroffen werden müssten. Insgesamt acht Behandlungsoptionen für MIH-Zähne (mit Evidenzgrad moderat) werden empfohlen, sie reichen unter anderem von der Fissurenversiegelung über Glasionomerzement-Füllungen oder Komposit-Füllungen unter Kofferdam bis hin zu vorgefertigten Metallkronen oder laborgefertigten Restaurationen. Worauf die Experten außerdem hinweisen: bei der Versorgung sollten auch die psychosozialen Auswirkungen und die teils massive Beeinträchtigung der Lebensqualität der Kinder berücksichtigt werden.
Die Suche nach einer erforderlichen ganzheitlichen Forschungs- und Behandlungsstrategie wird weitergehen, in München haben alle Interessenten eine wohl einmalige Gelegenheit, ihr Fachwissen in Sachen MIH auf den aktuellen Stand zu bringen. Auch wenn es nach AMIT weiter Fragen geben wird, die noch nicht beantwortet werden können.