Autor Stefan Räder, Fachzahnarzt für Oralchirurgie, zeigt in seinem Beitrag für die Endodontie 4/19 auf, wie sich endodontische Behandlungen auf die Kieferhöhlen auswirken können und beschreibt darüber hinaus Diagnosefindungen und Therapie der Folgeerkrankungen. Aufgrund der engen anatomischen Lagebeziehung der Oberkieferseitenzähne zur Kieferhöhle können dentogene Infektionen auf die Kieferhöhle übergreifen oder endodontische Materialien in die Kieferhöhle extrudiert werden und eine odontogene Sinusitis maxillaris (OSM) oder Pilzbälle verursachen. Natriumhypochlorit kann schwere, irreversible chemische Schädigungen der Kieferhöhlenschleimhaut verursachen und durch Knochenarrosion auch den Orbitainhalt schwer affektieren. Die Diagnose eines Pilzballs wird radiologisch, klinisch intraoperativ und histologisch gestellt. Die chronische OSM verläuft bei guter Abwehrlage in der Regel nur langsam progredient. Die Schnittbilddiagnostik ist bei der Diagnose und Therapieplanung ein wichtiges Hilfsmittel. Die Therapie der OSM erfordert neben der Beseitigung der Infektionsursache eine Gewährleistung der Drainage und eine Ventilation der Kieferhöhle.
Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.
Aufgrund der engen anatomischen Lagebeziehung der Oberkieferseitenzähne zur Kieferhöhle können fortgeleitete dentogene Infektionen oder versehentlich in die Kieferhöhle extrudierte endodontische Materialien eine OSM auslösen. Guttapercha und/oder Sealer, insbesondere auf Zinkoxid-Eugenol-Basis, können darüber hinaus auch Aspergillosen (Pilzbälle) verursachen.
Diagnostik und Therapie der OSM erweisen sich in vielen Fällen als schwierig und erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Zahnärzten, MKG- und/oder Oralchirurgen sowie HNO-Ärzten.
Anatomische und physiologische Aspekte der Kieferhöhle
Die durchschnittliche Ausdehnung einer Kieferhöhle beträgt 40 × 26 × 28 mm mit einem Durchschnittsvolumen von 15 ml. Das Dach der Kieferhöhle bildet gleichzeitig den Orbitaboden und enthält das infraorbitale Nerven-Gefäß-Bündel, welches in 14 Prozent der Fälle dehiszent verläuft. Die Kieferhöhle kann sich zwischen Zähnen oder den Wurzeln einzelner Zähne ausdehnen und Recessus bilden. Mit zunehmendem Alter dünnt der Alveolarkamm aus, sodass Wurzelspitzen sich in den Sinus maxillaris projizieren und lediglich von einer sehr dünnen, manchmal auch fehlenden Knochenlamelle bedeckt sind. Die mediale Wand der Kieferhöhle enthält das Ostium naturale, welches den natürlichen Abfluss der Kieferhöhle darstellt. In 14 bis 40 Prozent der Fälle findet sich ein sehr kleines akzessorisches Ostium. Zusammen mit der Stirnhöhle mündet die Kieferhöhle im Infundibulum ethmoidale, welches sich im mittleren Nasengang befindet1.
Der Aufbau der Kieferhöhlenschleimhaut entspricht weitestgehend dem der nasalen Schleimhaut. Es handelt sich um ein Flimmerepithel, welches ohne Submukosa fest am Knochen anhaftet2.
Als mukoziliäre Clearance wird der Selbstreinigungsmechanismus der Kieferhöhlenschleimhaut bezeichnet. Grundlage des mukoziliären Transports sind die Aktivität der Zilien und die Sekretion der Becherzellen und Drüsen. Das Sekret bildet einen zweischichtigen Film, wobei der Gelteppich durch den Wirkschlag der Zilien transportiert wird. Der Sekrettransport erfolgt dabei nicht zufällig, sondern entgegen der Schwerkraft auf festgelegten Bahnen sternförmig in Richtung Ostium naturale. Von dort aus gelangt das Sekret über das Infundibulum ethmoidale und den Processus uncinatus auf die mediale Fläche der mittleren Muschel nach hinten in den Rachen. Die Schlagfrequenz der Zilien wird durch β-Sympathomimetika erhöht und durch α-Sympathomimetika (zum Beispiel Xylometazolin) gesenkt2. Die gemeinsame Endstrecke der Drainage von Stirn- und Kieferhöhle sowie der vorderen Siebbeinzellen im mittleren Nasengang der Nasenhaupthöhle wird als ostiomeatale Einheit bezeichnet3.
Die engste Nachbarschaft zur Kieferhöhle weisen die Wurzeln des zweiten Oberkiefermolaren auf, gefolgt von denen des ersten Oberkiefermolaren, dritten Oberkiefermolaren, zweiten Oberkieferprämolaren, ersten Oberkieferprämolaren und des Oberkiefereckzahns. Die Wurzelspitze des zweiten Oberkiefermolaren ist mit einem durchschnittlichen Abstand von 1,97 mm dem Kieferhöhlenboden am nächsten, während die bukkale Wurzelspitze des ersten Oberkieferprämolaren mit einem Durchschnittsabstand von 7,5 mm am weitesten davon entfernt ist. Diese kurzen Distanzen erklären die einfache Ausbreitung dentogener Infektionen auf die Kieferhöhle. Bei ausgedehnten Kieferhöhlen können Wurzelspitzen lediglich von einer sehr dünnen, Knochenlamelle bedeckt sein, die aber manchmal auch völlig fehlt1.
Folgen der Extrusion endodontischer Materialien in die Kieferhöhle
Überinstrumentierung, Überstopfung/-pressung von Wurzelfüllmaterialien, Spüllösungen und medikamentösen Einlagen über den Apex hinaus sind nicht ungewöhnlich. Gelangen diese Materialien in die Kieferhöhle, können sie eine Sinusitis maxillaris oder einen Pilzball zur Folge haben1.
Kalziumhydroxid
Kalziumhydroxid (Ca(OH)2) hat einen irritierenden und sofortigen degenerativen Effekt auf Zellen. Eine vollständige Ausheilung ohne Entzündungsreaktion bleibt solange aus, bis das Material durch Makrophagen oder Fremdkörperriesenzellen vollständig eliminiert wird1. Aus Studien an Affen ist bekannt, dass Kalziumhydroxid eine Sinusitis auslösen kann, wobei das Material zuerst als chemischer Reizstoff, später als Fremdkörper agiert und auch die applizierte Menge einen wichtigen Faktor darstellt. Die wenigen dokumentierten Fälle von Ca(OH)2-Überpressung in die Kieferhöhle zeigen, dass diese asymptomatisch verlaufen und spontan ausheilen1 oder eine Sinusitis maxillaris mit der Notwendigkeit der chirurgischen Intervention zur Folge haben können4.
In einem der publizierten Fälle wurden die chirurgisch gewonnenen Gewebeproben histologisch untersucht. Die meisten Ca(OH)2-Granula wurden eingebettet in Makrophagen vorgefunden, welche diese scheinbar nicht abbauen können. Die Akkumulation von Granula schien zum apoptotischen Untergang der Makrophagen zu führen, sodass die Granula erneut freigesetzt wurden. Eine chemotaktische Aktivierung polymorphkerniger neutrophiler Granulozyten (PMN) und Lymphozyten durch die Makrophagen und die Bildung von Riesenzellen wurden nicht beobachtet, was einer chronischen granulomatösen Fremdkörperreaktion entspricht4.
Natriumhypochlorit
In einem systematischen Review wurden Zwischenfälle mit versehentlicher Injektion von Natriumhypochlorit (NaOCl) in das periapikale Gewebe untersucht. In Kontakt mit vitalem Gewebe oxidiert NaOCl dieses rasch, was zu einer schnellen Hämolyse und zu Ulzerationen führt. Je nach Ausmaß der Extrusion und beteiligtem Gewebe sind die Spätfolgen dementsprechend weit gefächert. Diese können neben Knochen- und/oder Weichgewebenekrosen bei Affektion von Nervenfasern zu neurologischen Funktionsausfällen führen. Motorische Ausfälle bei Affektion des N. facialis wurden ebenso beschrieben wie sensorische Ausfälle bei Affektion trigeminaler Nervenfasern.
Diese klinischen Symptome scheinen sich bei einer Extrusion von NaOCl in die Kieferhöhle etwas anders darzustellen als bei Extrusion in das periapikale Gewebe. Anstatt starker, sofort eintretender Schmerzen werden eher ein Brenngefühl im Bereich der Kieferhöhle und der Geschmack von NaOCl im Rachen wahrgenommen mit wenig oder keiner Blutung aus dem Wurzelkanal und ohne Evidenz einer rasch eintretenden Schwellung. Dass die eintretenden Symptome zunächst geringer erscheinen, könnte daran liegen, dass sich das NaOCl in der Kieferhöhle verteilen kann5. Darüber hinaus scheint der Effekt auf Schleimhäute nicht gleichermaßen schädlich zu sein wie bei Extrusion in interstitielles Gewebe. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen Einwirkzeit und Konzentration. Aus Studien am Oesophagus von Hunden und Katzen ist bekannt, dass eine Mindestmenge von 10 ml über fünf Minuten erforderlich ist, um Ätzungen, Blutungen, Ulzerationen, und Vernarbungen zu verursachen6. Zwei Fälle sind bekannt, in denen die Kieferhöhle nach Extrusion von Natriumhypochlorit mit 20 bzw. 30 ml steriler Kochsalzlösung sofort transdental gespült wurde6,7. In einem Fall, in dem die transdentale Spülung nicht mehr möglich war, wurde ein transoraler Zugang zur Kieferhöhle über die faziale Kieferhöhlenwand gewählt8. Alle drei Fälle verliefen vergleichsweise glimpflich.
In einem weiteren Fall wurde neben einer schweren chemischen Ätzung der Kieferhöhlenschleimhaut die Knochenarrosion hauptsächlich der posterolateralen und kranialen Kieferhöhlenwand beschrieben. Die Knochenarrosion des Orbitabodens verursachte einen Bulbusprolaps und die Affektion des infraorbitalen Fettgewebes, des Nervenfaserbündels sowie des M. rectus inferior und M. rectus medialis durch das Natriumhypochlorit. Therapeutisch war eine endonasale chirurgische Intervention über den mittleren Nasengang zur ausgiebigen Kieferhöhlenspülung und Abtragung des nekrotischen Gewebes erforderlich. Die Langzeitfolgen beinhalteten einen Enophtalmus, Bulbusmotilitätsstörungen, jedoch ohne Doppelbilder, sowie Anästhesien und Parästhesien im Versorgungsgebiet des N. infraorbitalis. Eine nasale Endoskopie zwei Jahre postoperativ zeigte, dass die betroffene Kieferhöhle von irreversibel geschädigtem, nicht funktionellem Narbengewebe durchsetzt war9.
Guttapercha
Guttapercha kann, abhängig von der Größe und der Oberflächenbeschaffenheit, zwei unterschiedliche Gewebereaktionen auslösen. Während größere Fragmente ohne Entzündungsreaktion eingekapselt werden, lösen kleinere Partikel eine starke Gewebereaktion aus, welche durch Makrophagen und mehrkernige Riesenzellen gekennzeichnet ist1.
Bei Überpressung von Guttapercha in die Kieferhöhle ging man in älteren Fallberichten zunächst davon aus, dass kleine Überschüsse über den Sekretstrom der Kieferhöhle abtransportiert und ausgeschneuzt werden. Diese Vermutung wurde zum Teil darauf zurückgeführt, dass die Guttaperchareste radiologisch nicht mehr nachzuweisen waren und keine Beschwerden verursachten10–13. Neuere Fallberichte zeigen, dass große Mengen an extrudierter Guttapercha maxilläre Sinusitiden auslösen, welche asymptomatisch verlaufen können und lediglich als Zufallsbefund diagnostiziert werden (Abb. 1). Überpresste Guttapercha kann, wenn die Ursache nicht erkannt wird, odontogene Sinusitiden mit Beschwerden verursachen, welche über mehrere Jahre anhalten können11,14–17. Anstatt ausgeschneuzt zu werden, können Guttaperchstifte via Ostium naturale aus der Kieferhöhle bis in den Sinus ethmoidalis migrieren und so neben einer Sinusitis maxillaris auf direktem Weg eine Sinusitis ethmoidalis verursachen18. Wird eine Überpressung von Guttapercha in die Kieferhöhle sofort festgestellt, können umgehend chirurgische Maßnahmen zur Entfernung eingeleitet werden, sodass weitere Komplikationen vermieden werden19–22.
Endodontische Sealer
Es liegen nur wenige Fallberichte über die Extrusion von Sealer in den Sinus maxillaris vor. Die Überpressung von Sealer kann ausstrahlende Schmerzen im Versorgungsbiet des N. infraorbitalis auslösen, welche erst nach chirurgischer Entfernung des überfüllten Materials sistieren23 oder völlig asymptomatisch verlaufen24. Nachweislich können Sealer auch durch Migration eine Obstruktion des Ostium naturale verursachen9 oder einen asymptomatischen Pilzball der Kieferhöhle (Kieferhöhlenaspergillose) verursachen25. In einigen Falldarstellungen wird bei dem extrudierten Material nicht zwischen Guttapercha und Sealer unterschieden11,15,27.
Sonderfall Aspergillose
Der Pilzball, auch als Aspergillom bezeichnet, zählt zu den nicht-invasiven Pilzerkrankungen der Nasennebenhöhlen und ist durch folgende Kriterien definiert:
- radiologischer Nachweis von Sinusopazifikation mit oder ohne radiologische Heterogenität,
- schleimig-eitrig-käsige oder lehmähnliche Materialien innerhalb der Nasennebenhöhle,
- dichtes, von der sinusalen Schleimhaut getrenntes Konglomerat von Pilzhyphen,
- unspezifische chronische Entzündung der Mukosa,
- keine Prädominanz von Eosinophilie oder allergischem Muzin,
- kein histologischer Nachweis einer Mukosainvasion durch Pilze.
Die Pilze bleiben nicht-invasiv, können aber in seltenen Fällen, zum Beispiel bei starker Immunsuppression wie nach einer Nierentransplantation, invasive Formen annehmen28. Pilzbälle der Kieferhöhle werden oft in Zusammenhang mit Wurzelkanalbehandlungen gebracht. In 99 Prozent der Fälle, in denen ein Pilzball der Kieferhöhle diagnostiziert wurde, war ein Zahn mit potenziellem Bezug zur Kieferhöhle im Vorfeld endodontisch behandelt worden29. Die Dauer zwischen endodontischer Behandlung und Diagnose des Pilzballs beträgt im Durchschnitt sechs Jahre30. Eine besondere Bedeutung kommt dabei Zinkoxid als Bestandteil zahlreicher Guttaperchaprodukte und Sealer zu, da Zink nachweislich für die Proliferation und den Metabolismus bestimmter Aspergillus-Stämme benötigt wird. Untersuchungen aus den Jahren 1984 und 1985 zeigten, dass es sich bei dem typischen röntgenologischen Korrelat (metalldichte, fremdkörperartige Struktur) in mehr als 50 Prozent der Fälle um überpresste Wurzelfüllmaterialien handelte. 85 Prozent von 85 diagnostizierten Pilzbällen waren auf überpresste Sealer zurückzuführen. Im Gegensatz dazu wurde festgestellt, dass Sealer auf Zinkoxid-Eugenol-Basis einen antifungalen Effekt auf Aspergillussporen haben1.
Die Ätiopathogenese des Pilzballs ist bis heute noch unklar, allerdings werden drei Theorien diskutiert:
- Bei der „aerogenen“ Theorie gelangen die Pilzsporen in die Nasennebenhöhlen über die Atemwege infolge der Einatmung großer Mengen über einen langen Zeitraum. Diese Voraussetzungen existieren nur im Sudan, wo große Mengen an Pilzsporen in der Luft auf die Agrikultur zurückzuführen sind und der Befall mit einem Pilzball endemisch ist.
- Bei der odontogenen oder iatrogenen Theorie kommt es zur Besiedlung der Kieferhöhle durch eine Mund-Antrum-Verbindung (MAV) oder in den meisten Fällen durch Extrusion von Wurzelfüllmaterialien. Schwermetalle, zu denen auch das in zahlreichen endodontischen Sealern und Guttapercha vorkommende Zink gehört, setzen die mukoziliäre Clearance herab und verhindern so die Elimination von Pilzsporen. Zink ist des Weiteren für die Proliferation und den Metabolismus von Aspergillussporen unerlässlich.
- Bei der dritten Theorie handelt es sich um eine Kombination der ersten beiden Theorien. Pilzsporen können in diesem Fall zu jedem Zeitpunkt eingeatmet werden und sind als Saprophyten in den Nasennebenhöhlen vorhanden. Eine beeinträchtigte mukoziliäre Clearance ermöglicht das Wachstum der eingeatmeten Pilzsporen31,32.
Neuere Untersuchungen zu der bereits nachgewiesenen antifungalen Wirkung von Sealern auf Zinkoxid-Eugenol-Basis stützen diese Theorie: Während das Pulver der Sealer Zinkoxid enthält, das ein Aspergilluswachstum ermöglicht, unterdrückt die Mischung aus Pulver und Flüssigkeit (Zinkoxid + Eugenol) das Wachstum der Aspergillussporen. Über längere Zeit lässt der inhibitorische Effekt von Eugenol nach. Es wird daher angenommen, dass der Sealer das Pilzwachstum fördert, weil das Eugenol seine inhibitorische Wirkung progressiv verliert, während Zinkoxid progressiv freigesetzt wird. Dies erklärt, warum Pilzbälle erst Jahre nach endodontischen Behandlungen auftreten, allerdings nicht das Vorkommen von Pilzbällen in anderen Nasennebenhöhlen32.
Diagnose
Die Diagnose Pilzball wird radiologisch, klinisch intraoperativ und histologisch gestellt. In 13,2 bis 20 Prozent der diagnostizierten Fälle handelt es sich um asymptomatische Zufallsbefunde. Die meisten Patienten klagen über unspezifische Beschwerden. Wenn Symptome auftreten, unterscheiden sich diese nicht zwangsläufig von chronischen Sinusitiden. 99 Prozent der Fälle treten unilateral auf und in 94 Prozent der Fälle ist eine einzige Nasennebenhöhle betroffen, am häufigsten der Sinus maxillaris (94 Prozent der Fälle), gefolgt vom Sinus sphenoidalis (4 bis 8 Prozent der Fälle), Sinus ethmoidalis (3 Prozent, meistens fortgeleitet) und dem Sinus frontalis (2 Prozent der Fälle)32.
Makroskopisch handelt es sich beim Pilzball um eine grüne, gelbe, braune oder schwarze bröckelige, käsige Masse, welche sich leicht von der Mukosa lösen lässt. Sensitivität und Spezifität der klinischen intraoperativen Diagnose liegen bei 100 Prozent bzw. 99 Prozent. Mikroskopisch ist der Pilzball eine Aggregation dicht gepackter, zwiebelschalenartig gewachsener Pilzhyphen. Die Mukosa zeigt eine unspezifische Entzündungsreaktion ohne Anzeichen von Pilzinvasion oder granulomatöser Gewebereaktion. Ein Kulturwachstum zur Identifikation der Pilzart ist nur in 23 bis 50 Prozent der Fälle möglich. Die häufigste kultivierte Spezies ist allerdings der Aspergillus, in 93 Prozent der Fälle Aspergillus fumigatus32.
Auf zweidimensionalen Röntgenaufnahmen zeigt sich die betroffene Nasennebenhöhle partiell oder vollständig verschattet. In 25 Prozent der Fälle werden gut definierte, hyperdense Foki bzw. metalldichte Flecken beobachtet. Im Computertomogramm erscheint die partielle oder vollständige Verschattung in 90 Prozent der Fälle heterogen und in 10 Prozent der Fälle homogen. Mikrokalzifikationen und/oder metalldichte „Spots“ werden in einem Drittel der Fälle beobachtet. Die Wände der betroffenen Nasennebenhöhle zeigen in 60 Prozent der Fälle eine Sklerose. Das Zusammenkommen dieser radiologischen Befunde suggeriert bereits die Diagnose eines Pilzballs32.
Knochenarrosionen, welche einen malignen Prozess nahelegen, werden in 4 bis 17 Prozent der Fälle beobachtet. Die Arrosionen zeigten sich allerdings postoperativ als reversibel und eine Invasion der Mukosa wurde nicht nachgewiesen. Unklar ist die Herkunft der metalldichten „Spots“. Es wird angenommen, dass es sich hierbei entweder um Pilzkonkremente oder um extrudiertes Sealermaterial handelt. Das Vorkommen bestimmter Kalziumsalze (Kalziumphosphat und Kalziumsulfat) im nekrotischen Zentrum des Pilzballs, korrespondierend zu den radiologischen metalldichten Spots, wurde nachgewiesen32.
Therapie
Die Therapie besteht in der vollständigen chirurgischen Entfernung ohne zusätzliche Medikation, selbst wenn eine Knochenarrosion beobachtet wird. Eine systemische Antibiotikatherapie ist nur in Fällen einer bakteriellen Superinfektion erforderlich. Der operative Zugang erfolgt über die endonasalen und transoralen Zugänge der Kieferhöhle unter Schonung der Kieferhöhlenschleimhaut. Eine Probeentnahme zum Ausschluss einer invasiven Form wird empfohlen32.
Odontogene Sinusitis maxillaris
Die OSM ist eine eigenständige Erkrankung, welche sich von der chronischen Rhinosinusitis (CRS) in Pathophysiologie, Mikrobiologie und Therapie deutlich unterscheidet, obwohl sich die Symptome stark überlappen können33. Es wird zwischen der chronischen und akuten OSM unterschieden. Die chronische OSM ist bei guter Abwehrlage in der Regel uncharakteristisch und verläuft nur langsam progredient. Bei Exazerbation geht die chronische Form fließend in das Stadium der akuten Sinusitis maxillaris über. Die akute OSM geht mit einer extraoral erkennbaren, druckdolenten Schwellung der Wange beziehungsweise der fazialen Kieferhöhlenwand einher. Es besteht die Gefahr der Ausbreitung, sodass eine unverzügliche Therapie notwendig ist. Besteht in der Kieferhöhle eine Eiteransammlung aufgrund einer Abflussbehinderung, so spricht man von einem Kieferhöhlenempyem2.
Pathogenese
Grundvoraussetzung für die Entstehung einer OSM ist die beeinträchtigte Integrität der Kieferhöhlenschleimhaut infolge dentogener Infektionen, Knocheninfektionen, Traumata, Zahnextraktionen, endodontischer und implantologischer Eingriffe. Entzündliche Reize und pathogene Keime können sich auf die Kieferhöhlenschleimhaut ausbreiten und eine OSM auslösen32. Zunächst handelt es sich um eine lokal begrenzte Reaktion der basalen Kieferhöhlenschleimhaut im Recessus alveolaris in Form einer Schleimhautschwellung. Bei Fortdauer dieses Reizes kann die Schwellung die gesamte Kieferhöhlenschleimhaut erfassen und das Ostium naturale verlegen, sodass eine Drainagebehinderung vorliegt34.
Obwohl zwingende Ursachen für die Entstehung der OSM bekannt sind, ist die genaue Pathogenese der OSM noch nicht vollständig geklärt. Häufig werden überpresste endodontische Materialien oder in die Kieferhöhle ragende Zahnimplantate vorgefunden, die keine entzündliche Reaktion der Kieferhöhlenschleimhaut hervorrufen. Ob sich eine OSM entwickelt oder nicht, könnte neben der nasalen Situation (ungehinderte Drainage und Ventilation) auch an der Bildung eines bakteriellen Biofilms liegen. Biofilmgranula wurden in vielen apikalen endodontischen Läsionen mit Bezug zu odontogenen Sinusitiden vorgefunden. In den meisten Fällen wurden Actinomyceten identifiziert33.
Ätiologie
Einer Metaanalyse zufolge sind 56 Prozent aller OSM iatrogen bedingt, wovon 22,3 Prozent auf die Extrusion von Wurzelkanalfüllmaterialien zurückzuführen sind. Somit wären 12,3 Prozent aller OSM auf die Extrusion von Wurzelkanalfüllmaterialien zurückzuführen und 33 Prozent stünden in Zusammenhang mit Wurzelspitzenresektionen (WSR)35 (Tab. 1).
Symptomatik
Die Häufigkeit der Beschwerden bei der OSM wurde in einer retrospektiven Studie untersucht. Zu den häufigsten Symptomen zählen Gesichtsschmerz (88 Prozent), Rhinorrhoe (64 Prozent) und Behinderung der Nasenatmung (45 Prozent)36. Diese sinunasalen Symptome treten sowohl bei odontogenen als auch bei nicht-odontogenen maxillären Sinusitiden auf. Sie können gering ausgeprägt sein, weil die ostiomeatale Einheit noch nicht obstruiert ist, und sich erst mit Fortschreiten der Erkrankung verschlimmern.
Charakteristisch für die OSM ist jedoch das unilaterale Auftreten der Symptome37. Zahnbezogene Symptome, wie Zahnschmerzen, Hypersensitivität, Perkussionsempfindlichkeit und apikale Druckdolenz können zwar mit sinunasalen Symptomen einhergehen, sind aber keine sicheren Indikatoren für eine odontogene Ursache38. Auch nicht-odontogene Sinusitiden können Zahnschmerzen auslösen, ohne dass eine Erkrankung der Zähne vorliegt.
Symptome der akuten OSM beinhalten eine extraoral erkennbare, druckdolente Schwellung der Wange im Bereich der Fossa canina, ein Druckgefühl im Bereich des Oberkiefers beziehungsweise akute, eventuell pulsierende und ausstrahlende Schmerzen, Perkussionsempfindlichkeit der Kieferhöhle, einseitige Rhinitis sowie einseitige Aufbissempfindlichkeit der Zähne. Symptome wie reduzierter Allgemeinzustand und erhöhte Körpertemperatur sind ebenfalls meist vorhanden. Wärmeeinwirkungen und Druckerhöhungen in der Kieferhöhle durch Bücken oder körperliche Anstrengung verstärken den Schmerz. Im mittlerem Nasengang findet sich häufig putrides Sekret, welches in den Rachen transportiert wird und dort als Schleimstraße erkennbar sein kann2.
Diagnostik
Die Diagnostik der OSM beruht auf einer gründlichen klinischen Untersuchung und Anamneseerhebung unter Einbezug der vom Patienten beschriebenen Symptomatik. Die radiologische Bildgebung ist ein wichtiges Instrument der Diagnosesicherung. Die intraorale Untersuchung umfasst Kariesdiagnostik, Perkussions- und Sensibilitätstest der Zähne, Sondierungstiefen, Lokalisation von teilretinierten Zähnen und Wurzelresten, Palpation der fazialen Kieferhöhlenwand sowie die Inspektion der Schleimhaut auf Fistelungen, Schwellungen, Erytheme. Anzumerken ist, dass intraorale Weichgewebeschwellungen (verursacht durch maxilläre Sinusitiden) aufgrund der fehlenden venösen Anastomosen zwischen der intraoralen Schleimhaut und der Kieferhöhlenschleimhaut selten sind38. Aus HNO-Sicht erfolgen die anteriore Rhinoskopie mithilfe des Nasenspekulums sowie die mittlere und posteriore Rhinuskopie endoskopisch. Ebenfalls endoskopisch erfolgt die Sinuskopie. Dabei entnommene Gewebeproben und Abstriche können bei der Diagnosesicherung hilfreich sein38.
Die OSM geht mit einer radiologisch nachweisbaren Schwellung/Verdickung der Kieferhöhlenschleimhaut einher39. Die radiologische Diagnostik umfasst Einzelzahnaufnahmen, Orthopantomogramme, Computertomografien (CT) und digitale Volumentomografien (DVT). Die Ausbreitung endodontischer Infektionen auf den Sinus maxillaris wurde bereits von Selden als endoantrales Syndrom mit folgenden Charakteristika beschrieben33:
- endodontische Erkrankung von Zähnen, deren Wurzelspitzen sich in der Nähe des Kieferhöhlenbodens befinden,
- radiologisch erkennbare periapikale Transluzenz des betroffenen Zahns,
- radiologische Unterbrechung der Lamina dura des basalen Kieferhöhlenbodens über dem betroffenen Zahn,
- eine sich in die Kieferhöhle vorwölbende schwach radioopake Masse oberhalb des Apex des betroffenen Zahns, weder mit dem Zahn noch mit der Lamina dura der Alveole verbunden (repräsentiert eine lokalisierte Schwellung und Verdickung der Kieferhöhlenschleimhaut),
- variable Stufen der Verschattung des Kieferhöhlenlumens im Vergleich zur kontralateralen Seite.
Dabei ist festzuhalten, dass nicht immer alle fünf Charakteristika zutreffen33.
Zweidimensionale Röntgenaufnahmen haben aufgrund der Überlagerung von Strukturen eine limitierte Aussagekraft und können odontogene Ursachen verbergen. Eine dreidimensionale Bildgebung ist hilfreich, um die Diagnose zu sichern. Derzeit gilt die CT als Goldstandard in der OSM-Diagnostik. Obwohl sie eine detaillierte Information über die maxillofaziale Region liefert, werden odontogene Ursachen aufgrund der relativ schlechten Auflösung nicht immer identifiziert40. Im Vergleich zu CTs zeigen DVTs eine bessere Auflösung im Bereich der Knochen und der Zähne, allerdings ist das Weichgewebe darauf schlechter zu beurteilen35.
Die Grenze, ab der eine Schleimhautschwellung in DVTs als pathologisch betrachtet wird, liegt bei 1 bis 3 mm. Die Prävalenz von Schleimhautschwellungen liegt bei 41,5 Prozent, wenn keine apikalen Parodontitiden vorliegen. Sie beträgt 70 Prozent bei milden oder moderaten und 100 Prozent bei schweren apikalen Parodontitiden. Auch parodontaler Knochenabbau ist mit einer verdickten Schleimhaut assoziiert41.
Die einseitige, partielle oder vollständige Verschattung der Kieferhöhle ohne Obstruktion der ostiomeatalen Einheit ist das häufigste Kennzeichen der OSM in der Schnittbilddiagnostik. Es wird jedoch angenommen, dass 16 bis 19 Prozent der Patienten mit OSM bilaterale dentogene Erkrankungen aufweisen, sodass einseitiges Auftreten für die Diagnose nicht unbedingt erforderlich ist. Speziell für die OSM sind periapikale Transluzenzen der häufigste Nachweis für eine odontogene Ursache. Daher sollte der Kieferhöhlenboden in den Schnittbildern auf Osteolysen, Dehiszenzen, Fremdkörper usw. untersucht werden. Wenn allerdings eine direkte Verbindung zwischen der Mund- und Kieferhöhle besteht, können pathogene Keime auf direktem Wege eine Entzündung auslösen, ohne dass eine periapikale Osteolyse radiologisch nachweisbar ist. Erschwert werden kann die Diagnose dadurch, dass die CRS eine häufige Erkrankung ist, die neben der OSM koexistieren kann36 (Abb. 2 und 3).
Anatomische Variationen des Nasengangs und der Nasennebenhöhlen können die Entstehung und die Persistenz von Sinusitiden (rhinogen und odontogen) begünstigen, indem sie die natürlichen Drainagewege beeinträchtigen, und sind daher bei der radiologischen Diagnostik von großer Bedeutung. Zu den anatomischen Variationen, die eine Obstruktion der ostiomeatalen Einheit begünstigen können, zählen zum Beispiel eine ausgeprägte Septumdeviation, Hallersche Zellen, Concha bullosa, Agger-nasi-Zellen, Kieferhöhlensepten oder akzessorische Ostien42.
Radiologische Differenzialdiagnostik
Als Pseudozysten werden runde, scharf konturierte Verschattungen bezeichnet, die breitbasig dem Recessus alveolaris aufsitzen und kugelig in das Lumen ragen. Histologisch findet sich eine Ansammlung von entzündlichem Exsudat, welches die Mukosa anhebt und so zu der charakteristischen Form führt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie außen von Flimmerepithel, im Lumen jedoch von Bindegewebe bedeckt sind. Schleim oder Schleimdrüsen finden sich nicht. Sie entstehen in ca. 90 Prozent auf dem Boden einer chronischen apikalen Parodontitis2.
Schleimdrüsenretentionszysten entstehen durch eine zystische Erweiterung der Schleimdrüsenausführungsgänge durch Verlegung mit Schleimpfropfen und werden oft fälschlicherweise als Mukozele bezeichnet. Solche Retentionszysten finden sich ostiumnah am häufigsten, weil dort die Anzahl der Schleimdrüsen am größten ist. Histologisch sind die Lichtungen durch ein kubisches oder abgeflachtes Epithel begrenzt und mit Schleim gefüllt2.
Odontogene Zysten wölben sich während des Wachstums in die Kieferhöhle vor und können diese so einengen, dass nur noch ein spaltförmiger Raum zwischen Orbitaboden und Zystenwand zurückbleibt. Anfangs ist das Kieferhöhlenlumen vom Zystenlumen durch eine dünne Knochenlamelle getrennt, die allerdings im fortgeschrittenen Stadium resorbiert wird. Kieferhöhlenschleimhaut und Zystenbalg liegen hier aufeinander. Bei sehr großen Zysten verschmelzen die Epithelblätter letztendlich miteinander, sodass der übriggebliebene spaltförmige Kieferhöhlenrezessus ganz verschwindet43.
Differenzialdiagnostisch muss bei der OSM auch an Neoplasien mit Ausfüllung der Kieferhöhle gedacht werden, am häufigsten Kieferhöhlenkarzinome und Speicheldrüsentumoren. Knochenarrosionen und atypische Weichteilformationen sind radiologische Hinweise darauf2.
Differenzialdiagnostik der rhinogenen Sinusitis
Aufgrund ähnlicher klinischer Symptome ist die rhinogene Sinusitis (RS) eine wichtige differenzialdiagnostische Erkrankung. Der Begriff Rhinosinusitis wird zunehmend verwendet, weil die Schleimhäute der Nasennebenhöhlen über die nasale Schleimhaut verbunden sind und entzündliche Prozesse über die anatomischen Grenzen generalisiert sind.
Die Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in der 10. Revision (ICD-10) unterscheidet zwischen der akuten und der chronischen Rhinosinusitis – je nachdem, ob die Symptomatik weniger oder länger als zwölf Wochen besteht. Von einer akuten rezidivierenden RS wird gesprochen, wenn die Symptomatik mehr als viermal pro Jahr mit schmerzfreien Intervallen auftritt3. Die akute RS kann zwar allergisch bedingt sein, jedoch liegt die Ursache in den meisten Fällen in der Ausbreitung viral bedingter oberer Atemwegsinfektionen auf die Nasennebenhöhlen. Die Kardinalsymptome umfassen eitrige Rhinorrhoe, Beeinträchtigung der Nasenatmung, Schmerzen oder Druckgefühl im Gesichtsbereich und der Periorbitalregion oder Kopfschmerzen. Der Krankheitsverlauf ist in der Regel selbstlimitierend, die Therapie symptomatisch und beschränkt auf Analgetika, Antipyretika und abschwellende Nasentropfen. Eine bakterielle Superinfektion der Nasennebenhöhlen tritt dabei nur in 0,5 bis 2 Prozent der Fälle bei Erwachsenen und 6 bis 13 Prozent bei Kindern auf. Erst wenn eine akute RS länger als zehn Tage besteht oder nach Beschwerdelinderung wieder aufflammt, sollt eine bakterielle RS vermutet werden3.
Die CRS hingegen ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei welcher Allergien, bakterielle und Pilzinfektionen involviert sein können und die Obstruktion der ostiomeatalen Einheit von zentraler Bedeutung ist3. Die CRS geht mit einer entzündlich bedingten Schleimhautschwellung einher, welche die mukoziliäre Clearance stört und die natürlichen Ostien der Nasennebenhöhlen verlegen kann. Anatomische Variationen des Nasengangs und der Nasennebenhöhlen können die Entstehung und die Persistenz von Sinusitiden begünstigen. Die entzündlichen Prozesse können infektionsbedingt oder nicht-infektionsbedingter Natur sein. Infektionsbedingte entzündliche Prozesse sind die Folge von bakteriellen oder Pilzinfektionen, nicht-entzündliche Prozesse gehen mit einer Gewebeeosinophilie einher44.
Therapie
Die Therapie der OSM hat als Ziel die lokale Beseitigung der Infektionsursache und die Wiederherstellung der Drainage und Ventilation34 (Abb. 4). Die alleinige Beseitigung der Infektionsursache kann für die Therapie der OSM ausreichen36,45. Die kausale Therapie umfasst beispielsweise einfache Wurzelkanalbehandlungen, Zahnextraktionen oder Fremdkörperentfernungen45. Abschwellende Nasentropfen (α-Sympathomimetika, zum Beispiel Xylometazolin) helfen bei der Wiederherstellung der Drainage und Ventilation. Durch Vasokonstriktion werden die Blutgefäße der Nase verengt, was die Schleimhäute abschwellen lässt. Des Weiteren werden die Schleimproduktion und der Zilienschlag beeinflusst2,5. Zähes Sekret, idealer Nährboden für Bakterienwachstum, kann durch die Gabe von Sekretolytika (zum Beispiel Acetylcystein) verflüssigt werden46.
Die mikrobiologische Flora der OSM ist im Vergleich zu der der CRS viel breiter gefächert und beinhaltet aerobe und anaerobe Keime. Als Mittel der Wahl wird ein Penicillin (Amoxicillin) mit β-Laktamase-Inhibitor mit oder ohne Metronidazol empfohlen. Dies ist auf den häufigen Nachweis von β-Laktamase bildenden Keimen in der Keimflora von OSM zurückzuführen, der mit 80 Prozent beziffert wird. Neuere Studien zeigen, dass die pathogenen Keime der OSM in 50 Prozent der Fälle resistent gegenüber Clindamycin sind. Für Patienten mit Penicillinallergie scheint Doxycyclin das Mittel der Wahl zu sein36. Neben der Beseitigung der Infektionsursache kann eine chirurgische Therapie zur Wiederherstellung der Belüftungs- und Drainagewege notwendig sein. Diese kann transoral, um Beispiel im Zuge der chirurgischen Sanierung der Infektionsursache, nasal endoskopisch oder kombiniert erfolgen (Abb. 5).
Die funktionelle endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie wird als FES oder FESS (functional endoscopic [sinus] surgery) bezeichnet. Sie umfasst die umschriebenen Eröffnungen und Ausräumungen des Nasennebenhöhlensystems in Abhängigkeit von der Pathologie6. Gemeint ist damit im Zusammenhang mit der OSM die Drainage im mittleren Nasengang (Infundibulotomie) und die endoskopische Entfernung lediglich des erkrankten Gewebes (oder der Fremdkörper), um die Funktion der Kieferhöhlenschleimhaut zu erhalten33. Der transorale Zugang erfolgt heutzutage osteoplastisch durch Deckelung der fazialen Kieferhöhlenwand (Knochendeckel nach Lindorf). Als Operationsmethode der Wahl zur Entfernung der entzündlich veränderten Kieferhöhlenschleimhaut wird die funktionelle endoskopische Chirurgie betrachtet. Der transorale osteoplastische Zugang sollte nur dann gewählt werden, wenn eine gute Sicht beziehungsweise ein breiter Zugang erforderlich ist34 (Abb. 6).
Zusammenfassung
Aus endodontischer Sicht ist bedeutsam, dass etwa 40 Prozent aller OMS (apikale) Parodontitiden als Ursache haben, 12 Prozent auf die Extrusion von endodontischen Wurzelfüllmaterialien und 30 Prozent auf WSR zurückzuführen sind35. Das Fehlen klinischer Symptome nach einer Extrusion von Wurzelfüllmaterialien sollte nicht als ausbleibende Infektion interpretiert werden, weil diese erst auftreten kann, wenn sich die OSM auf die ganze Kieferhöhle ausgebreitet hat. Eine radiologische Verlaufskontrolle durch Panoramaschichtaufnahmen ist aufgrund der limitierten Aussagekraft in Bezug auf Kieferhöhlenerkrankungen nicht ausreichend. Persistierende und rezidivierende Sinusitiden werden mit bakteriellen Biofilmen in Verbindung gebracht33. Das Belassen extrudierter und potenziell kontaminierter endodontischer Materialien in der Kieferhöhle kann die Bildung eines bakteriellen Biofilms favorisieren, ihre Beseitigung ist somit sowohl als vorbeugende als auch therapeutische Maßnahme immer indiziert.
Die Diagnose von Pilzbällen wird radiologisch, klinisch intraoperativ und histologisch gestellt. Die Therapie besteht in der vollständigen chirurgischen Entfernung ohne zusätzliche Medikation, selbst wenn radiologisch eine Knochenarrosion beobachtet wird. Eine Probeentnahme der Kieferhöhlenschleimhaut wird empfohlen31.
Nach Extrusion von NaOCl in die Kieferhöhle wird die sofortige transdentale Spülung der Kieferhöhle mit ausreichend steriler Kochsalzlösung (ca. 30 ml) empfohlen6,7. Ist eine transdentale Spülung nicht möglich, kann der Zugang über die faziale Kieferhöhlenwand gewählt werden. Eine sofortige Überweisung an entsprechende Fachkollegen sollte erfolgen.
Bei der odontogenen und rhinogenen Sinusitis handelt es sich um zwei verschiedene Erkrankungen mit überlappender Symptomatik, die letztendlich auf die Obstruktion natürlicher Drainagewege zurückzuführen ist. Die Krankheiten können koexistieren und gemeinsam oder isoliert für eine Drainagebehinderung verantwortlich sein. Neben der Wiederherstellung der Drainage und Ventilation erfordert die OSM zusätzlich die Elimination der Infektionsursache. Ist anamnestisch, klinisch und konventionell radiologisch keine sichere Diagnose möglich, sollte eine weiterführende Schnittbilddiagnostik (CT oder DVT) erfolgen. Die DVT gewinnt aufgrund der hohen Auflösung zunehmend an Bedeutung in der Diagnosesicherung einer OSM39,40.
Voraussetzung für das Ausheilen einer OSM ist neben der Beseitigung der Infektionsursache eine ungehinderte Drainage. Unterstützend kann durch medikamentöse Maßnahmen (abschwellende Nasentropfen, Sekretolytika und Antibiotikatherapie) eine Verbesserung erreicht werden, sodass auf eine chirurgische Intervention eventuell verzichtet werden kann. Eine antibiotische Therapie sollte aufgrund der mikrobiologischen Flora breit gefächert sein.
Ein Beitrag von Stefan Räder, Wuppertal, und Prof. Dr. Michael Hülsmann, Göttingen
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