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Röntgen, Besonderheiten, Medikation – was es zu beachten gilt


Dr. Julia Pahle

Bei zahnärztliche Behandlungen in der Schwangerschaft gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Dr. Julia Pahle hat einen kompakten Überblick über die Möglichkeiten, Einschränkungen und Risiken einer Wurzelkanalbehandlung und begleitenden Medikamentenanwendung bei schwangeren Patientinnen zusammengestellt.

Schwangerschaft ist ein besonderer physiologischer Zustand, der mit einer Reihe von temporären adaptiven Veränderungen im Körper der Frau einhergeht. So unterliegt beispielsweise auch die Psyche der werdenden Mutter langfristigen strukturellen Veränderungen1. Bei bestehendem Kinderwunsch wird Frauen empfohlen, im Vorhinein klinische und röntgenologische Untersuchungen durchführen zu lassen und anstehende zahnärztliche Behandlungen abzuschließen. Die Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie e. V. (DGET) weist darauf hin, dass die Zahnbehandlung bei einer Schwangeren möglichst vermieden werden und nur bei akuten Schmerzen erfolgen sollte. Alle weiteren zahnärztlichen Behandlungen sollten nach Beendigung der Schwangerschaft beziehungsweise der Stillzeit stattfinden2.

Das Fachjournal DENTISTA ist die einzige deutschsprachige Zeitschrift mit Fokus auf Zahnärztinnen. Es stellt praxisrelevante Themen rund um Zahnmedizin, Medizin, Familie und Berufstätigkeit in kurzen und prägnanten Beiträgen dar und lädt zum Informieren und Schmökern ein. DENTISTA versteht sich als informierende und serviceorientierte Begleiterin durch Wissenschaft, Praxis, Labor und Leben. DENTISTA erscheint seit 2007 viermal jährlich. Sie ist offizielles Organ des Verbands der Zahnärztinnen – Dentista e.V. und wird an dessen Mitglieder verschickt. Interessierte Leser können die DENTISTA auch unabhängig von einer Mitgliedschaft direkt vom Verlag beziehen. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


Das erste Trimenon

Das erste Trimenon ist durch die Anlage und rasche Entwicklung der Fötusorgane charakterisiert. Hier besteht das höchste Risiko für eine Fehlgeburt. Werdende Mütter können in dieser Phase psychische Labilität bis hin zu depressiven Stimmungen erleben. Falls in diesem oder einem späteren Zeitraum eine endo­dontische Notfalltherapie erforderlich wird, sollte diese auf apexnahe, im besten Fall vollständige Pulpaextrak­tion, (­initiale) instrumentelle Aufbereitung des Wurzelkanalsystems, sorgfältige Desinfektion und medikamentöse Einlage begrenzt werden. Das Anlegen vom Kofferdam kann wegen der häufig im ersten Trimenon ausgeprägten Übelkeit erschwert sein3.

Das zweite Trimenon

Das zweite Trimenon gilt als stabile Phase der Schwangerschaft, in der das psychische Wohlbefinden der Frau überwiegt. Meist verschwinden hier belastende Symptome, wie Übelkeit. In dieser Zeit können unbedingt erforderliche zahnärztliche Maßnahmen, zum Beispiel erneute Desinfektion des Wurzelkanalsystems mit dem Wechsel der medikamentösen Einlage oder auch nicht weiter aufschiebbare Zahnextraktionen durchgeführt werden.

Das dritte Trimenon

Im dritten Trimenon reift der Fötus vollständig heran und nimmt weiter an Gewicht zu. Aufgrund der andauernden physiologischen Veränderungen der Frau entwickeln sich körperliche Symptome, wie Wassereinlagerungen in den Armen und Beinen, Schließmuskel- und Blasenschwäche, Rücken- und Fußschmerzen wegen der Gewichtzunahme sowie Kurzatmigkeit. Endodontische Maßnahmen sollten auf Notfallbehandlungen reduziert werden. Dabei sollte man auf kurze Termine achten, um das Risiko des Vena-cava-Syndroms zu minimieren. Die empfohlene Lagerung der schwangeren Frau auf der linken Körperseite, um die Kompression der Vena cava zu vermeiden, ist bei einer end­odontischen Behandlung nicht immer umsetzbar.

Röntgenbilder


Abb. 1 Erfolgreiche endodontische Behandlung einer schwangeren Patientin an Zahn 24.

In der Regel sollten begleitend zur endodontischen Therapie mindestens drei röntgenologische Aufnahmen angefertigt werden: vor der Therapie für die Diagnosesicherung, während der Therapie zur Ermittlung der adäquaten Arbeitslänge und eine Aufnahme aus Gründen der Qualitätsicherung im Anschluss an die Behandlung. Wegen Unkenntnis einer sicheren Schwellendosis sollten jedoch Röntgenuntersuchungen in der Schwangerschaft nur bei zwingender Indikation durchgeführt werden; dies gilt insbesondere für das erste Trimenon4. Elektrometrische Längenmessungen sind während der Wurzelkanalaufbereitung in Abwesenheit von röntgenologischen Aufnahmen bei Schwangeren eindeutig von Vorteil5. Auch die Verwendung von Vergrößerungshilfen (vor allem OP-Mikroskope) ermöglicht eine größere Sicherheit beim Auffinden und Aufbereiten aller vorhandenen Hauptwurzelkanäle, Isthmen und/oder Seitenkanäle.

Medikation

Die meisten Medikamente, auch Lokal­anästhetika, sind plazentagängig. Es sollten Präparate mit einer hohen Plasma­proteinbindung bevorzugt werden, um die systemische Wirkung gering zu halten. Dazu gehören Articain, Bupivacain und Etidocain. Kritisch zu betrachten sind Lidocain, Mepivacain und Prilocain, da der an Plasmaproteine gebundene Anteil hier niedriger liegt6.

Vasokonstriktorische Zusätze können zu Durchblutungsstörungen der Plazenta führen. Relevant kann dies im dritten Trimenon bei einer bestehenden Plazenta­insuffizienz werden. Die Zusätze Noradrenalin und Felypressin sind bei Schwangeren kontraindiziert4. Deshalb sollte Adrenalin in höherer Verdünnung (1:200.000) bevorzugt werden4,7.

Als medikamentöse Einlage dienen Calciumhydroxidpräparate. Diese können über einen längeren Zeitraum in den Wurzelkanälen verbleiben. Ledermix (Riemser Pharma, Greifswald/Insel Riems) sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit aufgrund von möglichen fruchtschädigenden Wirkungen nicht angewendet werden8.

Als Analgetikum ist Paracetamol die erste Wahl. Alternativ bei besonderen Schmerzsituationen mit Schwellungen kann bis zur 30. Schwangerschaftswoche Ibuprofen eingesetzt werden4,9. 

Dr. Julia Pahle, M. Sc., Stuttgart

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift DENTISTA, Ausgabe 3/2017.

Literatur


1. Hoekzema E, Barba-Müller E, Pozzobon C et al. Pregnancy leads to long-lasting changes in human brain structure. Nat Neurosci 2017;20:287–296.


2. Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET). Ist eine Wurzelkanalbehandlung während der Schwangerschaft möglich? Gibt es eine Gefahr für das ungeborene Kind? http://www.dget.de/downloads/pmwurzelkanalbehandlunginderschwangerschaft2_1.pdf; Letzter Zugriff: 06.06.2017.


3. Deutsche Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) und DGZMK.“Good clinical practice“: Die Wurzelkanalbehandlung. Stellungnahme des Endodontie-Beirats der DGZ und der DGZMK 2007. http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments /Good_clinical_practice:_Die_Wurzelkanalbehandlung.pdf; Letzter Zugriff: 06.06.2017.


4. Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). Zahnärztliche Behandlung in der Schwangerschaft.  Stellungnahme der DGZMK 8/94 V2.0, Stand 2/94.  http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments /Zahnaerztliche_Behandlung_in_der_Schwangerschaft_2001.pdf; Letzter Zugriff: 06.06.2017.


5. DGZ und DGZMK. Die Bestimmung der endodontischen Arbeitslänge. Stellungnahme der DGZMK 7/2004 V.1.0. gemeinsam mit dem Beirat Endodontologie der DGZ. http://www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments /Die_Bestimmung_der_endodontischen_Arbeitslaenge.pdf; Letzter Zugriff: 06.06.2017.


6. Fayans EP, Stuart HR, Carsten D, Ly Q, Kim H. Local anesthetic use in the pregnant and postpartum patient. Dent Clin North Am 2010;54:697–713.


7. Popovic SF, Lübbers HT, von Mandach U. Schwangerschaft und Stillzeit: welche Lokalanästhetika und Analgetika? Swiss Dental J 2016;126:260–261.


8. RIEMSER Pharma GmbH. Gebrauchsinformation: Information für den Anwender. Ledermix. http://www.riemser.de/uploads/tx_hnmproductdb /pil_Ledermix_Paste_2014-04.pdf: Letzter Zugriff: 06.06.2017.


9. Donaldson M, Goodchild JH. Pregnancy, breast-feeding and drugs used in dentistry. J Am Dent Assoc 2012;143:858–871.


Titelbild: shutterstock.com/Garnet Photo
Reference: Dentista, Ausgabe 3/17 Endodontie Zahnmedizin

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