Die höchste Dichte an Zahnärzten im gesamten Bundesgebiet findet sich auf Sylt – zumindest noch bis Freitag. Dann endet der diesjährige Fortbildungskongress „Sylter Woche“ der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, der größte seiner Art in Deutschland. Nicht nur aus dem Bundesgebiet reisten rund 1.300 Zahnärzte und Zahnmedizinische Fachangestellte an – auch aus der Schweiz, Österreich und Schweden, aus Italien, Finnland und Spanien waren Teilnehmer vertreten.
„SylterPerlen“
Ein rundes Jubiläum prägt die „Sylter Woche“, findet sie doch bereits zum 60. Male statt. Aus diesem Anlass hatte die Zahnärztekammer Schleswig-Holstein (ZÄK-SH) diesmal zum Generalthema „Sylter Perlen“ eingeladen und Besonderheiten der heutigen Zahnheilkunde und einen Ausblick in die Zukunft der Zahnmedizin in den Fokus gestellt.
Dafür hatte Dr. Andreas Sporbeck, Vorstand Fortbildung der Zahnärztekammer, gleich 25 renommierte Referenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gewinnen können. In 22 Vorträgen und mehr als 30 Seminaren erhalten die Teilnehmer wichtige Einblicke zu Themen wie innovativen Materialien, Operationsverfahren in der Praxis bis hin zur Zahnersatzversorgung bei älteren Menschen. Abgerundet wird die Veranstaltung im Westerländer Congress Centrum durch eine umfangreiche Präsentation von 66 Dentalfirmen.
Kritisches zur Eröffnung
Dr. Michael Brandt, Präsident der (ZÄK-SH), konnte im Auditorium BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel, dessen Vize Prof. Dr. Christoph Benz, Harald Schrader als Bundesvorsitzender des FVDZ und Repräsentanten anderer Landes-Zahnärztekammern und Verbände sowie gleichsam als Gastgeber der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel begrüßen. Im traditionell kritischen Eröffnungsvortrag bezog sich der Kammerpräsident auf das offenkundige Scheitern der Elektronischen Gesundheitskarte, deren Entwicklungskosten bislang mehr als zwei Milliarden Euro verschlungen haben, ebenso wie auf die wachsende Zahl von Investoren, die mit großem Kapital in den Markt der Zahnarztpraxen vordringen. „Am Beispiel unserer dänischen Nachbarn zeigt sich bereits, wie schnell die Zahl der Einzelpraxen abnimmt, die in größeren Strukturen aufgehen: Etwa zwanzig Prozent waren es in den vergangenen Jahren.“
Daher, so Dr. Brandt, seien mit Unterstützung der Politik jetzt dringend Handlungskonzepte gefordert. „Es reicht bereits, Ungerechtigkeiten zu beseitigen, etwa die Zahl der angestellten Zahnärzte in den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zu begrenzen. Wieso darf ein Praxisinhaber nur zwei Zahnärzte anstellen, ein MVZ aber unendlich viele?“ Dass der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) ein Genossenschaftsmodell realisieren will, sei ein erster Schritt. Gleichwohl sei es unabdingbar, „sich durch Netzwerke gegenüber Franchise- und Kettenpraxen zu behaupten. Diese Netzwerke sehe ich in etablierten Qualitätszirkeln, die wir weiter ausbauen müssen.“
Inhabergeführt statt fremdfinanziert
Auch andere Redner schlugen in diese Kerbe. So plädierte Dr. Matthias Badenhop mit Blick auf die Versorgung in der ländlichen Fläche gegen eine Begrenzung der Zahl der angestellten Zahnärzte in der Praxis. Kritisch sprach sich Christine Aschenberg-Dugnus gegen „fremdfinanzierte zahnmedizinische Versorgungszentren“ aus, ebenso auch Dr. Peter Engel: „Diese Entwicklung ist besorgniserregend und entfernt sich von ethischen Grundsätzen zugunsten rein wirtschaftlicher Aspekte.“ Dass dadurch „ein Wettbewerb auf dem Rücken der Patienten“ ausgetragen werde, ist für Schrader keineswegs akzeptabel: „Wir fordern einen fairen Wettbewerb und Versorgungsstrukturen, die inhabergeführt sind. Erfreulicherweise gibt es dazu bereits positive Signale seitens der Politik.“
Stimmen aus der Politik
Weitere Aspekte benannte die Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus, selbst Ehefrau eines Zahnarztes, in ihrem Grußwort. Sie sprach sich für eine Stärkung der Freiberuflichkeit und gegen eine Entbudgetierung aus, für eine Verminderung des bürokratischen Arbeitsaufwands und gegen eine einheitliche Gebührenordnung. Die neue EU-Datenschutzverordnung müsse für die Zahnarztpraxen praktikabel und verhältnismäßig gestaltet werden. Staatssekretär Badenhop betonte, dass die Freiberuflichkeit das Rückgrat der ambulanten Versorgung sei. Begrüßt werde seitens des Lands Schleswig-Holstein die überarbeitete Approbationsordnung, während die Aufhebung der unterschiedlichen Honorierungen zwischen stationär und ambulant seiner Ansicht nach nicht das Kernproblem löse, ein umfassendes Versorgungsangebot auch in der ländlichen Fläche zu gewährleisten.
Diamantenhochzeit mit Sylt
Bürgermeister Nikolas Häckel dankte der Kammer für die langjährige Treue zu Westerland („Wir feiern heute quasi Diamantene Hochzeit“) und ebenso für das soziale Engagement: Auch diesmal kommen die Einnahmen des „Dental-Golf-Cup“ im Anschluss an die „Sylter Woche“ wie in den Vorjahren dem Fonds „Sylter Familien in Not“ für unbürokratische Hilfeleistungen zugute.
Traditionell schloss ein fachfremder Vortrag den Eröffnungstag – im Jubiläumsjahr waren es diesmal sogar zwei: Nachdem das Auditorium von Prof. Dr. Carsten Schulz – sowohl an der Uni Kiel als auch für die Gesellschaft für Marine Aquakultur in Büsum tätig – unter anderem erfahren hatte, dass inzwischen jeder zweite Fisch auf dem Teller aus einer Aquakultur stamme, üinformierte Bine Pöhner, Geschäftsführerin von Deutschlands einziger Austernaufzucht „Sylter Royal“ im Lister Wattenmeer interessante Details des Zuchtbetriebs, so etwa, dass im Watt jährlich eine Million der schmackhaften Schalentiere geerntet werden. Weitere Informationen zum Kongress und das Programm finden Sie auf der Homepage www.sylterwoche.de.
Titelbild: Dr. Michael Brandt, Präsident der ZÄK-SH, Dr. Kai Voss, Vizepräsident der ZÄK-SH, MdB Christine Aschenberg-Dugnus, Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, Dr. Matthias Badenhop, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium, Nikolas Häckel, Bürgermeister der Gemeinde Sylt und Dr. Andreas Sporbeck, Vorstand Fortbildung der ZÄK-SH (von links) Quelle: Syltpicture Volker Frenzel