Auch in der Funktionsdiagnostik und -therapie kommt es seit einigen Jahren zunehmend zu Auseinandersetzungen hinsichtlich der gebührenrechtlichen Einordnung verschiedener Untersuchungs- und Behandlungsverfahren. Dies liegt darin begründet, dass die von der Bundesregierung zuletzt 2012 überarbeitete Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) generell gültig ist und Zahnärzte verpflichtet, ihre Leistungen ausnahmslos nach dieser zu berechnen (§1 GOZ), solange nicht durch das Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Da die Funktionsdiagnostik und -therapie nach Vorgabe Sozialgesetzbuch V § 28 (2) 8 nicht zum Leistungsumfang der vertragszahnärztlichen Leistung zählt, betrifft dies alle Patienten mit funktionsdiagnostischem Behandlungsbedarf.
Diese Regelung ist an und für sich eindeutig. Problematisch ist die Berechnung funktionsanalytischer und -therapeutischer Maßnahmen dennoch, weil die Gebührenordnung ein tabellarisches Gebührenverzeichnis enthält, das auch und gerade in diesem Bereich unvollständig ist. Diese Besonderheit ist rein formal bereits daran erkennbar, dass in der Gebührenordnung in §6 (1) eine Regelung enthalten ist, die ausdrücklich vorsieht, nicht im Gebührenverzeichnis enthaltene selbstständige Leistungen entsprechend beziehungsweise analog anderer, im Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung enthaltenen Leistungen zu berechnen („Analogberechnung“). Der Verordnungsgeber vermeidet so eine allfällige periodische zeitnahe Aktualisierung der Gebührenordnung und ermöglicht durch die Analogberechnung dennoch die im Zahnheilkundegesetz geforderte Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Als Orientierung für Zahnärzte, welche nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ enthaltene Leistungen selbstständig und daher auf dem Weg der Analogberechnung abrechnen, gibt die Bundeszahnärztekammer eine „Analogliste“ heraus. Diese wird durch halbjährliche Überarbeitungen aktuell gehalten, enthält aber keine inhaltlichen Erläuterungen. Diese Aufgabe erfüllt ausführlich unter anderem „Der Kommentar BEMA + GOZ“(Leibold/Raff/Wissing), ein seit Jahrzenten eingeführter unabhängiger Abrechnungskommentar, der auch bei Zahnärztekammern und Gerichten anerkannt ist. Nachfolgend geht es um die Frage, inwieweit die Kondylenpositionsanalyse ein selbstständiges Verfahren darstellt und wie die Leistung zu berechnen ist.
Dieser Beitrag stammt aus der „Zeitschrift für Kraniomandibuläre Funktion“ der Quintessenz Verlags-GmbH. Die Zeitschrift berichtet bilingual in Deutsch und Englisch über neue Entwicklungen in Klinik und Forschung. Sie nimmt aktuelle Original- und Übersichtsarbeiten, klinische Fallberichte, interessante Studienergebnisse, Tipps für die Praxis, Tagungsberichte sowie Berichte aus der praktischen Arbeit aus der gesamten Funktionsdiagnostik und -therapie auf. Vierteljährlich informiert sie über Neuigkeiten aus den Fachgesellschaften und bringt aktuelle Kongressinformationen und Buchbesprechungen. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Einleitung
Die Kondylenpositionsanalyse bezeichnet ein instrumentell-funktionsanalytisches Verfahren zum quantitativen dreidimensionalen Vergleich mehrerer Kieferpositionen mittels spezieller Messungen und Messgeräte. In der 2015 erschienenen S2k-Leitlinie „Instrumentelle Funktionsanalyse“ der DGFDT und zahlreicher weiterer Fachgesellschaften ist Teil 2 allein der Kondylenpositionsanalyse gewidmet, die spätestens damit formell als eigenständiges Verfahren wissenschaftlich anerkannt wurde2.
Indikation
Im Sinne der Leitlinie besteht das Ziel der Kondylenpositionsanalyse darin, bei bezahnten Patienten die relative Position des Unterkiefers in verschiedenen Kieferpositionen zu registrieren und zu vermessen. Dies können zum Beispiel eine vom Zahnarzt handgeführte Kieferrelationsbestimmung in von der Zahnstellung unabhängiger zentrischer Unterkieferposition sowie in der kondylären Position bei maximaler Interkuspidation sein. Die Kondylenpositionsanalyse ist in dreierlei Hinsicht relevant:
- Das Verfahren ermöglicht in der initialen Diagnostik craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) eine Bewertung des Einflusses der Okklusion im Kontext mit der Muskelfunktion sowie der kondylären Position und der Funktion beziehungsweise Dysfunktion der Kiefergelenke.
- Im Rahmen der zahnärztlichen Funktionstherapie dient es zur Verlaufskontrolle und ermöglicht, die Kieferposition auf – gegebenenfalls therapeutisch erwünschte – Änderungen zu untersuchen und zu prüfen, inwieweit sich die Kieferposition dabei stabil entwickelt oder nicht.
- In der restaurativen Therapie kann das Verfahren zudem helfen, die Ursachen okklusaler Störungen nach der Eingliederung dentaler Restaurationen aufzuklären.
Ausführungsvarianten und Voraussetzungen
Aufgrund der fachlichen und technologischen Weiterentwicklung sind mittlerweile verschiedene Instrumente für die Kondylenpositionsanalyse entwickelt worden. Prinzipiell zu unterscheiden ist dabei die Kondylenpositionsanalyse mittels spezieller stationärer Messinstrumente – analog oder digital – sowie die Kondylenpositionsanalyse direkt am Patienten mittels entsprechender elektronischer Messinstrumente.
Voraussetzungen für die Kondylenpositionsanalyse mittels stationärer Messinstrumente sind die Verfügbarkeit entsprechender Geräte, die dimensionsgetreue Montage der Kiefermodelle in das Messgerät (in der Regel mittels dreidimensional profilierter Sockelplatten) und eine vorherige scharnierachsbezügliche Montage des Oberkiefermodells in einen individuellen Artikulator (vgl. GOZ-Nummern 8020 und 8030).
Erforderlich sind zudem Aufzeichnungen der gelenkbezogenen zentrischen Kieferrelation (vgl. GOZ-Nr. 8010), als Vergleich für die Aufzeichnung der Interkuspidationsposition oder der habituellen Okklusion. Mit jedem Zentrikregistrat wird dabei eine dreidimensionale Position des Unterkiefers aufgezeichnet, charakterisiert durch die Position der Unterkieferzähne relativ zur Position der Oberkieferzähne. Zentrikregistrate sind für sich allein therapeutisch verwendbar, sofern auf deren Grundlage die Montage des Unterkiefermodells in einen Artikulator beziehungsweise Kausimulator erfolgen soll. Die Leistungsbeschreibung zur GOZ-Nr. 8010 enthält allerdings nicht ohne Grund den Hinweis, dass mehrere Registrierungen pro Sitzung sinnvoll sein können, und den folgerichtigen Hinweis, dass die Leistung zweimal pro Sitzung berechenbar ist. In der Zeit vor der Entwicklung des Verfahrens der Kondylenpositionsanalyse oder ohne Verfügbarkeit entsprechender Geräte und Kenntnisse liegen nach mehrfacher Aufzeichnung der gelenkbezogenen zentrischen Relation mehrere einzelne Zentrikregistrate nach der GOZ-Nr. 8010 vor.
Kontrollsockelmethode
Eine Möglichkeit der Überprüfung verschiedener Zentrikregistrate nach der GOZ-Nr. 8010 ist die Kontrollsockelmethode (englisch: „split cast“). Dafür wird vorab in den Sockel des Oberkiefermodells eine horizontale geometrische Trennung integriert und die beiden Teile des Modellsockels in geeigneter Weise reversibel verbunden3, früher per Klebeband4, heute mittels hierfür speziell entwickelter Magnetsysteme5. Die Kontrollsockelmethode liefert aber nur die qualitative Feststellung (ja/nein-Differenzierung), ob zwei Zentrikregistrate übereinstimmen oder nicht; eine quantitative Differenzierung ist hier nicht möglich. Die Methode ist damit für jene Fälle geeignet, in denen von vornherein geplant ist, eine Behandlung auf der Basis einer zentrischen Kieferrelationsbestimmung durchzuführen und der Zahnarzt sich lediglich versichern möchte, dass zwei oder mehr Zentrikregistrate dreidimensional übereinstimmen und eine belastbare Behandlungsgrundlage darstellen. Die Leistungsbeschreibung der Kieferrelationsbestimmung schließt daher auch keine weitergehenden Auswertungen ein.
Seit Ende der 1970er-Jahre ist allerdings bekannt, dass bei funktionsgestörten Patienten die Stabilität der Kieferposition häufiger beeinträchtigt ist 5. Bei Patienten mit CMD ist mithin zu erwarten, dass in der initialen Diagnostik mehrere Zentrikregistrate häufig nicht übereinstimmen. Das steht im Gegensatz zu funktionell unauffälligen Patienten, bei denen Zentrikregistrate sehr gut reproduzierbar sind – sei es zu verschiedenen Zeitpunkten, als auch bei Wiederholung der Registrierung durch verschiedene Zahnärzte, wie dies unter anderem durch eine Studie der Wiener Arbeitsgruppe um Piehslinger nachgewiesen wurde6. Allein die Tatsache, dass in gleicher Technik hergestellte Zentrikregistrate eines Patienten divergieren, deutet mithin auf eine Funktionsstörung hin, führt aber auch zu der Frage, mit welchem Registrat die Weiterbehandlung erfolgen soll?
Bei der Funktionsdiagnostik im Rahmen von Diagnostik und Therapie der CMD kann daher die reine Ja-/nein-Entscheidung, ob Zentrikregistrate exakt übereinstimmen oder nicht, unzureichend sein. Für die Therapie relevant ist in diesen Fällen, wie und wieweit verschiedene Zentrikregistrate voneinander abweichen und wieweit die Abweichung der Zentrikregistrate von der habituellen Okklusion oder der maximalen Interkuspidation ist. Daraus sind dann im Kontext mit anderen Befunden (klinische Funktionsanalyse, manuelle Strukturanalyse) diagnostische Schlüsse für die weitere Therapie zu ziehen. Aus dieser Notwendigkeit heraus wurde schon vor Jahrzehnten das Verfahren der Kondylenpositionsanalyse entwickelt7,8.
Instrumente
Stationäre Messinstrumente
Vor diesem Hintergrund wurden schon seit Jahrzehnten spezielle Messinstrumente für die Kondylenpositionsanalyse entwickelt. Erste Beispiele hierfür waren das nach seinem Erfinder Stuart benannte Instrument und später der Condylar Position Indicator (CPI) nach Lee (Panadent, Québec, Kanada), gefolgt vom Mandibular-Positions-Indikator (MPI) nach Mack (SAM Präzisionstechnik, Gauting) sowie dem Kondymeter vom selben Hersteller (Abb. 1). Auch im Reference-System nach Reusch, Feyen und Cramer war von vornherein ein Condylen-Positions-Messinstrument (CPM) fester Bestandteil (einst Girrbach Dental, Pforzheim). Nach Übernahme des Systems durch die Gamma Dental (Klosterneuburg, Österreich) wurde hieraus je ein analoges Kondylen-Positions-Messinstrument (A-CPM, Abb. 2) und eine elektronische Version entwickelt (E-CPM, Abb. 3).
Bei all diesen Geräten handelt es sich um stationäre Kondylenpositionsmessinstrumente, in denen die Messung zwischen darin montierten Kiefermodellen stattfindet – durch den Vergleich am Patienten gewonnener Zentrikregistrate mit Registraten der Interkuspidationsposition beziehungsweise der habituellen Okklusionsposition. Zur Registrierung der habituellen Okklusion finden dabei anstelle früher üblicher durchgebissener Wachsregistrate heute schnittfest aushärtende Registriersilikone Verwendung. Möglich ist zudem der Vergleich registrierter Kieferpositionen mit anderen oder früher aufgezeichneten Kieferpositionen mittels spezieller Positionsschlüssel (Bissübertragungsschablonen) aus Hartsilikon.
Nach vorliegenden Untersuchungen ist die Reproduzierbarkeit der Kondylenpositionsanalyse sehr gut, sofern die Kiefermodelle mittels der genannten Registrate und – in habitueller Okklusion – mittels zahntechnisch entsprechend vorbereiteter Biss-Übertragungsschablonen hergestellt werden9.
Instrumente zur Messung direkt am Patienten
Als Alternative zur Kondylenpositionsanalyse mit stationären mechanischen oder elektronischen Messinstrumenten ist darüber hinaus eine Kondylenpositionsanalyse direkt am Patienten möglich. Hierfür kommen elektronische Messsysteme wie zum Beispiel der Jaw Motion Analyser+ zur Anwendung (Zebris, Isny), deren Hardware auf elektronischen Systemen zur Bewegungsaufzeichnung basiert (Abb. 4). Anders als bei der Bewegungsaufzeichnung werden hierbei jedoch mittels spezieller Software Einzelpositionen dreidimensional aufgezeichnet und in ihrer Position relativ zueinander vermessen. Das Verfahren ermöglicht so, auch Positionen im Verlauf eines Kauzyklus zu vermessen, ohne dass entsprechende Registriermaterialien zwischen die Zahnreihen zu interpolieren sind. Alternativlos ist diese Variante der Kondylenpositionsanalyse zudem, wenn keine Kiefermodelle vorliegen– etwa, weil eine Abformung wegen nicht herausnehmbarer festsitzender kieferorthopädischer Apparaturen nicht möglich ist.
Auch wenn in diesem Fall die gleichen Instrumente verwandt werden wie bei der Bewegungsaufzeichnung, so handelt es sich hierbei dennoch um eine völlig andere Untersuchung mit anderem Vorgehen, anderer Auswertung, zusätzlich erforderlicher Softwaremodule (Zebris) und anderem Ziel. Das Vorgehen direkt am Patienten mutet dabei scheinbar einfacher an, dafür ist die korrekte Übertragung im direkten Verfahren gemessener und ausgewerteter Kieferposition in einen stationären Artikulator umso schwieriger. Es ist zudem anspruchsvoll, Veränderungen in der Positionierung des Messsystems am Kopf des Patienten sicher auszuschließen.
Eine neue digitale Ausführungsvariante direkt am Patienten ist die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse und Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle mit dem System Freecorder Bluefox9 (DDI, Dortmund, Abb. 5).
Abrechnung
Die Kondylenpositionsanalyse ist demzufolge ein in der CMD-Diagnostik sowie im Rahmen der restaurativen Therapie international etabliertes, wissenschaftlich anerkanntes Verfahren. Die technische Entwicklung spiegelt sich in der Entwicklung stetig neuer Messinstrumente wider und auch in der Weiterentwicklung der Vorgehensweise im Verfahren an sich.
Unabhängig von den verwendeten Messinstrumenten ist die Kondylenpositionsanalyse als Verfahren im Gebührenverzeichnis der GOZ aus dem Jahre 2012 nicht enthalten.
Die Kondylenpositionsanalyse am stationären Messinstrument setzt zahnärztliche Leistungen nach den GOZ-Nrn. 0060, 8020 oder 8030/8035 sowie in der Regel die Leistung nach der GOZ-Nr. 8010 und zahntechnische Vorarbeiten voraus. Bei der Leistung handelt es sich um eine diagnostische Auswertung in der Verantwortung des Zahnarztes. Sofern sie im zahnärztlichen Praxislabor erfolgt, ist sie zumindest unmittelbar zahnärztlich zu überwachen, von den Umständen am ehesten vergleichbar mit der in der ehemaligen GOZ von 1988 enthaltenen GOZ-Nr. 804 (Montage des Unterkiefermodells nach Zentrikregistraten). Demnach ist die Berechnung über das Analogieverfahren nach §6 Abs. 1 anzuwenden, da es sich bei Durchführung durch den Zahnarzt um eine selbstständige zahnärztliche Leistung handelt.
Alternativ kann die Berechnung nach Paragraf 9 GOZ auch als zahntechnische Leistung erfolgen, so wie die in der GOZ 1988 verortete GOZ-Nr. 804 nun mit der GOZ-Reform 2012 der Zahntechnik nach Paragraf 9 GOZ (zahntechnische Leistungen) zugeordnet wurde. Dafür spricht zum Beispiel, dass die Leistung im zahntechnischen Leistungsverzeichnis mit Bezug auf eines der hierfür eingesetzten Einstellinstrumente (MPI, SAM) ohnehin enthalten ist (BEB-Nr. 0835).
Korrespondierend mit dem einzelnen Verfahren können zusätzliche, nach Paragraf 9 GOZ berechenbare zahntechnische Leistungen hinzukommen (zum Beispiel Herstellung von Ober- und Unterkiefermodellen, Montage von Ober- und Unterkiefermodellen in Artikulatoren, Herstellung von Bissübertragungsschablonen etc.).
Bei einer Berechnung als zahnärztliche Leistung über das Analogieverfahren nach Paragraf 6 Abs. 1 ist es schwierig, unabhängig vom Einzelfall generell geeignete Analognummern zu empfehlen, da der tatsächliche Aufwand von den individuellen Gegebenheiten abhängig ist und vor allem – je nach Anzahl zu vermessender Registrate – beträchtlich differieren kann. Hinzu kommen Besonderheiten, die sich bei der Kondylenpositionsanalyse im stationären Messsystem aus zwischenzeitlichen Änderungen der Zahnstellung im Behandlungsverlauf ergeben, da diese sehr aufwendigen nachträglichen Anpassungen der Registrate vor der Positionierung im Messinstrument erfolgen.
Bestandteil der Leistung sind bei der klassischen Kondylenpositionsanalyse mit stationären Messinstrumenten das vorherige Heraussuchen der Kiefermodelle aus dem Archiv in der Arbeitsvorbereitung sowie das Bereitstellen der Befundformulare und die Montage der Kiefermodelle im Kondylenpositionsmessinstrument. Bei Folgemessungen im Rahmen des behandlungsbegleitenden Monitorings folgt dann zunächst die Ermittlung, Einstellung, Markierung und Vermessung der bisher eingenommenen Kieferposition sowie deren Gegenkontrolle mit den Messungen aus der Vergangenheit als qualitätssicherndes Kontrollsystem. Es folgt dann das eigentliche Messen der registrierten Kieferposition(en) und der Abgleich mit Vorbefunden sowie die Auswertung, Diagnostik und Dokumentation (Abb. 6). Der scheinbar unsichtbare Aufwand ist daher beträchtlich, sodass insgesamt ein Zeitaufwand von ca. 15 Minuten als Orientierungsrahmen dienen kann. Die Entsprechungsleistung sollte jener in der Analogabrechnung gerecht werden.
Die aktuelle Rechtsprechung zur Abrechnung der Kondylenpositionsanalyse ist durch ein Urteil vom Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart vom 10. Dezember 2015 geprägt (Az. 1 K 5043/13). In dem Urteil hat sich das Gericht dezidiert mit der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle beschäftigt und mögliche Analogpositionen für die Berechnung benannt. Im Ergebnis stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die Leistungen nicht im Gebührenverzeichnis der GOZ 2012 beschrieben und daher gemäß Paragraf 6 Abs. 1 GOZ als Analogleistung zu berechnen sind. Als Entsprechungsleistung befand das Gericht eine Berechnung nach der GOZ-Nr. 8065 für angemessen. Eine Berechnung analog der den GOZ-Nrn. 6040 und 6070 kommt dem Verwaltungsgericht zufolge nicht in Betracht, da diese Leistungen keine Behandlung mit objektiv vergleichbarem Aufwand darstellen. In seiner Begründung stellt das Gericht fest:
„Die Negativvoraussetzung der Analogberechnung, die Nichtaufnahme der jeweiligen Leistung in das Gebührenverzeichnis, liegt vor. Bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle handelt es sich um zahnärztliche Leistungen, welche die anderen zahnärztlich-funktionsdiagnostischen Leistungen ergänzen und in der GOZ 2012 nicht beschrieben sind (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Lieferung, Stand: Juli 2014, Abschnitt J. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen – Analogleistungen, Kondylenpositionsanalyse, S. 4 f.).
Auch das Tatbestandsmerkmal der Selbstständigkeit der Leistung (hierzu: Haberstroh, VersR 2001, S. 1064 f. m. w. N. sowie Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 109. Lieferung, Stand: März 2015; Paragraf 6 Rn. 4.) ist erfüllt, da es sich jeweils um neue und eigenständige Leistungen und nicht nur um eine neuartige Methodik bzw. eine Variation bereits beschriebener Leistungsinhalte handelt.
Selbstständige Leistungen sind nur solche, die nicht Bestandteil einer im Gebührenverzeichnis genannten umfassenderen Leistung sind. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Anwendbarkeit der Analogberechnung darauf an, dass die in Rede stehende Leistung eine andere als die im Leistungsverzeichnis beschriebene ist und nicht nur eine besondere Ausführung der Letzteren. Wo die Grenze zwischen beidem liegt, lässt sich letztlich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – Az.: III ZR 344/03 –, MDR 2004, 928 ff.).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle um selbstständige Leistungen, die – bedingt durch die neuartigen technischen Möglichkeiten des Freecorders – keine bloße Variation der bereits vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten darstellen (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Lieferung, Stand: Juli 2014, Abschnitt J. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen – Analogleistungen, Kondylenpositionsanalyse, S. 4 f.). Die Gleichwertigkeit von Analogleistung und Vergleichsleistung liegt vor.
„Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und bei der nach GOZ-Nr. 8065 abrechenbaren Leistung um gleichwertige Leistungen.“
Das Gericht ist in dieser Bewertung der Vorgabe der GOZ gefolgt, als Entsprechungsleistung zunächst einmal eine nach der Art vergleichbare Leistung zu wählen. Da es sich bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle um eine funktionsdiagnostische Leistung unter Nutzung eines elektronischen Systems handelt, sind strukturell vergleichbare Bezugsleistungen mit Nutzung elektronisch unterstützter funktionsanalytischer Verfahren die GOZ-Nr. 8065 sowie die GOZ-Nr. 8035. Das Gericht hat die Leistung nach GOZ-Nr. 8065 als angemessen eingestuft. Folgt man dieser Herangehensweise, so wäre zum Beispiel für die Kondylenpositionsanalyse mit stationärem mechanischem Messinstrument und analoger Auswertung die GOZ-Nr. 8060 als Entsprechungsleistung heranzuziehen.
Ein Beitrag von Dr. Dr. Alexander Raff, Stuttgart
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