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Eine genetische Grundlage für extraorale Halitosis

In einem speziellen Fall von extraoraler Halitosis dauerte es rund 20 Jahre, bis die Ursache endgültig geklärt war. Die Aufklärung dauerte so lange, da sie mit der Entdeckung einer neuen Krankheit und eines neuen menschlichen Proteins verbunden war. Jörn Oliver Sass, Professor für Bioanalytik und Biochemie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, forschte mit 20 Kollegen aus 15 wissenschaftlichen Einrichtungen an dem Fall. Damals kam eine türkische Familie zu Prof. Karl Otfried Schwab, dem ärztlichen Leiter der Stoffwechselambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Freiburg (ZKJ) mit dem Problem, dass zwei ihrer Kinder einen unangenehmen kohlartigen Körpergeruch verbunden mit Halitosis aufwiesen.

Schwefelhaltige Stoffwechselprodukte in Atem, Urin und Blut

In dieser Familie wurden zunächst bekannte Stoffwechseldefekte ausgeschlossen, die für diesen Körpergeruch hätten verantwortlich sein können. Dr. Willy Lehnert, Leiter des ZKJ-Stoffwechsellabors, entdeckte die organische Säure Dimethylsulfon im Urin der Kinder. Ab 2003 übersandten Sass als Nachfolger von Lehnert und Karl Otfried Schwab Ausatemluft, Urin- und Blutproben ins Labor in Nijmegen. Die niederländischen Kollegen machten Methanthiol und Dimethylsulfid für den fauligen Kohlgeruch verantwortlich. Offensichtlich können diese Stoffwechselprodukte bei betroffenen Patienten nicht normal abgebaut werden und stauen sich im Körper an. Gelangen die Schwefelkomponenten in Lunge oder Niere, werden sie über die Atemluft oder den Harn ausgeschieden. Die Ursache dieses Abbaudefekts war damals unbekannt, so dass die Aufklärung dieses Krankheitsbildes nicht voranschritt.

Suche nach dem Unbekannten

Über den ZKJ-Neuropädiater Prof. Heymut Omran (heute Uni Münster) wurden in der türkischen Familie Linkage-Untersuchungen veranlasst, um den chromosomalen Abschnitt einzugrenzen, auf dem die vermutlich homozygoten Mutationen zu erwarten waren. Zunächst ließen sich dort keine bekannten menschlichen Proteine identifizieren, die eine Hemmung des Abbaus von Methanthiol hätten erklären können, allerdings war zu jener Zeit die molekulare Grundlage dieses Kohlgeruchs noch nicht einmal in Bakterien identifiziert. Wieder stockte die Aufklärung der Krankheit für Jahre.

Hilfe durch Erkenntnisse aus der Mikrobiologie

Prof. Dr. Huub Op den Camp aus Nijmegen, Mikrobiologe und Spezialist für Schwefelkonversion in Bakterien, hatte kurz zuvor ein Protein in dem Bakterium Hyphomicrobium beschrieben, das Methanthiol metabolisieren kann, eine Methanthiol-Oxidase. Die Forscher untersuchten nun, ob die Genabschnitte, die für das Protein in Bakterien kodieren, auch beim Menschen vorhanden waren. Das bakterielle Gen korrespondierte am engsten mit SELENBP1, einem menschlichen Selen-bindenden Protein. Die Funktion dieses Proteins beim Menschen war noch unbekannt, in der Literatur wurde eine Rolle bei der Tumorsuppression beschrieben. Die Hypothese war naheliegend, dass ein Fehlen dieses Proteins den fauligen Körpergeruch bei betroffenen Patienten erklären könnte.

Diagnose nach 20 Jahren

In zwei Familien aus den Niederlanden und Portugal wurde bei einigen Mitgliedern ein vergleichbarer Geruch identifiziert, es konnten homozygote oder compound-heterozygote Mutationen in den Genabschnitten festgestellt werden, die für SELENBP1 kodieren und zu verminderter Methanthiol-Oxidase-Aktivität führen. Darüber hinaus ließen sich signifikant verminderte Mengen dieses Proteins in Hautzellen betroffener Patienten und in Mäusen nachweisen, bei denen man das Selenbp1-Gen ausgeschaltet hatte.

Diese Ergebnisse führten zu der Erkenntnis, dass SELENBP1 eine Methanthiol-Oxidase ist und Mutationen dieses Gens das Krankheitsbild der extraoralen Halitosis (Atemgeruch, der nicht im Mund entsteht) verursachen kann. Diese Mutation ist wahrscheinlich häufiger anzutreffen, die Heterozygotenfrequenz beträgt 1:90.000. Allerdings scheint die Symptomatik der Krankheit sehr variabel, viele Betroffene werden ihren Geruch möglicherweise nicht bemerken. Prinzipiell ist die Krankheit nicht heilbar, unter Umständen durch diätetische Maßnahmen beeinflussbar.

Somit gelang es nach 20 Jahren und einigen Umwegen, den kausalen Hintergrund des Krankheitsbilds der türkischen Familie aufzudecken. Die Ergebnisse wurden online im Dezember 2017 in „Nature Genetics“ veröffentlicht, Volltext des Papers unter http://rdcu.be/CoxF.

Bild: Shutterstock, Kleber Cordeiro

 

 

Reference: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg/Quintessenz News Interdisziplinär Team

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