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Mit Süßungsmittel gesüßte Produkte eignen sich als Zwischenschritt zur zuckerreduzierten Ernährung mit natürlicher Süße


Dr. oec. troph. Ute Alexy, Dortmund

Süßungsmittel, das heißt, Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe, sind nicht oder nur wenig kariogen. Als Zusatzstoffe unterliegen sie vor einer Zulassung einer gesundheitlichen Bewertung. Obwohl Süßungsmittel daher als sicher gelten, werden mögliche langfristige Folgen für die Gesundheit diskutiert, zum Beispiel im Hinblick auf die Entstehung von Karies, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes Typ 2. Inwieweit eine Verstärkung der Süßpräferenz durch Süßungsmittel eine Rolle spielt, ist noch nicht geklärt.

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Hintergrund

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, den Verzehr von sogenannten freien Zuckern („free sugar“, das heißt, die Summe von zugesetzten Zuckern plus Zucker aus Fruchtsäften) auf maximal 10 Prozent der Energiezufuhr zu reduzieren, da eine hohe Zuckerzufuhr das Risiko für die Entstehung von Übergewicht und Karies erhöht19. Aus drei japanischen Populationsstudien wurde mit einer niedrigen Evidenz eine darüber hinausgehende vorbehaltliche („conditional“) Empfehlung abgeleitet, die Zufuhr an freien Zuckern auf nur 5 Prozent der Energiezufuhr zu reduzieren14,19. In Deutschland und in ganz Europa liegt der Zuckerverzehr deutlich über diesen Grenzwerten. Eine Strategie, den Zuckerverzehr zu reduzieren, ist der Ersatz von Zucker durch sogenannte Süßungsmittel. Unter diesem Begriff werden im Lebensmittelrecht Süßstoffe („intense sweetener“) und Zuckeraustauschstoffe („bulk sweetener“) zusammengefasst. Zucker wie Haushaltszucker, Fruktose und Glucose(-sirup) oder Honig, Sirup und Dicksäfte gelten nach dieser Definition nicht als Süßungsmittel. Da Letztere als Lebensmittelzusatzstoffe eingestuft werden, ist vor ihrer Verwendung eine Zulassung erforderlich3. In der Europäischen Union (EU) sind derzeit 19 Süßungsmittel zugelassen, darunter elf Süßstoffe (Tab. 1) und acht Zuckeraustauschstoffe (Tab. 2).


Tab. 1 In der EU zugelassene Süßstoffe (nach EUFIC9 und Tummel17). *: verglichen mit Saccharose. **: Da Phenylalanin als Bestandteil von Aspartam von Menschen, die an dem seltenen Stoffwechseldefekt Phenylketonurie leiden, nicht verstoffwechselt werden kann, müssen mit Aspartam gesüßte Produkte und Tafelsüßen auf dem Etikett den Warnhinweis „Enthält eine Phenylalaninquelle“ oder „Mit Phenylalanin“ tragen. #: Die Zulassung gilt nicht für die Pflanze und ihre Teile.

Tab. 2 Zuckeraustauschstoffe (nach DGE5 und Tummel17)

Süßstoffe

Süßstoffe sind synthetisch hergestellte oder natürliche Verbindungen5, die insulinunabhängig verstoffwechselt werden und nicht kariogen sind17. Auch wenn bei manchen Süßstoffen der Kaloriengehalt ebenso wie bei herkömmlichen Zuckern 4 kcal/g beträgt, werden sie aufgrund ihrer hohen Süßkraft (vgl. Tab. 1) nur in sehr geringen Mengen im Milligrammbereich ver­wendet, so dass die Kalorienzufuhr nicht relevant ist. Süßstoffe ersetzen die Süße, aber nicht die Masse des Zuckers5,17.

Süßstoffe werden bei der Herstellung von brennwertverminderten Lebensmitteln und diätetischen Produkten oder als Tafelsüßstoff (Tabletten, Streusüße, Flüssigsüße) eingesetzt. Für die meisten Süßstoffe gibt es je nach Lebensmittelkategorie unterschiedliche, genau festgelegte Verwendungshöchstmengen in mg/kg oder mg/l, die in Anlage 2 der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des europäischen Parlaments und des Rates festgelegt sind5,17.

Zuckeraustauschstoffe

Zuckeraustauschstoffe (vgl. Tab. 2) sind Polyole, die durch Hydrierung von Kohlenhydraten hergestellt werden. Sie kommen zum Süßen von Süßwaren, Kaugummi und Desserts oder im Haushalt als Streusüße zum Einsatz. Verwendungshöchstmengen wie für Süßstoffe wurden nicht festgelegt17.

Zuckeralkohole haben mit 2,4 kcal/g einen geringeren Kaloriengehalt als Zucker (4 kcal/g). Da sie eine vergleichbare Süßintensität aufweisen, werden sie in gleichen Mengen wie Zucker verwendet und haben auch ähnliche funktionelle Eigenschaften wie Farbe, Struktur, Wasserbindungskapazität und Mundgefühl. Eine Ausnahme ist Erythriol, ein Zuckeraustauschstoff, der 2006 in Europa zugelassen wurde und keine Kalorien liefert. Zuckeraustauschstoffe ersetzen nicht nur die Süße, sondern auch die Masse von Zucker. Erythriol wird als kalorienfreie Streusüße angeboten.

Da Zuckeraustauschstoffe nur unvollständig absorbiert werden, gelangen sie in den Dickdarm, wo sie abführend wirken können und Blähungen zur Folge haben. Lebensmittel, die mehr als 10 Prozent Zuckeraustausch­stoffe enthalten, müssen daher den Warnhinweis „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ tragen5,17. Die Verträglichkeit ist allerdings individuell verschieden und auch von der Art des Zuckeraustauschstoffes abhängig: Der Toleranzwert reicht von etwa 20 g/Tag (Mannit) bis 125 g/Tag (Erythrit). Bei regelmäßiger Verwendung kann ein Gewöhnungseffekt eintreten.

Sicherheit von Süßungsmitteln

In der EU gelten Süßungsmittel als Zusatzstoffe und unterliegen wie diese einem strengen Zulassungsverfahren. Seit 2003 ist die European Food Safety Authority (EFSA) für die gesundheitliche Bewertung von Zusatzstoffen zuständig. Sie hat für Süßstoffe sogenannte akzeptable tägliche Aufnahmemengen („acceptable daily intake“, ADI) festgelegt. Der ADI-Wert gibt die Menge eines Zusatzstoffes an, welche täglich während des gesamten Lebens pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden kann, ohne dass es zu gesundheitlichen Risiken kommt3,9,17. Im Hinblick auf Süßstoffe wurden Höchstmengen für verschiedene Lebens­mittel abgeleitet, damit der ADI-Wert eingehalten wird3. Bei Bedarf, zum Beispiel, wenn neue Studien zu diesem Thema veröffentlicht werden, wird die gesundheitliche Bewertung wiederholt, wie etwa 2013 bei Aspartam3. Studien bestätigen, dass der Verzehr von Süßstoffen üblicherweise unter den jeweiligen ADI-Werten liegt9.

Süßungsmittel und Karies


Abb. 4 Qualitätssignet „Zahnmännchen“ (Aktion Zahnfreundlich e. V.)

Süßungsmittel können durch orale Mikroorganismen nicht (Süßstoffe, Isomalt, Laktit und Xylit) oder nur in sehr geringem Maße (Erythrit, Maltit, Mannit und Sorbit) zu Säuren verstoffwechselt werden und sind deshalb nicht kariogen17. Daher wird es in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) zur Kariesprävention bei bleibenden Zähnen als plausibel bezeichnet, dass der komplette oder partielle Ersatz von Zucker durch Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe zu einer Verminderung des Kariesrisikos führen kann, auch wenn hierzu hochwertige Studien fehlen7. Sind in einem Lebensmittel allerdings Süßstoffe mit fermentierbaren Kohlenhydraten kombiniert, wirkt dieses Lebensmittel weiterhin kariogen9. Diskutiert wird außerdem ein möglicher kariespräventiver Effekt von Xylit, wofür es jedoch laut der DGZ-Leitlinie keine ausreichenden Belege gibt7. Der gemeinnützige Verein Aktion Zahnfreundlich e. V. zeichnet Produkte wie zum Beispiel zuckerfreie Kaugummis mit Zuckeraustauschstoffen, welche weder Karies auslösen noch zu Schmelzerosionen führen, mit dem Qualitätssignet „Zahnmännchen“ aus (Abb. 4). Diese Produkte werden mit der sogenannten intraoralen Plaque-pH-Telemetrie getestet, bei der pH-Wert-Änderungen im Mundraum nach dem Verzehr beobachtet werden.

Süßstoffe und Übergewicht

Es ist plausibel, dass der Ersatz von Zucker durch Süßungs­mittel, insbesondere Süßstoffe, ohne einen deutlichen Verlust an Geschmacksqualität den Kalo­riengehalt der Nahrung reduzieren und so zur Über­gewichtsprävention oder -therapie beitragen kann13. Allerdings wurde auch die gegenteilige Hypothese aufgestellt, nämlich dass Süßstoffe zu einer Zunahme an Körpergewicht führen können, da sie durch ihren süßen Geschmack appetitanregend und nicht sättigend wirken, die metabolische Reaktion durch den fehlenden Kaloriengehalt aber ausbleibt1,12,13. Studien mit Kindern zeigten zudem, dass diese die Kalorienaufnahme beim Mittagessen an die Kalorienaufnahme einer Vorspeise anpassen. Je nachdem ob sie eine zucker- oder eine süßstoffgesüßte Vorspeise bekommen hatten, aßen sie beim darauffolgenden Hauptgang weniger oder mehr, so dass die Kalorienaufnahme in der Summe konstant blieb. Erwachsene Probanden kompensierten den Kaloriengehalt der süßstoffgesüßten Vorspeise hingegen nicht2. Inwieweit sich diese Laborstudien jedoch auf einen gewohnheitsmäßigen Verzehr von Süßungsmitteln übertragen lassen, ist fraglich, da unter weniger kontrollierten Bedingungen noch andere Einflüsse eine Rolle spielen können.

In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2014 zeigten die neun eingeschlossenen prospektiven Kohortenstudien mit insgesamt über 100.000 Probanden, dass der Verzehr von Süßungsmitteln in einem signifikanten positiven Zusammenhang mit dem Body-Mass-Index (BMI), nicht aber mit der Gewichtszunahme und der Fettmasse steht. Dieses heterogene Ergebnis wurde von den Autoren auf Messfehler und eine fehlende Adjustierung für andere erklärende Ernährungs- oder Lebensstilfaktoren zurückgeführt. Weil vorwiegend Personen mit dem Wunsch nach einer Gewichtsreduktion Süßungsmittel verzehren8, muss auch eine inverse Kausalität dieses Resultats in Betracht gezogen werden13. Dagegen zeigten die 15 randomisierten, kontrollierten Studien mit insgesamt fast 2.000 Probanden in dieser Metaanalyse, dass eine Substitution von Zucker durch Süßungsmittel das Körpergewicht (-0,8 kg), den BMI (-0,24 kg/m2), die Fettmasse (-1,1) und den Taillenumfang (-0,83) zumindest geringfügig reduzierte. Die Auto­ren schlussfolgerten daraus, dass der Ersatz von Zucker durch Süßungsmittel zu einem moderaten Gewichtsverlust führt und eine geeignete Maßnahme sein kann, die Compliance in der Adipositastherapie und -prävention zu erhöhen13.

Süßungsmittel und Diabetes

Der regelmäßige Konsum zuckergesüßter Getränke gilt als Risikofaktor für Diabetes Typ 26,10. Da als Wirkmechanismus ein schneller Anstieg des Blutzuckers mit einer reaktiven hohen Insulinausschüttung angenommen wird, wurde postuliert, dass mit Süßungsmitteln gesüßte Getränke das Diabetes-Typ-2-Risiko nicht erhöhen. Allerdings zeigte eine Metaanalyse aus dem Jahr 2015 auch für mit Süßungsmitteln gesüßte Getränke einen positiven Zusammenhang mit Diabetes Typ 2, den die Autoren durch nicht glykämische Effekte auf Hormone, Mikrobiota (Darmflora) oder Geschmackspräferenzen zu erklären suchen10. Eine viel beachtete, in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Studie konnte tatsächlich nachweisen, dass es bei Mäusen, denen häufig genutzte Süßstoffe wie Saccharin, Aspartam oder Sucralose ins Trinkwasser gegeben wurden, nach kurzer Zeit im Glucosebelastungstest zu einem überhöhten Anstieg der Blutzucker­werte kam. Als Ursache wurde eine veränderte Mikrobiota postuliert, da sich diese gestörte Glucosetoleranz durch Stuhlübertragung bei keimfreien Mäusen induzieren ließ16.

Süßungsmittel und Mikrobiota

Eine solche Beeinflussung der Mikrobiota, das heißt, der Gesamtheit der den menschlichen Darm besiedelnden Mikroorganismen (Bakterien), durch Süßstoffe wurde bereits vorher diskutiert. So beeinträchtigten hohe Konzentrationen von Acesulfam in vitro die anaerobe Glucosefermentation in Darmbakterien von Ratten. Da Acesulfam aber vom menschlichen Darm gut absorbiert wird, sind diese Ergebnisse kaum auf die In-vivo- Situation übertragbar11. Das Dipeptid Aspartam wird dagegen schon im Dünndarm in die einzelnen Aminosäuren gespalten und wie diese absorbiert11. Stevia­glycoside schienen keinen Effekt auf die Mikrobiota zu haben11. Aussagekräftige Humanstudien unter Alltags­bedingungen, die auch andere die Mikrobiota beeinflussende Nahrungsbestandteile berücksichtigen, fehlen jedoch bisher.

Süßungsmittel und Hypertonie

Der Konsum von zuckergesüßten Getränken ist mit dem Auftreten von Hypertonie assoziiert. Trotzdem überrascht es, dass eine Metaanalyse (vier Studien mit insgesamt fast 400.000 Probanden) auch für mit Süßungsmitteln gesüßten Getränken im Hinblick auf Bluthochdruck sowohl bei Frauen als auch bei Männern einen risikoerhöhenden Effekt ergab4. Neben dem Studiendesign (ausschließlich Beobachtungsstudien) wurde von den Autoren über zuckerunabhängige Mechanismen wie zum Beispiel Karamellfarbstoffe in dunklen Cola-Getränken oder den Phosphatgehalt spekuliert4.

Süßstoffe und Süßpräferenz

Die Vorliebe für die Geschmacksrichtung süß ist angeboren18, kann aber durch den wiederholten Kontakt mit süß schmeckenden Lebensmitteln und Getränken etabliert und verstärkt werden. Demnach könnte auch die Aufnahme von Süßungsmitteln die Geschmackswahrnehmung verändern und zu einem gesteigerten Verzehr süßer Lebensmittel und Getränke führen12. Durch eine Gewöhnung an die hohe Süßintensität schmecken möglicherweise natürlich süße Lebens­mittel wie Obst nicht mehr süß genug15. Eine aktuelle Übersicht über verschiedene Studien, die den Effekt von Süßstoffen auf den Appetit auf und den Verzehr von süßen Produkten untersuchten, fand allerdings keinen appetit- und verzehrsteigernden Effekt1.

Fazit

Im Hinblick auf ihre akute und langfristige Toxizität (zum Beispiel Krebsentstehung) gelten die zugelassenen Süßungsmittel als sicher3,9,12. Ihr Einfluss auf das Körper­gewicht, den Blutzucker, den Blutdruck und die Mikrobiota sind allerdings noch nicht ausreichend untersucht12. Erschwert wird die Forschung zu diesem Thema durch die chemische und metabolische Heterogenität der Süßungsmittel, ihre zum Teil in Kombination erfolgende Verwendung in verschiedenen Produktgruppen sowie wechselnde Trends beim Konsum13. Um vor allem den erwiesenermaßen ungünstigen Konsum zuckergesüßter Getränke zu reduzieren, können mit Süßungsmitteln gesüßte Alternativen allerdings als geeigneter Zwischen­schritt angesehen werden. Ziel sollte es aber sein, letztendlich auch auf Süßungsmittel zu verzichten und sich auf die natürliche Süße von Lebensmitteln zu beschränken, da Zweifel an einer langfristigen Beeinträchtigung der Gesundheit durch Süßungsmittel nicht vollständig ausgeräumt sind15.

Ein Beitrag von Dr. oec. troph. Ute Alexy, Dortmund

Literatur


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Abruf: 01.06.2017.


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www.dgz-online.de/sites/default/files/meldung/dateien/ll-basisprophylaxe_
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during childhood. Curr Opin Clin Nutr Metab Care 2011;14:379-384.


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Reference: Quintessenz Zahnmedizin, Ausgabe 8/17 Prävention und Prophylaxe Zahnmedizin

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