Das Mikrobiom im menschlichen Darmtrakt unterstützt bei der Verdauung, produziert Vitamine und trainiert das Immunsystem. Zudem schützen die Bakterien allein durch ihre Anwesenheit vor krankheitserregenden Artgenossen. Doch der Mikrokosmos im Darm ist ein störanfälliges Gebilde, so eine Meldung im Ärzteblatt vom 13. November.
„Gerät es aus dem Gleichgewicht, drohen Infektionen, Übergewicht und Diabetes sowie entzündliche und neurologische Erkrankungen“, erläuterte Sofia Forslund, die im Mai dieses Jahres vom European Molecular Biology Lab (EMBL) in Heidelberg ans Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin wechselte und die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Mikrobiom erforscht.
In einer jetzt in Nature Microbiology veröffentlichten Studie (2018; doi: 10.1038/s41564-018-0257-9) hat Forslund gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Dänemark, Deutschland und China untersucht, wie sich eine Therapie mit Breitbandantibiotika auf das Zusammenspiel der Darmbakterien auswirkt. „Wir konnten zeigen, dass sich das Mikrobiom ein halbes Jahr nach der Medikamentengabe fast vollständig erholt hatte“, berichtet die Forscherin. Aber eben nur fast: „Einige empfindliche Bakterienarten blieben dauerhaft verschwunden“, so Forslund.
Kopenhagener Studie an zwölf Probanden
Für die Untersuchung verabreichte das Team um die MDC-Forscherin und 2 Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen zwölf gesunden, jungen Männern, die sich zur Teilnahme an der Studie bereiterklärt hatten, über vier Tage hinweg drei Antibiotika: Meropenem, Gentamicin and Vancomycin. Gewöhnlich kommen diese Wirkstoffe vor allem dann zum Einsatz, wenn gängigere Antibiotika nicht mehr wirken, weil die Bakterien gegen sie resistent geworden sind.
Anschließend untersuchten die Forscher das Mikrobiom ihrer Probanden sechs Monate lang. Mittels DNA-Sequenzierung bestimmten sie, welche Bakterienarten sich im Darm der Männer aufhielten. Außerdem ermittelten sie, welche Gene in den Bakterien vorhanden waren. Besonderes Augenmerk legte das Team dabei auf die Resistenzgene, mit denen sich die Keime gegen Medikamente zur Wehr setzen.
Potenziell pathogene Bakterien erholen sich am schnellsten
Es zeigte sich, dass der Darm trotz dreier stark wirksamer Antibiotika nicht vollständig steril geworden sei, berichtet die Forscherin. Manche Keime schrumpften und verwandelten sich zu sogenannten Sporen. Die anschließende Wiederbesiedelung des Darms erfolgte stufenweise. Zuerst tauchten vermehrt Bakterien auf, die krankmachende Eigenschaften besitzen, unter anderem Enterococcus faecalis and Fusobacterium nucleatum.
Gleichzeitig konnte das Team in den Mikroorganismen besonders viele Virulenzfaktoren ausmachen – also Strukturen und Stoffwechselprodukte, die dem Menschen eher schaden. „Diese Beobachtung erklärt gut, warum die meisten Antibiotika Magen-Darm-Störungen hervorrufen“, so Forslund.
Weniger Arten, mehr Resistenzgene
Mit der Zeit normalisierte sich die Darmflora wieder. Bakterien wie beispielsweise die milchsäureproduzierenden Bifidobakterien gewannen im Mikrobiom wieder die Oberhand. Nach sechs Monaten war das Mikrobiom der Probanden nahezu wieder das alte. Es fehlten jedoch nicht nur ein paar der früher vorhandenen Arten. „Auch die Anzahl der Resistenzgene hatte sich in den Bakterien erwartungsgemäß erhöht“, berichtet Forslund.
Aufgrund des offenbar dauerhaften Verlusts einzelner Arten und der erhöhten Zahl der Resistenzgene zeige die Studie einmal mehr, wie wichtig es sei, Antibiotika mit Bedacht zu verabreichen, so die Forscher.