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Bundesgesundheitsministerium muss tätig werden – Selbstverpflichtungen der Zahnärzte reichen nicht aus

Der Bundesrechnungshof in Bonn rügt in einer sogenannten Bemerkung zum Jahresbericht die fehlende Versorgungsforschung und Nutzenbewertung in der Kieferorthopädie. Die gesetzlichen Krankenkassen geben mehr als eine Milliarde Euro jährlich (2016: 1,1 Milliarden Euro) für kieferorthopädische Behandlungen aus, schätzungsweise mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland werde über einen Zeitraum von regelmäßig zwei bis vier Jahren kieferorthopädisch behandelt. Man beanstande hier das Fehlen einer Versorgungsforschung und einer darauf beruhenden Bewertung des medizinischen Nutzens kieferorthopädischer Behandlungen, so die Bonner Behörde.

Dem BMG Untätigkeit vorgeworfen

Sie wirft zudem dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Untätigkeit vor. BMG und Kassen hätten kaum Einblick in das konkrete Versorgungsgeschehen. „Ziel und Erfolg kieferorthopädischer Behandlungen sind nur unzureichend erforscht. Die fehlende Transparenz kritisierten der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation (DIMDI) und Information schon vor Jahren. Das BMG ging dem nicht nach“, so der Bundesrechnungshof. Er bezieht sich dabei unter anderem auf einen Health Technology Assessment-Bericht des DIMDI von 2008, der hinsichtlich des Nutzens und der Wissenschaftlichkeit der Kieferorthopädie keine Belege erkennen konnte.

KZBV-Vorhaben zu Behandlungsdaten verhindert

Im Bericht heißt es weiter: „Der Bundesrechnungshof stellte bei einer Prüfung fest, dass das BMG und die Krankenkassen kaum Einblick hatten, mit welchen kieferorthopädischen Leistun- gen Patientinnen und Patienten konkret versorgt wurden. Es fehlten bundesweite Daten, zum Beispiel über Art, Dauer und Erfolg der Behandlung, behandelte Altersgruppen, zugrundeliegende Diagnosen sowie die Zahl der abgeschlossenen Fälle und Behandlungsabbrüche. Im Jahr 2012 versuchte die KZBV, Abrechnungsdaten von Kieferorthopäden bundesweit zusammenzuführen, um einen besseren Einblick in die Versorgung zu erhalten. Dies verhinderte das BMG wegen datenschutzrechtlicher Bedenken.“

Stellungnahme des BMG nicht ausreichend

Das BMG habe zur Kritik des Bundesrechnungshofs Stellung genommen und zur Nutzenbewertung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss verwiesen. Zudem habe man die zwischen Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung (KZBV) und Kieferorthopäden 2016 getroffene Vereinbarung zu mehr Transparenz begrüßt (siehe unten).

Der Bundesrechnungshof bleibt allerdings bei seiner Kritik und fordert das BMG zum Tätigwerden auf. So solle das Ministerium Versorgungsforschung in diesem Bereich anstoßen. Vom BMG vorgebrachte ethische Bedenken teile man in dieser Form nicht. Auch soll das BMG gegenüber der Selbstverwaltung und den Zahnärzten tätig werden, die bereits dort getroffenen Vereinbarungen seien löblich, aber nicht ausreichend.

Studien nicht pauschal ethisch problematisch

Im Bericht heißt es dazu: „Im Übrigen hält der Bundesrechnungshof Studien nicht pauschal für ethisch problematisch, die Kinder und Jugendliche betreffen. Entscheidend sind Ablauf und Inhalt der Studien. In jedem Fall begegnet es ethischen Bedenken, die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen – auch mit Blick auf deren besondere Schutzbedürftigkeit – jahrelang kieferorthopädisch zu behandeln, wenn Nutzen und Erfolgswahrscheinlichkeit angewandter Methoden nicht hinreichend erforscht sind. Unzweifelhaft soll ein Anspruch auf medizinisch notwendige kieferorthopädische Leistungen unabhängig vom Einkommen bestehen. Aus Sicht des Bundesrechnungshofs ist es jedoch fragwürdig, an bestehenden Leistungen festzuhalten, ohne deren medizinischen Nutzen zu untersuchen.“

„Ungeprüfte Selbstverpflichtungen“ reichen nicht

Man befürworte, dass Verbände der Zahnärzte die kieferorthopädischen Leistungen transparenter gestalten möchten, halte dies jedoch nicht für ausreichend. Der Bundesrechnungshof bleibe bei seiner Auffassung, dass den Versicherten fundierte und verständliche Informationen über kieferorthopädische Selbstzahlerleistungen zugänglich sein sollten. „Hierfür muss auch deren Nutzen wissenschaftlich evaluiert werden. Für eine umfassende Versorgungsforschung in der Kieferorthopädie muss zudem bekannt sein, welche Selbstzahlerleistungen die einzelnen Versicherten konkret erhalten haben.“

Es bleibe auch abzuwarten, inwieweit die Zahnärzte angekündigten Änderungen tatsächlich umsetzen. „Verbindliche Regelwerke haben sie bislang nicht geändert. Die in ihrer Vereinbarung aufgeführten Selbstzahlerleistungen haben sie weder erläutert noch bewertet. Das BMG darf es nicht bei ungeprüften Selbstverpflichtungen der Leistungserbringer belassen.“

Nicht die erste Diskussion zur KfO

In den vergangenen Jahren war die Kieferorthopädie in Deutschland durch diverse Medienberichte mehrfach in die Diskussion geraten, so wegen des fehlenden Nutzens herausnehmbarer Apparaturen und wegen Abzocke-Vorwürfen, weil bei gesetzlich Versicherten in einigen Praxen vor Behandlungsbeginn das Vereinbaren zusätzlicher Privatleistungen verlangt wurde. Hier griff die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ein und vereinbarte 2016 mit dem Berufsverband der Kieferorthopäden Vorgaben zu mehrkostenfähigen Leistungen und mehr Transparenz in der Kieferorthopädie, um diese Praxis zu beenden.

Titelbild: Shutterstock/Robert Przybysz
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