Früh wurde erkannt, dass die Nierenwerte einen schweren Covid-19-Verlauf vorhersagen können [1]. Die S3-Leitlinien zur stationären Therapie [2] raten daher zur Bestimmung der Urin- und Nierenwerte schon in der Notaufnahme. Neu ist die Besorgnis, dass durch das Virus verursachte molekulare Gewebeveränderungen langfristig zu Nierenschäden führen könnten, und zwar nicht nur bei Covid-19-Patientinnen/-Patienten, die ein akutes Nierenversagen erlitten haben, sondern auch bei jenen, bei denen es während der Akuterkrankung zu Nierenwertentgleisungen kam. Da diese nicht immer erkannt wurden, unterstreichen Nierenexperten die Bedeutung der nephrologischen Nachsorge nach Covid-19, informiert die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie in einer Pressemeldung auf idw online.
Die Nieren werden bereits sehr früh im Verlauf in Mitleidenschaft gezogen. Genau darin liegt aber auch ein hohes prognostisches Potenzial: Bereits im bergangenen Frühjahr wurde die Covid-19-assoziierte Nephritis als frühes Warnsignal für schwere Verläufe der Infektionserkrankung erkannt und von der Arbeitsgruppe um Prof. Oliver Gross von der Universtiät Göttingen entsprechend publiziert [1].
Doch die Nierenbeteiligung ist noch mehr als ein prognostischer Marker für den Erkrankungsverlauf. Sie ist ein sehr bedeutender Risikofaktor für die Mortalität: Mehrere Studien [3, 4] zeigten, dass es bei Patienten, die an Covid-19 erkranken, häufig schon frühzeitig im Verlauf zu einer Nierenbeteiligung kommt, das heißt, zu einer Albuminurie (und/oder Hämaturie). Eine chinesische Studie [5] kam zu dem Ergebnis, dass die Nierenbeteiligung bei Covid-19-Patienten das Outcome der neuartigen Viruserkrankung dramatisch verschlechtert und die Mortalität um den Faktor 10 erhöht. Bislang war nur das Auftreten eines akuten Nierenversagens (AKI) als unabhängiger Prädiktor für die Mortalität bekannt [2], doch wie es scheint, sind bereits frühe Zeichen einer Nierenbeteiligung wie Eiweißverlust im Urin, Eiweißreduktion im Blut sowie der Verlust von Antithrombin III prognostisch bedeutsam [1].
Spezifische Langzeiteffekte erwartbar
Das legt die Frage nahe, ob und welche spezifischen Langzeiteffekte nach Covid-19 auf die Nieren zu erwarten sind. Die Datenlage zum akuten Nierenversagen (AKI) ist relativ eindeutig: Beim AKI („acute kidney injury“) erholt sich die Nierenfunktion nach sieben Tagen, abzugrenzen davon sei die AKD („acute kidney disease“), bei der die Erholung der Nierenfunktion länger dauert, und zwar bis zu 90 Tage. Bei vielen Patienten erholte sich die Nierenfunktion gar nicht, sie wurden chronisch nierenkrank. Kellum et al. [6] zeigten, dass sich bei insgesamt 41,2 Prozent der Patienten in den AKI-Stadien 2 und 3 letztlich keine Erholung der Nierenfunktion einstellte. Die gleiche Arbeitsgruppe zeigte zudem, dass diese Patienten ein Jahr nach Erleiden des AKI ein deutlich schlechteres Outcome (Tod, Dialysepflichtigkeit) aufwiesen. Ähnliche Warnsignale erreichen uns nun zum chronischen Nierenschaden nach Covid-19 aus China [7]: „Wir können sagen, dass gut die Hälfte der Patientinnen und Patienten, die ein AKI erleiden, im Nachgang chronisch nierenkrank werden. Diese Rate ist auch nach einem Covid-19-assoziierten AKI zu erwarten. Es ist wichtig, die Betroffenen in eine nephrologische Nachsorge zu bringen, damit durch eine adäquate Therapie der Nierenfunktionsverlust verlangsamt beziehungsweise nach Möglichkeit aufgehalten wird“, erklärt Prof. Gross.
Wichtigstes Fazit des Göttinger Experten: „Die Niere muss in der Covid-19-Nachsorge neben den Lungen, Herz und dem Nervensystem im Zentrum stehen. Das ist umso wichtiger, da durch eine frühzeitige Behandlung der Nierenfunktionsverlust aufgehalten werden kann. Dazu gehört, dass der Hausarzt/die Hausärztin – ähnlich wie bei anderen Risikogruppen für Nierenerkrankungen wie etwa Patientinnen/Patienten mit Diabetes mellitus und Bluthochdruck – in regelmäßigen Abständen die Nierenwerte (GFR, Albumin im Urin) überprüft.“