Dentsply Sirona kauft mit OraMetrix ein auf digitale Tools für die Kieferorthopädie spezialisiertes Technologieunternehmen, Straumann hat ClearCorrect übernommen und will noch in diesem Jahr mit Alignern in den deutschen Markt einsteigen. Passend dazu hat man sich noch die Zusammenarbeit mit einem Entwickler für Telemonitoring-Apps in der Zahnmedizin gesichert.
Align Technology kooperiert mit Digital Smile Design, 3Shape kooperiert mit seinen Intraoral- und Laborscannern mit fast allen namhaften KfO-Anbietern weltweit. Der 3-D-Druck für Schienen aller Art ist auf dem Weg in die Labore und Praxen.
Aligner-Shop im Supermarkt
In den USA haben Aligner-Shops in Malls und Supermärkten eröffnet, in denen sich die Kunden ganz ohne Zahnarztbesuch ihre Aligner für ein schöneres Lächeln bestellen können – und diese Angebote schwappen längst auch nach Europa über. Auch hierzulande werben Anbieter von KfO-Schienensystemen mit Werbespots im Radio.
Zielgruppe Jugendliche und Erwachsene
Ganz klar: Die Digitalisierung ist nun endlich auch in der Kieferorthopädie angekommen. Und das wird die Kieferorthopädie, aber auch die Zahnmedizin insgesamt verändern. Die Aligner versprechen eine schnelle Korrektur von Zahnfehlstellungen, die Bewerbung geht ganz klar an den – jugendlichen und erwachsenen – Patienten und in Richtung Ästhetik: „gerade Zähne“.
Zielgruppe Allgemeinzahnärzte
Und sie geht an die allgemeinzahnärztliche Praxis, für die in Deutschland mit Einführung der Kieferorthopädischen Indikationsgruppen die KfO als Leistungsangebot auf Kasse und privat weitgehend verschlossen war. Für die neuen digitalen Aligner-Systeme mit ihrer externen digitalen Behandlungsplanung ist – zumindest aus Sicht der Anbieter – der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie oder Master of Science KfO aber nicht erforderlich. Das kann mit entsprechender Fortbildung auch der Allgemeinzahnarzt, Telemonitoring per App inklusive.
Damit eröffnet sich für interessierte Zahnärztinnen und Zahnärzte mit der Erwachsenen-KfO ein neues Feld von Privatleistungen. In diese Richtung geht ganz klar die Strategie der Unternehmen, die dabei auch den steigenden Anteil von Zahnärztinnen in den Praxen im Blick haben, denen man eine hohe Affinität zu solchen Angeboten unterstellt.
Herausforderung für die Kieferorthopädie
„Die Kieferorthopäden haben noch gar nicht begriffen, was das für sie heißt“, so die Einschätzung eines CAD/CAM-Spezialisten der ersten Stunde. Die neuen digitalen Verfahren und Aligner seien die biologischere Form der Zahnbewegung, heißt es. Die auch finanziell attraktive Domäne „schöne, gerade Zähne“ bei Erwachsenen werden ihnen damit andere verstärkt streitig zu machen versuchen. Umso mehr sollte es darum gehen, die Wissenschaftlichkeit der Kieferorthopädie und die Bedeutung für die orale und Gesamtgesundheit der Menschen stärker herauszustellen. Allerdings ist es um die wissenschaftliche Evidenz vieler gängiger und bewährter kieferorthopädischer Verfahren und Techniken nach wie vor nicht so gut bestellt.
Wissenschaftlichkeit und Studien
In der Hand des Kieferorthopäden eröffnen die digitalen Verfahren, die es ja nicht nur für die Aligner, sondern auch für den Einsatz in der klassischen KfO gibt, neue Optionen für die Therapie, gerade in der Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen wie der Funktion, der Implantologie und der Prothetik. Dies wissenschaftlich herauszuarbeiten und zu bewerten –und damit auch den zahnärztlichen Kollegen Evidenz an die Hand zu geben, ist also dringend geboten.
Risiken im Blick haben
Der starke Fokus auf die Ästhetik und die direkte Ansprache der Patienten durch die Systemanbieter bergen unbestritten Risiken für die Gesundheit der Patienten. Eine Aligner-Therapie ist kein kosmetisches Bleaching. Wenn für die Patienten die „geraden Zähne“ mit Kieferschmerzen und anderen Problemen enden, ist das am Ende für alle zu teuer bezahlt.
Informieren und beraten
An der Kieferorthopädie wird künftig keine Praxis mehr vorbeikommen, ähnlich wie bereits jetzt an der Implantologie. Nicht zuletzt, weil die Werbung Nachfrage vonseiten der Patienten generiert. Wer es selbst nicht anbieten kann und will, muss zumindest seine Patienten entsprechend informieren und beraten können – auch um sie vor Schaden zu bewahren. Denn bei aller Leistungsfähigkeit der digitalen Systeme braucht es das Wissen und die Kenntnis des Zahnarztes, um die Indikation richtig zu stellen und unerwünschte Effekte zu vermeiden.
Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin Quintessence News, marschall@quintessenz.de