Eine Ära ging zu Ende – die neue beginnt mit einem sehr starken Signal in die Zahnärzteschaft wie auch die Politik. Aufbruchstimmung herrschte im Berliner Hotel Estrel, dem Tagungsort der außerordentlichen Bundesversammlung (BV) am 4. und 5. Juni 2021 nach der Wahl des neuen geschäftsführenden Vorstandes (GV) der Bundeszahnärztekammer. Überraschungen inklusive. Gemäß dem Schlussmotto des scheidenden Präsidenten Dr. Peter Engel „Die Zukunft sollte man nicht voraussehen, sondern möglich machen!“* schickten die 166 Delegierten einen verjüngten und inhaltlich und thematisch gut ausbalancierten GV, dem zum ersten Mal in der Geschichte der BZÄK auch eine Zahnärztin angehört, in die kommenden vier Jahre. Chapeau! Prof. Dr. Christoph Benz als Präsident, Konstantin von Laffert als 1. Vizepräsident und Dr. Romy Ermler als 2. Vizepräsidentin werden die BZÄK führen. (*Zitat des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry)
Spätestens an dieser Stelle muss man dem alten GV für seine Entscheidung großen Respekt dafür zollen, trotz der nach wie vor nicht beendeten Coronapandemie auf eine Präsenzversammlung gesetzt zu haben. Denn die in der Werbung gerne plakatierten digitalen Segnungen à la „Wir haben gelernt, online zu leben“ finden dann doch ihre Grenzen dort, wo es um zutiefst menschliches geht, wie zum Beispiel Delegierte persönlich anzusprechen, einen „Draht zu finden“. Dies gilt umso mehr, wenn die BV mit einer großen Anzahl neuer Delegierte aufwartet. Und wie das bei demokratischen Wahlen so ist: Delegierte wollen überzeugt werden und haben durchaus auch andere Vorstellungen als die Auguren, Strippenzieher und „Listenplaner“ im Vorfeld. Das machte der wichtigste und von allen erwartete Tagesordnungspunkt 6. „Wahlen“ mehr als deutlich.
Abgesehen von der Wahl des Versammlungsleiters setzt die Wahlordnung die Wahl des Präsidenten an die erste Stelle, erst danach werden die beiden Vizes gewählt. Drei Kandidaten hatten ihre Kandidatur im Vorfeld öffentlich gemacht und bei diesen blieb es dann auch, keine weiteren Kandidaten betraten die Planche. Zwei gingen mit einer Liste an den Start: Dr. Michael Frank (LZK Hessen) mit Christian Berger (BLZK) und Konstantin von Laffert (ZÄK Hamburg), Prof. Dr. Dietmar Oesterreich (ZÄK Mecklenburg-Vorpommern) mit Dr. Torsten Tomppert (LZK BW) und Dr. Karsten Heegewaldt (ZÄK Berlin). Prof. Dr. Christoph Benz stellte sich als „Einzelkandidat“ zur Wahl.
Paukenschlag bei den Vizes
Machen wir es kurz: Die beste und vor allen Dingen freie Rede mit klaren Ansagen „keine Kontinuität, sondern Neuanfang“ überzeugte. Ergebnis: In der Stichwahl setzte sich Benz mit 102 Stimmen deutlich gegen Frank mit 53 Stimmen durch. Und hatte nun das gestaltende Momentum für sich.
Ob die Delegierten keine Listen, sondern selbst über die Zusammensetzung des geschäftsführenden Vorstands entscheiden wollten? Jedenfalls war es das für die beiden Listen, aber nicht für einen der Listenkandidaten. Benz überraschte nach einer kurzen Auszeit mit zwei Vorschlägen: Konstantin von Laffert und Dr. Romy Ermler, LZK Brandenburg. Da war er, der erste „richtige“ Paukenschlag: Eine Frau kandidierte für den Posten der zweiten Vizepräsidentin! Noch Anfang Juni fand sich „offiziell“ keine Frau unter den Vorstandskandidaten.
Doch weitere Paukenschläge sollten folgen. Denn was danach passierte, war von vielen Auguren zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehalten worden. Sie wissen schon – die angeblich nicht vorhandenen und wenn doch, dann nur mit mangelnder berufs- und standespolitischer Erfahrung ausgestatteten weiblichen Zahnärzte. Nun traten zur Wahl des ersten Vizepräsidenten neben von Laffert auch Barbara Plaster, Vizepräsidentin der Kammer Berlin, und Dr. Monika Büscher-Winkelmann, Westfalen-Lippe, an. von Laffert gewann die Wahl zum ersten Vizepräsidenten souverän. Angesichts des „Gegners“ imponierten jedoch die beiden Frauen.
Zur Wahl für den zweiten Vizepräsidentenposten standen mit Dr. Romy Ermler, Dr. Sascha Fardadjli aus Bayern, sowie erneut Plaster und Büscher-Winkelmann drei Frauen. Für die Wahlempfehlung seiner Beisitzerin im Vorstand stieg der Präsident der Kammer Brandenburg, Jürgen Herbert, in die Bütt. Apropos Bütt: Ob mancher Wortwahl à la „mein Mädchen“ und „Arbeitsbiene“ zuckten die Zuhörer spürbar zusammen, aber letztlich gab er seiner Wertschätzung spürbar und deutlich Ausdruck. Bereits der erste Wahlgang brachte die Entscheidung: 110 Stimmen für Ermler.
Passiert, was man noch für unmöglich hielt
Und damit war tatsächlich das passiert, was man zu diesem Zeitpunkt in standespolitischen Zirkeln (und offensichtlich auch bei den beiden anderen Präsidentschaftskandidaten) noch für unmöglich hielt und vielleicht in vier Jahren gesehen hätte: Eine Frau als Vizepräsidentin der BZÄK.
An dieser Stelle ein kleiner Rückblick: Erinnert sich noch jemand an die Kandidaturankündigung von Dr. Rebecca Otto aus Jena für den GV der BZÄK aus dem letzten Oktober? Die Kritiker waren schnell bei der Hand: zu jung, zu unerfahren, zu direkt in ihrem Anspruch an althergebrachten Verfahren vorbei … Ich sage hingegen: Mutig und offenes Visier – das, was wir in diesen Zeiten brauchen. Dass sie ihre Kandidatur nicht aufrechterhalten konnte, ist eine ganz eigene Geschichte.
BZÄK kann Frau
Deshalb abschließend eine zugegeben sehr kurze Zusammenfassung der kurzen Bewerbungsrede für das Präsidentenamt von Benz: Die Zahnmedizin hat die Coronapandemie erfolgreich bewältigt. Mit diesem Mut und dieser Energie werden wir auch die Herausforderungen des Strukturwandels bewältigen, in dem die Zahnmedizin zweifelsohne steckt: Gesundheit statt Prothese, Themenvielfalt statt bohrender Einfalt. Wenn wir da erfolgreich sein wollen, müssen alle mitsprechen: Frau, Mann, jung, alt, mit Familie, ohne Familie, Praxis, angestellt. Dieses bunte Meinungsspektrum braucht die BZÄK in allen Gremien und das heißt mehr jung, mehr Frau – und BZÄK kann Frau.
Eben. Und junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. Beide.
Last but not least: Die wirklich souveräne Versammlungsführung durch Dr. Kai Voss sollte als Fingerzeig dafür genommen werden, dass die Mischung der Talente und Erfahrungen den Erfolg ausmacht.
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.
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