Die wirtschaftliche Stimmung bei den Ärztinnen und Ärzten ist auf -31,3 Punkte gesunken. Der Großteil stufte sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate negativ ein. Eine der Ursachen aus Sicht der Befragten: Politische Entscheidungen, gesetzliche Regelungen und (daraus resultierende) Vorgaben der Selbstverwaltung, sprich Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigungen und Kammern.
Nach dem leichten Aufwärtstrend zum Jahresbeginn hat sich die wirtschaftliche Stimmung der niedergelassenen Ärztinnen/Ärzte wieder verschlechtert. Das Stimmungsbarometer (früher Medizinklimaindex) der Stiftung Gesundheit ist im zweiten Quartal 2023 auf einen Wert von -31.3 gesunken – so niedrig wie selten zuvor.
„Das ist einer der niedrigsten Werte seit dem Beginn unserer Befragung vor über 15 Jahren“, berichtet Prof. Dr. med. Dr. rer. pol. Konrad Obermann, Forschungsleiter der Stiftung Gesundheit. Verschlechtert hat sich die Stimmung in allen ärztlichen Fachgruppen – am stärksten bei den Hausärztinnen und Hausärzten, am geringsten bei den Psychologischen Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten.
Gesetze, Personalsituation oder Digitalisierung: Neue Hintergrundfrage zeigt Ursachen für Stimmungsentwicklung
Um die ausschlaggebenden Faktoren für die Stimmungsentwicklung in der Ärzteschaft zu identifizieren, hat die Stiftung Gesundheit eine neue Frage ergänzt: Sie beleuchtet, wie sich einzelne Bereiche auf die Arbeitssituation auswirken. „Gleich bei der ersten Abfrage zeigt sich ein sehr interessantes Bild“, sagt Obermann: „Fast drei Viertel der Ärzteschaft (72,0 Prozent) geben an, dass sich politische Entscheidungen, gesetzliche Regelungen und/oder Vorgaben von Kammern und KVen negativ auf ihre Arbeitssituation auswirken. Damit liegt dieser Faktor mit deutlichem Abstand vorn, alle anderen kommen auf weniger als 50 Prozent.“
Aktuelle Stimmung bei Zahnärzten schlecht
Geht es um die wirtschaftlichen Erwartungen für die kommenden sechs Monate, erwarten vor allem die Haus- und Fachärzte mit 62,6 beziehungsweise 59 Prozent eine ungünstigere Entwicklung. Die Zahnärztinnen und Zahnärzte meinen zu 53,9 Prozent, die wirtschaftliche Erwartung für die kommenden sechs Monate sei ungünstiger. Allerdings bezeichnen bereits jetzt 34,9 Prozent der Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als schlecht, 48,8 Prozent als befriedigend und 16,3 Prozent als gut. Hier sehen sich die Hausärzte und Fachärzte aktuell noch etwas besser aufgestellt. Immerhin 19,6 Prozent der Hausärzte und 17,6 Prozent der Fachärzte geben an, ihre aktuelle wirtschaftliche Lage sei gut, jeweils mehr als 50 Prozent meinen, sie sei befriedigend. Als schlecht bewerten 29.9 Prozent der Hausärzte und 31,5 Prozent der Fachärzte die aktuelle Lage.
Vergleich mit dem ifo-Geschäftsklimaindex
Sowohl der ifo-Geschäftsklimaindex als auch der Stimmungsindex der Ärztinnen und Ärzte haben sich im 2. Quartal 2023 negativ entwickelt, so die Stiftung Gesundheit: Der Geschäftsklimaindex sank dabei stärker (Rückgang um 4,7 Punkte) als der Index der Ärztinnen/Ärzte (Rückgang um 1,6 Punkte). Insgesamt betrachtet sei die wirtschaftliche Stimmung bei den niedergelassenen Medizinern weiterhin schlechter als in den Branchen des ifo-Index.
Stimmung bei den nichtärztlichen Heilberufen leicht besser
Erhoben wird im Stimmungsbaroemter auch die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage bei den nichtärztlichen Heilberuflern wie Physiotherapeutinnen/-therapeuten und Apothekerinnen/Apothekern. Hier fällt die Einschätzung mit einem Gesamtwert von -7,5 deutlich positiver aus, die Lage hat sich aus Sicht dieser Berufsgruppen nur leicht verschlechtert. Am schlechtesten ist die Beurteilung eigenen wirtschaftlichen Lage aktuell und in der Zukunft bei den Apothekern. Hier geben mehr als 70 Prozent an, ihre aktuelle wirtschaftiche Lage sei schlecht, und mehr als 76 Prozent gehen davon aus, dass sich die Lage in den kommenden sechs Monaten weiter verschlechtern wird. Positiver gestimmt sind dagegen die Ergotherapeutinnen/-therapeuten, die Logopädinnen/Logopäden und die Heilpraktiker, auch wenn bis auf die Heilpraktiker und die Hebammen/Geburtshelfer alle eine Verschlechterung der eigenen wirtschaftlichen Lage in den kommenden sechs Monaten erwarten.
Die Ursachen für die negativen Beurteilungen sieht man aber auch bei den nichtärztlichen Heilberufen vor allem in negativen Einflüssen der Politik/gesetzliche Vorgaben und in der Digitalisierung. 65,7 Prozent der Teilnehmenden sehen negative Effekte von Politik/Gesetzlichen Regelungen und Selbstverwaltung, 45,6 Prozent nennen die Digitalisierung als eine Ursache.
Medizinklimaindex heißt jetzt Stimmungsbarometer
Diese Studienreihe der Stiftung Gesundheit, die bisher als „Medizinklimaindex“ bekannt war, hat mit der aktuellen Ausgabe einen neuen Namen bekommen: Nach 17 Jahren heißt sie nun Stimmungsbarometer. „Dieser Begriff macht auf Anhieb verständlich, worum es in der Erhebung geht: Wir zeigen auf, wie die Stimmung der Niedergelassenen derzeit ist und ob sie mit Zuversicht oder Sorge in die Zukunft blicken“, so Obermann. Ausgewertet wurden für das Stimmungsbarometer für das 2. Quartal 2023 870 Rückmeldungen.