Studierende brauchen für die Anforderungen der Arbeitswelt neue Kompetenzen. Inwieweit diese sogenannten Future Skills in der Lehre bereits gefördert werden, beleuchtet das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) anhand einer Befragung von rund 6.400 Professorinnen und Professoren für 19 Fächer an deutschen Hochschulen. Während einzelne Zukunftskompetenzen bereits in allen untersuchten Fächern etabliert sind, zeigen sich für den Großteil der untersuchten Kompetenzen noch deutliche Fächerunterschiede. So werden etwa Digitalkompetenzen in einigen Fächern noch kaum unterstützt. Dabei beurteilt die Mehrzahl der Befragten eine Vielzahl der untersuchten Future Skills als wichtig für die spätere Berufstätigkeit.
Fachwissen allein reicht für die Arbeitswelt nicht mehr aus
Megatrends wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, aber auch globale gesellschaftliche Herausforderungen, haben weitreichende Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Zur Bewältigung dieser Aufgaben werden sogenannte Future Skills immer wichtiger. Diese umfassen unter anderem Kompetenzen zur Selbstorganisation, Innovation oder auch Resilienz.
„Für die Arbeitswelt von heute und morgen reicht alleinige Fachkompetenz nicht mehr aus“, bilanziert Nina Horstmann. „Absolventinnen und Absolventen müssen später im Berufsleben heute noch unbekannte, komplexe Probleme in heterogenen Teams lösen und neue technologische Entwicklungen in ihren Berufsalltag integrieren können. Diese Kompetenzen sollten im Studium erlernt oder weiterentwickelt werden“, so die Expertin für Future Skills beim CHE.
Seit dem Wintersemester 2022/2023 untersucht das CHE deshalb bundesweit, inwieweit diese Kompetenzen an deutschen Hochschulen bereits gefördert werden. Mehr als 6.400 Professorinnen und Professoren wurden zu 22 für den Arbeitsmarkt relevanten Future Skills in zwei Erhebungsrunden befragt.
Die wichtigsten Future Skills aus Sicht der Professorinnen und Professoren
In der zweiten Befragungsrunde im vergangenen Wintersemester sollten Professorinnen und Professoren von 11 der 19 untersuchten Fächer die Wichtigkeit einzelner Zukunftskompetenzen bewerten. Zu den wichtigsten Future Skills für die spätere Berufstätigkeit gehören nach Ansicht der deutschen Hochschulprofessorinnen und -professoren aktuell: Problemlösekompetenz, kritisches Denken und Kollaboration. Die drei genannten Kompetenzen tauchten in allen untersuchten Fächern jeweils in den Top-5 pro Fach auf.
Insgesamt zeigt sich aber auch für den Großteil der weiteren untersuchten Future Skills, dass die überwiegende Mehrzahl der Professorinnen und Professoren diese als wichtig einschätzt. Im Vergleich zu den nicht-digitalen Kompetenzen werden die meisten Digitalkompetenzen allerdings bislang von einem geringeren Anteil an Professorinnen und Professoren als wichtig bewertet.
Umsetzungsstand bei der bisherigen Vermittlung der Kompetenzen
Die Aufbereitung der Ergebnisse in einem DatenCHECK im Portal hochschuldaten.de ermöglicht hierbei in interaktiven Grafiken sowohl eine Übersicht für einzelne Fächer sowie die Filterung nach einzelnen Future Skills im Fächervergleich.
Neben der Relevanz beurteilten die Professorinnen und Professoren auch den Umsetzungsstand bei der bisherigen Vermittlung der Kompetenzen in ihrem Fach. Nahezu flächendeckend stark gefördert werden dabei kritisches Denken, Problemlösekompetenz, Eigeninitiative, Urteilskompetenz, Selbstorganisationskompetenz und Lernkompetenz.
Deutliche Fächerunterschiede bei der Förderung von Future Skills
Für einen Großteil der Future Skills gibt es jedoch deutliche Fächerunterschiede, beispielsweise bei der Kollaboration. Das gemeinsame Arbeiten an einer Aufgabe wird etwa im Bereich Pflegewissenschaft bereits in besonderem Maße in den Blick genommen. In den Rechtswissenschaften dagegen liegt der Anteil an Professorinnen und Professoren, die Kollaboration besonders fördern, bei unter 20 Prozent.
Digitalkompetenzen werden vergleichsweise selten gefördert
Abgesehen vom Studienfach Informatik werden Digitalkompetenzen im Vergleich zu nicht-digitalen Kompetenzen noch deutlich seltener gefördert. Hier sieht Studienleiterin Horstmann den größten Aufholbedarf: „Inwieweit Künstliche Intelligenz unsere Lebens- und Arbeitswelt in den kommenden Jahren verändern wird, können wir bisher nur erahnen. Umso wichtiger ist es, die Studierenden auch beim Aufbau von KI- und Digitalkompetenzen, etwa Digitaler Ethik, durch innovative Lehrformate bereits jetzt bestmöglich zu unterstützen“.
Insgesamt sei das Thema Future Skills in der deutschen Hochschullehre durchaus angekommen, so Horstmann. Zwischen der von den Professorinnen und Professoren genannten Relevanz der einzelnen Future Skills und dem realen Umsetzungsstand in den Fächern gebe es aber zum Teil noch große Abweichungen.
Über die Studie
Die Ergebnisse wurden im Rahmen des CHE Hochschulrankings 2023 und 2024 erhoben. Ausgewertet wurden Online-Befragungsergebnisse von rund 3.500 Professorinnen und Professoren der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer sowie des Fachs Soziale Arbeit an deutschen Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften bzw. Fachhochschulen und Dualen Hochschulen. Hinzu kommen Befragungen von 2.900 Professorinnen und Professoren der mathematisch-naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer inklusive Pflege-, Politik- und Sportwissenschaft. Gefragt wurde in 19 unterschiedlichen Fächern nach der Förderung und Wichtigkeit von insgesamt 22 verschiedenen Future Skills. Die Befragungszeiträume waren im Wintersemester 2022/23 beziehungsweise 2023/24. Die erste Publikation „Bildung für die Zukunft? Förderung von Future Skills in der Hochschullehre“ erschien im Oktober 2023. Der aktuelle DatenCHECK 4/2024 „Future Skills in der Hochschullehre: Relevanz und Umsetzungsstand im Fächervergleich“ wurde auf dem Portal hochschuldaten.de veröffentlicht und enthält zahlreiche interaktive Grafiken. Nina Horstmann ist Autorin beider Veröffentlichungen.
Originalpublikation:
Horstmann, Nina: DatenCHECK 4/2024: Future Skills in der Hochschullehre: Relevanz und Umsetzungsstand im Fächervergleich, CHE, Gütersloh