Im Februar 2022 haben sie das erste Mal eine Protestaktion am Brandenburger Tor in Berlin veranstaltet, um auf die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arzt- und Zahnarztpraxen aufmerksam zu machen. Und bei den nächsten Aktionen 2022 und 2023 waren die Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft und auch aus der Politik vor Ort. Am Freitag, 8. September 2023, wird um 13 Uhr die nächste Protestaktion des Verbands medizinischer Fachberufe (vmf) in Berlin stattfinden – wieder am Brandenburger Tor.
Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe, macht in einem Gastbeitrag für Quintessence News noch einmal deutlich, wo es aktuell für die Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten (MFA, ZFA) besonders drückt und warum es gerade jetzt so wichtig ist, dem Minister die Rote Karte zu zeigen und sich zahlreich an der Protestaktion zu beteiligen.
Seit dem Jahreswechsel 2021/2022 machen wir die aktuelle Bundesregierung auf die schwierige Situation der Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten (MFA, ZFA) im ambulanten Gesundheitswesen mit öffentlichen Protestaktionen am Brandenburger Tor in Berlin aufmerksam. Die vielen Protestbriefe, die wir bei den ersten Aktionen adressiert an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Bundesgesundheitsministerium übergeben haben, sind nur ein kleiner Eindruck der prekären Situation unserer Berufsangehörigen.
Aufklärung der Patienten zum GKV-FinStG wird den Praxisteams überlassen
Die erneute Budgetierung von zahnärztlichen Leistungen und die Einschränkungen der erst 2021 eingeführten Parodontitistherapie im GKV-Finanzstärkungsgesetz (GKV-FinStG) konnten wir mit unserem gemeinsamen Protest nicht verhindern. Die Leidtragenden sind die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, die nicht zu den vulnerablen Gruppen gehören, oder Menschen mit Behinderungen. Die Kommunikation zu den versteckten Leistungskürzungen überlassen die Verantwortlichen in der Politik den zahnärztlichen Praxisteams, die schon jetzt mit einem zunehmend aggressiven und fordernden Verhalten der Versicherten konfrontiert sind.
Statt – wie im Koalitionsvertrag versprochen – Maßnahmen zur Fachkräftesicherung in die Wege zu leiten, um dem Personalmangel im Gesundheitswesen entgegenzuwirken und die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe zu verbessern, gab es für die Arzt- und Zahnarztpraxen und die dort beschäftigten MFA und ZFA nur Sparmaßnahmen. Diese verschärfen die Situation und gefährden darüber hinaus die flächendeckende ambulante (zahn)ärztliche Versorgung.
Vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitswesen
Wir fordern die Bundesregierung auf, wie im Koalitionsvertrag versprochen, endlich Maßnahmen für ein vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitswesen zu ergreifen, das altersabhängige Erkrankungen bekämpft und eine gesundheitliche Versorgung zukunftssicher, bedarfsgerecht und wohnortnah sicherstellt.
Der Entgeltatlas der Agentur für Arbeit zeigt, dass sich die Gehaltssituation bei den ZFA im Vergleich zwischen 2022 und 2021 zwar um 5 Prozent verbessert hat, aber das mittlere Bruttoentgelt von ZFA unter 25 Jahren in Vollzeitbeschäftigung liegt immer noch bei 2.259 Euro – und damit im unteren Entgeltbereich. Der Median bei Sozialversicherungsfachangestellten in der allgemeinen Krankenversicherung unter 25 Jahren liegt bei 3.509 Euro und damit im Vergleich zu den ZFA 55 Prozent darüber. Dies ist aufgrund der höheren Verantwortung der ZFA für die Gesundheit von Menschen, dem höheren Infektionsrisiko und der Belastung im Praxisalltag nicht nachvollziehbar und verstärkt die Flucht aus dem Beruf.
Bei der Fachkräfteengpassanalyse der Agentur für Arbeit liegen ZFA inzwischen auf dem ersten Platz gemeinsam mit den Pflegefachkräften. Wir brauchen daher dringend eine Fachkräftestrategie, die die ZFA in der ambulanten Versorgung stärkt und ihnen Perspektiven im Beruf bietet.
Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e. V.