Sich dem Individuellen mit Statistik nähern – dieses Ziel in der medizinischen Diagnostik macht KI in neuer Dimension und mit bisher nicht dagewesener Präzision möglich. In dem neuen Horizon 2020-Projekt „Intervene“ hat sich nun das Hasso-Plattner-Institut (HPI) mit weiteren 16 Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, um neue Methoden und Verfahren für die Prävention, Diagnose und personalisierte Behandlung von Krankheiten zu entwickeln, zu evaluieren und in die klinische Anwendung zu bringen. Ziel ist es KI-basierte Technologien auf einen großen Pool von genomischen Gesundheitsdaten anzuwenden, um statistische Vorhersagen zum individuellen Erkrankungsrisiko und Krankheitsverläufen von Volkskrankheiten zu machen. Christoph Lippert, Professor für Digital Health & Machine Learning und Fachbereichsleiter am Hasso-Plattner-Institut (HPI), unterstützt das EU-Projekt bei der Entwicklung der neuartigen KI-Modelle.
Krankheit als Mischung aus Genetik und Umwelt
Viele Menschen haben eine oder mehrere Erkrankungen, die durch Veränderungen in einem oder mehreren ihrer Gene beeinflusst werden. Dies geschieht häufig in Verbindung mit Umweltfaktoren. In Form von genetischen Risiko-Scores können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler statistische Vorhersagen über die Auswirkung dieser genetischen Veränderungen auf den Krankheitsverlauf oder das Erkrankungsrisiko machen. Im EU-Projekt INTERVENE sollen bessere genetische Risiko-Scores entwickelt und auf ihre klinische Tauglichkeit geprüft werden.
Frühe Behandlung spart Kosten, erhöht Lebenserwartung
„Personalisierte Therapie- und Präventivmaßnahmen basierend auf individuellen genetischen Risiko-Scores haben ein enormes Potenzial, die Lebenserwartung in der EU zu verlängern, da Krankheiten früher erkannt und behandelt werden können. Gleichzeitig können so die Effizienz des Gesundheitssystems in der EU erhöht und Kosten eingespart werden“, sagt Prof. Christoph Lippert, Projektverantwortlicher am HPI. Im ersten Schritt werden Lippert und sein Team neuartige KI-Verfahren entwickeln, um die Vorhersagekraft und Genauigkeit der genetischen Scores durch neuronale Netzwerkarchitekturen zu verbessern und die longitudinalen klinischen Gesundheitsdaten aus elektronischen Gesundheitsakten mit molekularen (multi-omics) Daten integrieren. „Dafür bedarf es neuartiger Forschungsansätze, die den großen Pool an Genom- und Gesundheitsdaten in Europa nutzen“, so Lippert.
Fokus auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs
Im Intervene-Projekt werden klinische und Labormessdaten mit den genetischen Scores integriert, um leistungsfähige Vorhersageinstrumente zu schaffen und Personen mit hohem Erkrankungsrisiko zu identifizieren. Fokussieren werden sich die Projektpartner auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes und Brustkrebs, die alle eine enorme Belastung für die öffentlichen Gesundheitssysteme darstellen. Der Nutzen der KI-gestützten Verfahren wird in Kliniken in Finnland, Estland und Italien getestet. Unter Berücksichtigung regulatorischer und ethischer Anforderungen wird Intervene außerdem eine neue europäische Plattform aufbauen, die es Forschenden, Medizinerinnen und Medizinern ermöglicht, genetische Risiko-Scores zu berechnen. Ziel ist es, dadurch eine breite Akzeptanz von genetischen Risiko-Scores als Goldstandard in der klinischen Forschung und Praxis zu evaluieren und anschließen zu etablieren.
Intervene bündelt Kompetenzen neu
„Es besteht ein dringender Bedarf an der Entwicklung effizienter Entwicklungs- und Testplattformen, um die klinische Validierung dieser leistungsfähigen Algorithmen zu verbessern. Um diesen Bedarf zu decken, bringt Intervene die führenden Köpfe in den Bereichen KI-Methodenentwicklung, Biobanken, klinische Forschung, IT-Infrastrukturen sowie ethische, rechtliche und gesellschaftliche Auswirkungen in Europa und darüber hinaus zusammen“, sagt Prof. Samuli Ripatti von der Universität Helsinki, die das Projekt koordiniert. „Darüber hinaus benötigen wir neuartige Vorgehensweisen, um Risikoinformationen an Kliniken und Bürger auf verständliche Weise zu kommunizieren.“
Neue Präzision
„Wir sind stolz darauf, als HPI mit unserer Forschung einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Europa zu leisten und die personalisierte Medizin voranzutreiben. Ich erhoffe mir von den Projektergebnissen eine noch nie dagewesene Präzision bei personalisierten Vorhersagemodellen und damit eine effektivere Prävention und bessere Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit einer Vielzahl komplexer und seltener Krankheiten“, so Prof. Christoph Meinel, Direktor des HPI.
Das Projekt hat eine Förderung durch das Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union in Höhe von 10 Millionen Euro erhalten. Das Projekt Intervene (International consortium for integrative genomics prediction) hat eine Laufzeit von 5 Jahren, beginnend am 1. Januar 2021. Die University of Finnland, Finnland, ist Koordinator des Projekts. Weitere Informationen sind auf der Projektwebsite zu finden: