Rund 2 bis 7 Prozent der Erwachsenen leiden unter dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Unbehandelt reichen die Folgen von Tagesschläfrigkeit über Bluthochdruck bis hin zu einem Schlaganfall.1 Mit dem Beschluss im Februar 2021 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Zweitlinientherapie mittels Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) als Kassenleistung verabschiedet.2 Dieser trat am 1. Januar 2022 in Kraft.3 Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte können die Leistungen jetzt nach Bema, dem Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen, die neuen Positionen UP 1 bis 6 zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abrechnen.4
Voraussetzung zur Behandlung und Abrechnung ist die schriftliche Veranlassung durch Vertragsärztinnen und -ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Schlafmedizin“ oder der Qualifikation nach Paragraf 6 Absatz 2 der Qualitätssicherungsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband zur Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen gemäß Paragraf 135 Absatz 2 SGB V.2,4,6 Die neuen Leistungen sind dem zweiten Teil des Bema zugeordnet und in einem eigenständigen Bereich aufgeführt. Die Ziffern wurden hinter der Leistung Nr. K9 eingefügt.4
Die Leistungen in der Zusammenfassung
- UP 1 (27 Punkte) Untersuchung zur Versorgung mit einer Unterkieferprotrusionsschiene einschließlich Beratung: Überprüfung der Voraussetzungen, insbesondere: ausreichende Fähigkeit zur Mundöffnung, eine ausreichende aktive Protrusionsbewegungsmöglichkeit des Unterkiefers, eine ausreichende Verankerungsmöglichkeit der Schiene sowie keine der Versorgung entgegenstehenden Kiefergelenksstörungen. Leistung Nr. Ä1 kann für dieselbe Sitzung nur abgerechnet werden, wenn sie anderen Zwecken dient; bei Folgesitzungen nur als alleinige Leistung.
- UP 2 (49 Punkte) Abformung und dreidimensionale Registrierung der Startprotrusionsposition: Abdrucknahme beider Kiefer und dreidimensionale Registrierung der Startprotrusionsposition zur individuellen Vorverlagerung des Unterkiefers. Es kann ein individueller Löffel indiziert sein. Die Material- und Schienenauswahl ist patientenindividuell zu treffen.
- UP 3 (223 Punkte) Eingliedern einer Unterkieferprotrusionsschiene: Eingliedern einer zweiteiligen, bimaxillär verankerten UPS mit individuell reproduzierbarer Adjustierung sowie der Möglichkeit einer individuellen Nachjustierung mindestens in Millimeterschritten sowie Einstellung des Protrusionsgrads ausgehend von regelhaft mindestens 50 Prozent der maximal möglichen aktiven Unterkieferprotrusion. Das Eingliedern beinhaltet die individuelle Erstanpassung. Die Protrusion sollte als angenehm empfunden werden und schmerz- und spannungsfrei sein. Ein Zusatzhonorar für besonderen Abdruckverfahren ist nicht möglich.
- UP 4 (10 Punkte) Nachadaption des Protrusionsgrads: Die Nachadaption kann aus ärztlicher oder aus zahnärztlicher Indikation und nach gemeinsamer Abstimmung erfolgen. Für Vertragsärztinnen/-ärzte gibt es ebenfalls Abrechnungsziffern zur Wirkkontrolle (KBV GOP 30900U und 30901U).6 Nach der Kontrolle kann die Versorgung des Versicherten in Abstimmung mit dem Vertragsarzt/der Vertragsärztin, welche/r die UPS veranlasst hat, nachjustiert werden.
- UP 5 (8-35 Punkte) Kontrollbehandlung: Je Sitzung ist eine der Leistungen abrechenbar (Häufigkeit bedarfsabhängig).
a. 8 Punkte: Einfache Korrekturen der UPS
b. 12 Punkte: Subjektive Methode mit Einschleifen der Stütz- und Gleitzonen
c. 35 Punkte: Additive Methode mit Aufbau der Stütz- und Gleitzone
- UP6 (19-42 Punkte) Maßnahmen zum Wiederherstellen der Funktion oder zur Erweiterung einer Unterkieferprotrusionsschiene (keine Vergütung für Reinigung/Polieren)
a. 25 Punkte: Kleiner Umfang (ohne Abformung)
b. 42 Punkte: Größerer Umfang (mit Abformung)
c. 37 Punkte: Teilunterfütterung einer UPS
d. 19 Punkte: Wiederherstellung eines einzelnen oder mehrerer Halte- oder Stützvorrichtungen
e. 19 Punkte: Wiederherstellung eines einzelnen oder mehrerer Protrusionselemente
Interdisziplinäre Aufgabenverteilung – ärztliche Verordnung durch Schlafmediziner erforderlich
Grundvoraussetzung für die Versorgung mit einer UPS ist laut Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) eine entsprechende vertragsärztliche Indikationsstellung nach Anlage I Nummer 3 Paragraf 3 der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ (MVV-RL) und vertragsärztlicher Veranlassung. Zur Behandlung sind ausschließlich Vertragsärztinnen/-ärzte, die über eine Genehmigung nach der Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß Paragraf 135 Absatz 2 SGB V zur Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen durch die Kassenärztliche Vereinigung verfügen, berechtigt.2,5,6
Neue S1-Leitlinie mit Behandlungsalgorithmus
Die Versorgung mit der UPS erfolgt über den Zahnarzt. Dieser schließt orale Kontraindikationen wie fehlende oder kariöse Zähne, fortgeschrittene Parodontitis oder Kiefergelenksstörungen aus und entscheidet über etwaige Vorbehandlungen. Bei Eignung folgt die Schienenauswahl und die individuelle Anfertigung im zahntechnischen Labor sowie die Ersteinstellung. Die Wirkkontrolle führen im Anschluss Vertragsärztinnen/-ärzte durch, Anpassungen nimmt wiederum die zahnärztliche Praxis vor. Ende 2021 erschien die dazugehörige S1-Leitlinie, die mit einem Behandlungsalgorithmus Zahnarztteams bei dem komplexen Vorgehen unterstützt.7
Fachlabor bietet sechs verschiedene UPS an
Das kieferorthopädische Fachlabor Orthos (Frankfurt/Main) bietet sechs verschiedene UPS an, die nach Angaben des Unternehmens alle die Voraussetzung zur Abrechnung erfüllen. Interessierte können sich vom Orthos-Team zu einem breiten Spektrum an Schienen sowie dem Vorgehen auch telefonisch unter 069/71 91 000 beraten lassen, so das Unternehmen.
Quellen:
[1] S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörung Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“. AWMF-Register-Nr. 063/001. 2017. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/063-001l_S3_SBAS_2017-08_2_verlaengert_und_Hinweis_Teil-Aktualisierung_2020-07.pdf (Zugriff am: 16.12.2021).
[2] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie): Unterkieferprotrusionsschiene bei obstruktiver Schlafapnoe. Mai 2021.
[3] KVH: Unterkieferprotrusionsschiene neue Therapie abrechnen. https://www.kvhessen.de/abrechnung-ebm/neu-im-ebm/oktober-2021/unterkieferprotrusionsschiene/ (Zugriff am: 16.12.2021).
[4] Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (Bema) , Gebührenteil (Anlage A zum Bundesmantelvertrag-Z) (Zugriff am: 17.01.2022).
[5] Bundesministerium für Gesundheit: Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung: Unterkieferprotrusionsschiene bei obstruktiver Schlafapnoe. Februar 2021.
[6] KBV: Schlafstörung: Therapie mit Unterkieferprotrusionsschiene ab 1. Oktober möglich. Online auf der Internetseite der KBV abrufbar (Zugriff am: 17.01.2022).
[7] DGZS, DGZMK: „Die Unterkieferprotrusionsschiene (UPS): Anwendung in der zahnärztlichen Schlafmedizin beim Erwachsenen“, Langfassung 2021, Version 1.0, AWMF-Registriernummer: 083-045, (Zugriff am: 17.01.2022).