Der Tag der Artenvielfalt ist zwar am 22. Mai, doch die Biodiversität unseres Planeten braucht jeden Tag unsere Aufmerksamkeit und unseren Schutz. Dafür muss man sich ihrer erst einmal bewusst werden – einen neuen, spannenden Zugang dazu liefert LifeGate: Wissenschaftler aus Leipzig haben Ende Juli eine riesige, digitale Karte veröffentlicht, welche die ganze Vielfalt des Lebens in Tausenden Fotos zeigt. Dieses sogenannte LifeGate umfasst alle 2,6 Millionen bekannten Arten des Planeten und sortiert diese nach ihrer Verwandtschaft. Die interaktive Karte ist nun für jeden kostenlos nutzbar unter https://lifegate.idiv.de, so eine gemeinsame Medienmitteilung der Universität Leipzig (Botanischer Garten) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).
Taxonomisch sortiert
Wer wissen will, welche Orte in der Nähe Quitos liegen, der sucht auf Google Maps. Wer hingegen sehen will, welche Tiere verwandtschaftlich in der Nähe des Erdmännchens liegen, der kann auf LifeGate suchen. LifeGate ist eine neue interaktive Karte; keine geografische, sondern eine taxonomische: Zoomt man rein, sieht man Fotos der nächsten Verwandten einer Art, sei es des Erdmännchens oder irgendeiner anderen der 2,6 Millionen bekannten Arten. Zoomt man wieder raus, sieht man welcher Gruppe (Taxon) die gesuchte Art angehört, und welchen anderen Gruppen sie nahesteht. Das Erdmännchen zum Beispiel gehört zur Familie der Mangusten, welche unter anderem den Schleichkatzen nahestehen.
Die Vielfalt des Lebens in einer Karte
Die Online-Plattform LifeGate zeigt die ganze Vielfalt des Lebens in einer einzigen interaktiven Karte. Diese bildet bereits 420.000 Fotos ab, die Datenbank dahinter umfasst 12 Millionen Bilder, vom Pantoffeltierchen bis zum Pandabären. Dabei gibt es von manchen Arten viele Fotos, von anderen noch keine. 6.000 Bürgerinnen und Bürger weltweit haben dem nicht-kommerziellen Projekt ihre Fotos kostenlos zur Verfügung gestellt. Täglich kommen neue hinzu.
Erschaffer des LifeGates ist Dr. Martin Freiberg, Kustos des Botanischen Gartens der Universität Leipzig und Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). „Ich wollte LifeGate so bauen, dass alle Arten gleichwertig sind, und dass die unglaubliche Vielfalt der Arten wirklich erleb- und begreifbar wird“, sagt Freiberg.
Neuartige Darstellungsweise
Bei der Erstellung stützte er sich auf die Stammbäume der Natur: Biolog:innen beschreiben in sogenannten Phylogenien die stammesgeschichtliche Entwicklung und die Verwandtschaftsbeziehungen der Lebewesen. Eingang in LifeGate fanden nur moderne Phylogenien, die bereits auf Basis von DNA-Analysen entstanden sind. Normalerweise sind solche Darstellungen auf einzelne Artengruppen beschränkt und zeigen beispielsweise nur Vögel oder Frösche, nur Begonien, Orchideen oder nur Schmetterlinge. Freiberg führte die Phylogenien erstmals in einer Weise zusammen, dass die verwandtschaftliche Position aller Arten gleichzeitig erkennbar wird. „Da LifeGate auf keine Gruppe beschränkt ist, lassen sich so erstmals überhaupt Beziehungen zwischen Arten darstellen“, sagt er.
Elf Jahre Entwicklung
Seit 2008 hat Freiberg an der LifeGate-Karte gearbeitet – ein Kraftakt, zu dem auch die technische Programmierung der Plattform gehörte. Nun soll sie endlich ins Licht der Öffentlichkeit. „LifeGate hat als wissenschaftliches Erklärprojekt für meine Studierenden begonnen“, sagt Freiberg. „Bilder sind einprägsamer als nackte Zahlen und erleichtern den Zugang zum Thema Artenvielfalt. Deshalb fasziniert die Karte auch Amateure und Laien. In den Zoo gehen ja auch nicht nur Biologen.“
Freiberg hat noch viel vor. Zum Beispiel soll man in Zukunft von jeder Art verschiedene Foto-Ansichten wählen können. Vom Erdmännchen beispielsweise die Augen oder die Ohren, den Kopf von vorne, von der Seite, den Kot, Fußabdrücke und so weiter. Auch soll es virtuelle Reisen geben: Wer frisst wen? Wer bestäubt wen?
„Google Maps der Artenvielfalt“
Für seine Pläne brauchen Freiberg und sein Team nun Unterstützer:innen, vor allem in den Bereichen Programmierung und Projektmanagement und in der weiteren Finanzierung. „So ist das nicht mehr zu stemmen“, sagt er. Die öffentliche Bekanntmachung soll ein erster Schritt sein zum Erreichen von Freibergs Vision: „In Zukunft startet jede Online-Suche nach Tieren, Pflanzen oder Bakterien bei LifeGate. Es soll das Google Maps der Artenvielfalt werden.“
Übrigens: Natürlich gibt auch den Homo sapiens im LifeGate. Wer ihn sucht, findet ein Foto von Martin Freiberg und seiner Tochter. Eines von 2,6 Millionen Feldern auf der riesigen Karte des Lebens – am oberen Rand, halblinks.